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MAYBERIAN SANSKÜLOTTS – God Tiger Need Chemical Works

~ 2022 (Tom-Tom Records) – Stil: Dream Pop ~


Da Ungarn eine Liebe von mir ist, fällt mein Blick immer wieder ins Land an der Donau. Egal ob es um Kunst geht, oder in den letzten Tagen den Start des Giro d’Italia in Budapest oder eben Musik. Immer wieder ist es eine Freude, dort Entdeckungen zu machen. Nun eben entdeckte ich den Dream Pop der MAYBERIAN SANSKÜLOTTS. Allein der Bandname ist ja schon einen eigenen Aufsatz wert, um philosophische Gedanken und historisches Wissen zu verbinden. Vielleicht sind sie rebellisch, vielleicht passen sie sich nur keinen Moden an und ziehen ihr Ding durch. Was dann doch wieder rebellisch wäre. Dabei, so revolutionär klingt das Sextett aus Budapest nicht. Eher verträumt und angenehm aus der Zeit gefallen. Dennoch durften sie mit ihrer Musik schon auf einigen Festivals zwischen Wien und Barcelona und Bühnen zwischen Bratislava und Leipzig spielen.

Für mich, aber da bin ich sicher nicht ganz allein, ist ´God Tiger Need Chemical Work´ eine Zeitreise. Knapp vierzig Jahre geht die Reise zurück. Damals, als ich neben dem Metal auch Bands wie THE CURE entdeckte, oder DEPECHE MODE, damals wären sie Up to Date gewesen. Aber, damals war damals, heute ist heute. 

MAYBERIAN SANSKÜLOTTS, das sind Zita Csordás, Gesang,  Gallus Balogh und Gergő Dorozsmai, Gitarren, Szilvia Várnai, Keyboards und Backing Vocals, Árpád Szigeti, Bass und Justin Spike, Drums. Die Gitarren sorgen für schwebende, fast psychedelische, fast immer verträumte Klänge. Die Keyboards bringen warme, sonnige Klangfarben ins Spiel. Das Schlagwerk klingt manchmal eher elektronisch, dann wieder natürlich. Und dazu kommt Zitas Stimme, die bezaubert, betört, mit Melodien verwöhnt.

Beispiele gefällig? Klar doch. Das ruhige ´Guilty´, das bei jedem Hören wieder für Gänsehaut sorgt. Aus der Mittneunziger Phase der Briten DEPECHE MODE könnte das tanzbare ´Halogene´ stammen. ´Golden Hives´ könnte die Blaupause für einen melancholischen Pop-Song sein. ´Tiger God´, der Titelsong ist ähnlich heiß in den Ohren, wie der berühmte Tiger Balm auf der Haut. Kein Wunder, stammt die Textzeile doch von der Dose eines dieser Elixiere. 

Die beiden letzten Stücke dann erweitern noch ein wenig den Klangkosmos. ´What Is Love´ ist reine Popmusik, wie man seit THE CORRS nicht mehr hören durfte, hervorragende inbegriffen. Und der Abschluss ´Balatoni Gyász´ klingt wie aus dem Labor einer Electro-Dancefloor-Schmiede gestohlen. Über einem technoiden elektronischen Beat liegen zarte Klänge und sphärische Klänge. 

Dieses Album ist so wenig Rock, wie mir lange nicht untergekommen ist. Trotzdem findet es bei mir, was mich selbst am meisten überrascht, Gehör. Das beweist zumindest, dass man seinen Horizont immer ein wenig offen halten sollte. Denn manchmal könnte es sein, dass man etwas überhört, was für Freude sorgen könnte. Oder, wie in diesem Falle, träumerische, schwelgerische Momente.

(8 Punkte)

 

https://www.facebook.com/mayberian


(VÖ: 13.05. 2022)