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APOSTLE OF SOLITUDE – Until The Darkness Goes

~ 2021 (Cruz Del Sur Music) – Stil: Doom ~


Kein Zweifel, APOSTLE OF SOLITUDE ist eine Band, die dem Doom mit Haut und Haaren (oder besser mit Blut und Knochen?) huldigt…und das tun sie nicht erst seit gestern. Die Band wurde nämlich bereits 2004 in Indianapolis gegründet, also noch vor dem kleinen Doom-Revival mit Bands wie PALLBEARER, BELOW, LORD VICAR oder CRYPT SERMON. Gründungsvater war Chuck Brown, der vorher bereits die Doom-Schule von THE GATES OF SLUMBER besucht hatte und der er bei deren Reunion in 2019 auch wieder beigetreten ist. Nach nunmehr 17 Jahren ist aus jener Zeit neben Chuck aber lediglich noch Schlagzeuger Corey Webb dabei, der interessanterweise dort sitzt, wo Chuck Brown dies bei THE GATES OF SLUMBER etatmäßig tut, nämlich auf dem Schlagzeugschemel. Bei APOSTLE OF SOLITUDE übernimmt Chuck stattdessen die Gitarre und den Gesang.

Wir wissen also schon mal, dass es sich bei Chuck um einen flexiblen Menschen mit vielen Talenten handelt. Noch interessanter wird es aber wenn man erfährt, dass er sich im Jahr 2011 Steve Janiak an seine Seite geholt hat, der nicht nur dessen Vorgänger und Gründungsmitglied Justin Avery an der zweiten Gitarre ablöste, sondern Chuck jetzt auch noch beim Gesang unterstützt. Zwei Sänger in einer Doom-Kapelle sieht (oder hört) man auch nicht alle Tage. Zumindest dann nicht, wenn beide mit klarer und melodischer Stimme singen und nicht einer von beiden nur für die Growls zuständig ist. Aber auch Steve scheint über multiple Talente zu verfügen, denn Chuck wird ihn Bandchef Karl Simon, der dort von jeher die Position an Gitarre und Mikro besetzt, vermutlich nicht nur aufgrund seiner sozialen Kompetenz für die Reunion von THE GATES OF SLUMBER empfohlen haben, wo Steve nun als Bassist (!!) tätig ist. Komplettiert wird das Quartett von APOSTLE OF SOLITUDE seit 2016 durch Mike Naish am Bass, für den ´Until The Darkness Goes´ somit nach ´From Gold To Ash´ schon das zweite Album ist, an dem er mitgewirkt hat. Ich erwähne das so explizit, weil er bereits der vierte Bassist in den Reihen seines aktuellen Arbeitgebers ist. Ich wünsche ihm weiterhin viel Glück!

 

 

Das neue Album hat zwar mit nicht ganz 37 Minuten die Spieldauer einer klassischen LP, aber in Zeiten von ´Senjutsu´ wird diese Länge schon fast als EP wahrgenommen. Auch die sechs darauf enthaltenen Stücke verfügen, von einer Ausnahme abgesehen, mit jeweils 6 bis 7 Minuten über eine Spielzeit, die insbesondere im Doom-Sektor nicht gerade als ausufernd zu bezeichnen ist. Aber das ist auch gut so, denn mit der aktuellen Scheibe erfüllt der Gesandte zur Verkündung der Einsamkeit dennoch seinen Auftrag voll und ganz, ohne jedoch in eine aus endloser Monotonie bestehenden gepflegten Langeweile abzudriften.

Allerdings ist auf diesem Album ein deutlicher musikalischer Wandel festzustellen. Hatten die Vorgängerscheiben noch hier und da durchaus rockige Momente (man höre sich nur mal ´This Mania´ vom 2014er Album ´Of Woe And Wounds´ an), so drückt ´Until The Darkness Goes´ schwer aufs Gemüt und liefert den passenden Soundtrack für den derzeitigen Blick aus dem Fenster, der einem einen herbstlich wolkenbehangenen Himmel, Nieselregen und herabfallendes Herbstlaub bietet. Lediglich das nicht einmal dreiminütige Instrumental ´Beautiful Dark´ sorgt für ein kurzes Aufblitzen der Sonne zwischen den tiefliegenden und schnell vorbeifliegenden Wolken. Das Stück liefert als einziges auf dieser Scheibe, welche nach einer Textzeile vom Klassiker ´Paint It Black´ der ROLLING STONES benannt worden ist, näherungsweise so etwas wie einen „Beautiful Moment“, wenngleich auch einen recht dunklen. Auch das wie im Fall des Vorgängeralbums wieder von der deutschen Künstlerin Rebecca Weik erschaffene Covermotiv (im Original in Öl auf Leinwand) unterstreicht dieses soeben von mir mit Worten gezeichnete, herbstliche Motiv. Dichte und stürmischen Wolken aus denen es auf einen Bergkamm regnet, verdunkeln den Himmel und lassen die Sonne hinter ihnen nur aufgrund des goldgelben Lichterspiels erahnen. Aber in der rechten oberen Ecke zeichnet sich schon besseres Wetter ab und die Dunkelheit beginnt bereits zu weichen. Die vom Albumtitel verkündete Zeit des Wartens, bis die Dunkelheit entschwindet, scheint also bald vorüber zu sein und das Warten sich gelohnt zu haben. Natürlich ist auch eine hierzu konträre Interpretation möglich, und der Sturm zieht gerade erst auf, aber als hoffnungsloser Optimist maße ich mir mal diese Deutung an und beziehe sie auf die Umstände, unter denen ´Until The Darkness Goes´ entstanden ist.

