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PARZIVAL – David – The Hymn

~ 2021 (Hypertension-Music) – Stil: Klassik Rock ~


Parzival ist der Gralskönig, ein Ritter der Tafelrunde auf der Suche nach dem heiligen Gral. In der Musik erfuhr der literarische Stoff durch Richard Wagners Adaption „Parsifal“ seit 1882 allergrößte Beachtung. Musiker aus Bremen, benannt nach dem Gralssucher, gehörten zwischen 1970 und 1973 zu den mutigsten und bahnbrechendsten Gruppen ihrer Dekade.

Das Projekt PARZIVAL initiierten Lothar Siems (Gitarre, Gesang), Walter Quintus (Violine, Bass) und Thomas Olivier (Schlagzeug, Gesang). Es erweiterte die klassische Rock-Besetzung mit Gitarre, Bass und Schlagzeug nicht nur um Geige, Cello und Querflöte. Bereits in den Sechzigerjahren kreierten die drei Gymnasiasten ihren einzigartigen Stil. 1965 gründeten Lothar Siems und Thomas Olivier die CHAMBERLAINS, stockten mit Walter Quintus und einem Cellisten zum QUINTUS QUARTETT auf und nannten sich 1969 BEAZZIC CONSERVATORY. Der amerikanische Produzent Glenn F. Friedman holte sie 1970 sogar für Probeaufnahmen in die Londoner „Decca-Studios“. Der innovative Klangschöpfer und Produzent Conny Plank nahm sie dagegen 1971 unter Vertrag. Unter dem neuen Bandnamen PARZIVAL veröffentlichten „Teldec“ auf dem Festland, „RCA“ in England die Werke ´Legend´ (1972) und ´BaRock´ (1973).

Der Deutsche Journalisten-Poll zählte dereinst das Debüt zu den „interessantesten Produktionen des Jahres“. PARZIVAL konnten nicht einfach als Krautrocker abgetan werden, da sie jeglichen anglo-amerikanischen Musikern voraus waren. Jahre bevor sich Sinfonieorchester der Pop- und Rockmusik annahmen, agierten PARZIVAL grundlegend anders als die schüchternen Versuche von THE NICE und MOODY BLUES, mit Orgel und Keyboards Klassik zu integrieren. JETHRO TULL schenkten der Rockmusik zwar die Flöte, aber PARZIVAL ihr Blasinstrumente, Flöten und Streicher, beinahe in Orchesterstärke.

PARZIVAL wurden für die Kombination aus Rock, Folk und Klassik gefeiert. Leider zerbrach die Formation 1973. Lothar Siems schrieb in der Folge Lyrik sowie Kurzgeschichten und wurde Medien-Designer, Walter Quintus hingegen Produzent und Tonmeister in der Jazz- und Weltmusik-Szene, starb allerdings 2017 vor Vollendung des Projektes. Thomas Olivier rief eine Presseagentur und in den Achtzigerjahren die Gruppe STRAWBERRY SKY ins Leben. Er wurde sogar die Hörspiel-Stimme des Zeichentrick-Helden Pettersson. Deren Produzent Dieter Faber (KARAT, DIE PRINZEN, NENA, Udo Lindenberg) half, dem Projekt PARZIVAL neues Leben einzuhauchen. Denn nach 50 Jahren melden sich PARZIVAL 2021 mit ´David – The Hymn´ wahrhaftig zurück, einem neuerlichen Meilenstein in ihrer Historie.

Die Rückkehr beschert ein Doppelalbum, bestehend aus 23 neuen Songs, erschaffen von 130 Mitwirkenden aus 23 Ländern. Erneut erklingt PARZIVALs Klassik Rock als Mischung aus Klassischer Musik, Rock und Folk der mittelalterlichen Heldensagen sowie auch World Music. Die Musik lebt in luftiger Schönheit die Kombination aus Rock und Klassik aus, integriert in der Folklore mittelalterliche Klänge und in der Rhythmik ebenso arabische und afrikanische. Trotz des Massenaufgebots an Musikern sowie Sängern und Sängerinnen wirkt das Epos in seiner Gänze jedoch zu keiner Zeit überladen, unterschiedliche Stimmungen erzeugen grundsätzlich vielerlei Klangfarben.

Wunderbar sind die Klänge, wenn einfach nur Streicher, Klarinette und French Horn den Folk-Ansatz unterstreichen (´Old Love´) oder Flöte und Pfeife den mittelalterlichen (´Party Bird´). Sinfonische, orchestrale Aufwallungen sind nicht oft, etwa hier (´Keep Your Eyes On Us (Avalokiteshvara)´) und dort ( ´Juanita´) zu beobachten. Oftmals wächst der schlichte und eindringliche Gesang am Ende der Lieder zur mächtigen Chorgröße heran. Während sich Thomas Olivier im ersten Abschnitt noch einmal mit Akkordeon zeigt (´Man In The Tower´), tun sich im zweiten Abschnitt vermehrt Tribal-Rhythmen (´Rain Dance´) auf. Neben zartem Spiel mit Akustikgitarre und Cello (´All My Love´), Klavier und Glockenspiel (´Mighty Mouse´), wächst am Ende die Unruhe zum Aufruhr (´Rise Up!´).

Obwohl ´David – The Hymn´ eher wie ein Projekt von Thomas Olivier erscheint, ist Walter Quintus zumindest an einer der vielen Violinen vertreten. Keine Handvoll Songs, die weit über die vergangenen drei Dekaden gereift sind, wurden allerdings in alter Konstellation komponiert, ´Party Bird´ immerhin aus frühen Bandtagen gar noch von Siems, Quintus und Olivier. Und so wie der Jahrhunderte alte Parzival-Stoff komplexe Gesellschaftsprobleme ansprach, die Unterschiede der Männer- und Frauenwelt, Einbildungskräfte für eine Heilung oder für eine Erlösung im Paradies, boten PARZIVAL bereits früher eindringliche Lyrik gegen den Vietnamkrieg (´Senseless No. 6´) oder das atomare Wettrüsten (´Empty Land´) auf und können heute mit ´David – The Hymn´ ein Konzept-Album über die menschliche Gier nach schierer Macht präsentieren, die bei all den Problemen der Gegenwart obendrein zersetzend wirken kann. Dabei wird der Protagonist David von einem mächtigen Medienmogul engagiert, um eine Hymne für dessen Wahlkampf zu schreiben. Im Laufe der Geschichte durchschaut David freilich dessen böse Absichten. Schließlich sehnt sich der Mensch nicht nach Hass, sondern nur nach Liebe und menschlicher Nähe.

(8,5 Punkte)

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