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BILL NACE – Through A Room

~ 2022 (Drag City) – Stil: Avantgarde/Noise/Psychedelic/Experimental ~


Seit der Jahrtausendwende ist Bill Nace mit einer breiten Palette von höchst experimentellen und zugleich größtenteils brillanten Aufnahmen ganz am Rande des US-Undergrounds aufgetaucht. Er hat mit Kim Gordon (BODY/HEAD), Chris Corsano (VAMPIRE BELT), Aaron Dilloway, John Wiese, Leila Bordreuil und vielen anderen zusammengearbeitet, und nach jahrzehntelanger Aktivität segelt vor allem sein Solomaterial immer noch in gewisser Weise auf dunklem Gebiet.

Auf ´Through A Room´ verwirft Nace nun seine gewohnt gitarrengeführte Methodik zwar nicht vollständig, konzentriert sich jedoch verstärkt auf das Taishōgoto, ein japanisches Instrument aus dem 20. Jahrhundert, das von Gorō Morita erfunden wurde und die Mechanik der Schreibmaschine mit einem Saiteninstrument kombiniert. Mit einer Vogellockpfeife, einer „Donut-Pipe“ (ein Instrument mit Rohrblatt, ähnlich der mittelalterlichen Schalmei), einer Drehleier und seinem üblichen Tonband-Setup entwickelt Nace damit eine Klangtopographie, die anders ist als alles, was er zuvor geschaffen hatte.

 

 

Auf dem Album ´Both´ von 2020 hatte er seine Gitarre noch in erster Linie seiner sogar patentierten „Looped-and-Screwed“-Formel unterworfen, und auf ´Through A Room´ treibt der Künstler nun eine neue Reihe von Nachhall in den Prozess und manipuliert den Klang in eine Art schroffe, borstige Kohärenz. Seine Arbeit wirkt dabei wie im Geiste der frühen Tonbandmusik, aber Nace haucht dem Sound neues Leben ein – ein schwaches Schwirren, wie um verzerrtes Messing verwoben, lenkt den Geist weg von der Kakophonie hin zu einem Flattern von etwas Seltsamem und Fernem.

Auf ´E:E´ beispielsweise erinnern verwirrende Theremin-ähnliche Trillertöne vehement an den Soundtrack des Films ´Forbidden Planet´, aber mit der Zurückhaltung und Kontrolle über Sättigung und Overdrive pflanzt Nace diese Klänge in unsere prekäre zeitgenössische Landschaft neu ein. ´Crooked Teeth´ ist sogar noch pointierter, mit instrumentalem Tape-Loop, das durch das Klangfeld pingpongt und allmählich in ein weißes Rauschen übergeht.

´Ann´ ist hingegen eine langgezogene Komposition, die unter gespenstischen, echoverzerrten Vogelrufen in metallischen Drones wabert, und Nace übertrifft sich bei diesem Song beinahe schon selbst, führt uns in die dunkelsten Räume und verunsichert uns auf Schritt und Tritt.

Es herrscht eine gewisse knorrige Brillanz auf ´Through A Room´, mit dem nahezu stetig brennenden Summen und den unerwarteten harmonischen Verschiebungen, die das Etikett „psychedelisch“ tatsächlich auch verdienen. Mit all den ungewöhnlichen Instrumenten berührt Nace die ausdrucksstarken Gefilde von YELLOW SWANS, THROBBING GRISTLE, Halim El-Dabh und sogar Harry Bertoia für eine Session, die sowohl erschreckend als auch transzendent ist. Ein Sound wie von Geisterhand!

(7,5 Punkte)

https://www.facebook.com/dragcityrecords


Pic: Ryan Collerd