Eigentlich sollte das Album bereits Ende 2020 aufgenommen werden, aber die Pandemie zwang die Band dazu, den Beginn der Aufnahmen zu verschieben, so dass erst im Mai 2021 der Startschuss dafür gegeben werden konnte. Und als wenn das noch nicht genug gewesen wäre, verlor eines der Bandmitglieder in dieser Zeit beide Elternteile. Da ist es fast nur noch eine Randnotiz wert, dass erst kürzlich Eric Wagner an den Folgen einer Covid-Erkrankung verstorben ist, für dessen Band THE SKULL (und für THE OBSESSED) sie noch im Sommer dieses Jahres einige Gigs eröffnet haben. Diese tiefe herzzerreißende Traurigkeit, die aus jedem Ton des neuen Werkes tropft, ist also bei näherer Betrachtung nicht allzu verwunderlich. Aber von den Ereignissen in der jüngeren Geschichte der Band einmal abgesehen, wandelte die Musik von APOSTLE OF SOLITUDE natürlich immer schon auf den Pfaden des Proto-Dooms à la PENTAGRAM, THE OBSESSED und ST.VITUS. Aber jetzt ragt sie eben schon fast in die Gefilde des Funeral Doom hinein, wenngleich natürlich nicht mit dem entsprechenden Gesang.

Zu der Musik auf der Scheibe gibt es somit nicht viel mehr anzumerken. Natürlich dominieren die langsamen und tieftönenden Riffs, welche von einem Schlagzeug begleitet werden, dessen Takt dem Herzschlag eines schlafenden Elefanten folgt und sowohl von einzelnen Becken, als auch vom Hi-Hat ausgiebig gebraucht macht. Aber immer wieder sorgen auch kleinere Gitarrensoli für Abwechslung, wobei natürlich der Paargesang von Chuck und Steve die Szenerie beherrscht. Teilweise erinnern die Songs, wie beispielsweise die erste Albumauskopplung ´Apathy in Isolation´, an Glanztaten von CANDLEMASS zu marcolinschen Zeiten, oder die zweite Auskopplung, der wuchtige mit grollenden Riffs unterlegte Opener des Albums ´When The Darkness Comes´, an SOLITUDE AETURNUS, ohne allerdings so tief wie diese in epischen Gefilden zu wandeln. APOSTLE OF SOLITUDE bleiben weitestgehend dem Doom in seiner reinen Form treu, schaffen es aber dennoch, diesem ihren eigenen Stempel aufzudrücken und ihn sogar mit einem gewissen Wiedererkennungswert zu versehen.

Aus dem Gesagten wird also ersichtlich, dass ´Until The Darkness Goes´ vermutlich nur etwas für Doom-Liebhaber sein wird, denen Frohsinn ein Greul ist und bei denen kitschige Melodien (ich will hier als Beispiele dafür keine deutschen Power Metal-Bands aufzählen) eine ähnliche Wirkung entfaltet, wie entgegengestreckte Kreuze bei Vampiren. Aber das dürfte die anvisierte Zielgruppe sicherlich nicht abschrecken, sondern eher einen zusätzlichen Kaufanreiz darstellen.

Von mir gibt es für dieses solide, aber vor allem auch authentische und in sich stimmige Werk

(8 Punkte)

 

 

´Until The Darkness Goes´ erscheint am 12. November 2021 via „Cruz Del Sur Music“ auf CD und LP.

APOSTLE OF SOLITUDE sind:
Chuck Brown – Gesang und Gitarren
Steve Janiak – Gitarren und Gesang
Mike Naish – Bass
Corey Webb – Schlagzeug

https://www.facebook.com/apostleofsolitude
https://apostleofsolitude.bandcamp.com
https://apostleofsolitude.com


(VÖ: 12.11.2021)