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BAR ITALIA – The Twits

~ 2023 (Matador) – Stil: Indie Rock/Shoegaze/Post Punk ~


Auf seinem zweiten Album in diesem Jahr beweist das aus London stammende Trio BAR ITALIA einmal mehr, dass ihre Musik über genügend Dimensionen verfügt, um ihr produktives Schaffen zu rechtfertigen, denn das Vorgängerwerk ´Tracey Denim´ hatte bereits eindrucksvoll aufgezeigt, wie sie ihre abwegigen Melodien, düsteren Klänge und ihr konfessionelles Songwriting verfeinert und Einflüsse von THE CURE und MY BLOODY VALENTINE bis hin zu BLONDE REDHEAD in ihren eigenen fesselnden Stil aufgenommen hatten.

´The Twits´ umfasst insgesamt 13 Songs, und es kursieren hier unglaublich viele Ideen, ob nun schnelle Straight Ahead-Rocksongs, Weird Country oder auch schräge und treibende Post Punk-Rhythmen, die Stücke wie etwa ´World’s Greatest Emoter´, antreiben.

 

 

Die drei Briten verdoppeln jedenfalls diese Ansätze sowie ihre bemerkenswerte Fähigkeit, gleichzeitig distanziert und eindringlich zu klingen, und der dickere, härtere Sound brodelt unentwegt, was die Spannung von Cristantes, Jezmi Tarik Fehmis und Sam Fentons sich abwechselndem Gesang noch weiter steigert.

Dieses Gefühl des gemeinsamen Ausdrucks verleiht dem Album einen einzigartigen, organischen Geschmack, und die verschlungenen und spaltenden Erzählungen bieten dabei eine Art „Rashomon“-artige Interpretation des Indie Rock und verleihen den Songs von BAR ITALIA ein ausgeprägtes Gefühl von Bewegung und umfassenden Perspektiven.

Die Musik verändert sich im Laufe des Albums fast genauso stark wie der Gesang, und deren Stimmung bewegt sich vom ´Tracy Denim´-mäßigen, geschmolzenen Post Punk bei ´Real House Wibes (Desperate House Vibes)´ bis hin zum lebensbejahenden Shoegaze von ´Sounds Like You Had To Be There´.

Es finden sich hier allerdings auch einige beunruhigende Schwingungen, etwa in ´Que Surprise´, das mit seinen ungewöhnlichen Bass- und Gitarrenriffs eine geradezu unwiderstehliche Energie aufbaut, wie eine dunkle Gasse, die mit einem Hauch von Gefahr lockt, der man aber einfach nicht widerstehen kann.

Wo sich der Vorgänger ´Tracey Denim´ noch auf kürzere, direktere Songs stützte, wirken BAR ITALIA nun weit umfangreicher und vielfältiger, und während ´The Twits´ in gewisser Weise wie absichtlich unvollkommen wirkt, fühlt es sich so an als wäre es der letzte Cliffhanger vor dem Ende eines Kapitels in einem spannenden Roman. Es gilt hier weiterzulesen, denn die drei Londoner werden uns sicherlich wohl schon bald auf neue Pfade führen.

(8 Punkte)

 

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Pic: Gullick