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OBLIVION KNIGHT – Forgotten Realm

~ 1987/1990/2021 (Arkeyn Steel Records) – Stil: US Metal/Tech Metal ~


 

 

Steve Sexton ist ein gewöhnlicher US-amerikanischer Teenager an der High School. Seit seinem 13. Lebensjahr mag er LED ZEPPELIN, doch erst als er Steve Harris zum ersten Mal hört, will er unbedingt eine richtige Metal-Band gründen. Er beginnt, seinen Geist neben IRON MAIDEN und JUDAS PRIEST auch mit QUEENSRYCHE und FATES WARNING zu füttern, entdeckt all die kultigen Underground-Sampler und verschlingt sie unermüdlich. Als er 1985 endlich Chris Camp begegnet, fangen sie gemeinsam an zu proben und zu komponieren, erst unter dem Namen KNIGHT, dann unter OBLIVION KNIGHT, Steve am Bass, Chris an der Gitarre.

In Dothan, Alabama, können sie allerdings keinerlei echte Mitstreiter finden, die sich für Metal begeistern. Sie knüpfen daher über diverse Fanzines Kontakte zur Texas-Szene sowie im Speziellen zu SYRUS und erhalten eines Tages die Einladung, einem SYRUS-Konzert mit FATES WARNING und OMEN beizuwohnen. Dabei treffen sie auf den Ex-Schlagzeuger von SYRUS, Ken Ortiz, und den Sänger von MILITIA und ASSALANT, Mike Soliz. MILITIA sind spätestens seit ihrer legendären 1986er EP ´The Sybling´, SYRUS seit ihren Demos aus 1986 und 1987 in aller Munde. Steve und Chris geben ihnen drei ihrer bislang sechs Original-Songs zum Anhören mit. Die Suche nach einem Sänger und Schlagzeuger für ein erstes, längst angedachtes Demo wird erst einmal für beendet erklärt.

Einige Monate später, im Jahre 1987, fliegen sie nach Texas in die „Blue Cat Studios“ von San Antonio und nehmen mit beiden ihr erstes Demo auf. Sie lernen nicht nur weitere Musiker kennen, sondern auch die Jungs von WATCHTOWER. Diese Begegnung sollte äußerst folgenreich für ihre weitere musikalische Ausrichtung werden. Doch in diesem Moment müssen sie erst einmal das Demo in die Underground-Szene hineintragen. Sie schicken es an alle Fanzines und erhalten ausschließlich positives Feedback. Praktisch die ganze Welt will ihnen das Demo abkaufen. Etwa 4 bis 5.000 Exemplare gehen um den Erdball, der Großteil nach Südamerika und Westdeutschland.

 

 

 

In der Zwischenzeit lernen sie John Arch kennen, der Ende 1986 FATES WARNING verlassen hat und sich nun in New York mit den Musikern treffen will, die ein Demo unter dem Namen MAJESTY veröffentlicht haben. Zu diesem Treffen mit den späteren DREAM THEATER nimmt John Arch kurzerhand Steve Sexton und Chris Camp mit. Auch dieses Treffen wird zu einem einschneidenden Erlebnis hinsichtlich der musikalischen Ausrichtung ihrer eigenen Band.

Denn OBLIVION KNIGHT vollenden in der Folge ihr weiteres Songmaterial ganz im Sinne ihrer neuesten Erfahrungen und Einflüsse. Nur einen festen Sänger und Schlagzeuger haben sie immer noch nicht. Für das Schlagzeug ist unterdessen Rick Colaluca vorgesehen, der allerdings vor den Studioaufnahmen für das nächste Demo sehr kurzfristig absagen muss, da er zum vorgesehenen Zeitpunkt mit WATCHTOWER nach Berlin reist, um ´Control And Resistance´ aufzunehmen. In der Not ruft Steve Schlagzeuger Mike Portnoy von DREAM THEATER an, der ihm Keith Ciaramello aus New York empfiehlt. Für den Posten am Mikrofon preist ihnen dagegen Keith Menser von MYSTIC-FORCE Drew Mazurek aus Baltimore, Maryland, an. Doch mit dem Ergebnis ist die Band unzufrieden, so dass Keith Menser eine weitere Empfehlung aussprechen muss. Sein Freund Chris Collins aus New York scheint womöglich die bessere Wahl zu sein. Er ist der ursprüngliche Sänger von MAJESTY und hat später noch kurze Gastspiele bei GUARDIANS OF THE FLAME und LAZARUS. Endlich kann das 1989er Demo in den „Falling Sound Studios“, Baltimore, Maryland, zufriedenstellend fertiggestellt werden, das OBLIVION KNIGHT abermals auf eigene Faust verkaufen, obwohl ihnen Angebote kleinerer Labels aus Übersee vorliegen.

 

 

 

Aktuell legen „Arkeyn Steel Records“ die beiden Demos von OBLIVION KNIGHT frisch auf. Im Gegensatz zur ´Oblivion Knight´-Kompilation aus dem Jahre 2009 durch „Steel Legacy Records“ enthält die neue, ´Forgotten Realm´ betitelte Kompilation von „Arkeyn Steel Records“ neben den beiden Demos in chronologisch entgegengesetzter Reihung auch noch das „Instrumental Audition Tape 1989“ mit den Songs des ´Forgotten Realm´-Demos. Die Lieder wurden zudem allesamt von Kostas Scandalis fachgerecht in den „Infinity Studios“ remastert.

Der klassische US Metal- und Speed Metal-Hörer wird die beiden Demos gerne chronologisch hören wollen, da das 1987er Demo diesem Stil entspricht. Der echte Gourmet, der die Texas-Metal-Szene und den Tech-Thrash an sich anbetet, wird das zweite, das ´Forgotten Realm´-Demo bevorzugen. Letzterem Ansinnen geben „Arkeyn Steel Records“ nach.  Die ´Forgotten Realm´-Kompilation startet schlicht und ergreifend mit dem ´Forgotten Realm´-Demo. Und damit ist es augenblicklich an der Zeit, all die Nieten und das ganze Geschirr des Beinkleids abzulegen. Denn mit Beginn dieser Scheibe fällt der Connaisseur nur noch auf die Knie, für eine längere Zeit oder gar dauerhaft. Da können in die Beine zurückdrückende Nieten schon unangenehm werden.

 

 

Der Eröffnungssong ´The Eagle’s Warning´, direkt nach dem Intro, ist einfach nur göttlich, nur so darf Tech-Metal geritten werden. Tägliche Anbetungen durch all die Genießer von etwa WATCHTOWER, REALM oder auch HELSTAR (zu ´Nosferatu´-Zeiten) sind bei bisherigem Unwissen fortan Pflicht. Das Instrumental ´Tales Of Vindication´ führt diese brillante Zurschaustellung ohne Gesang im Rhythmus, bei dem man mit muss, fort und wird leider am Ende ausgeblendet. Ein weiteres Instrumental, ´Forgotten Realm´, zum Finale dieses Demos lässt sogar noch RUSH-Einflüsse durchschimmern. Dazwischen gibt es mit ´Millennium´ nochmals die Möglichkeit zur Anbetung, denn es tönt abermals eine prachtvoll ratternde, erhabene und jubilierende Vorführung mit dem Gesang von Chris Collins aus den Lautsprechern.

 

 

Das zwei Jahre zuvor aufgenommene Demo holt die Jüngerschaft wieder aus dem Olymp ab. Das 1987er Werk mit Mike Soliz am Mikrofon entspricht einem US Metal und Speed Metal, bei dem echte Finessen der songschreiberischen Fähigkeiten bereits durchblicken. Die von Steve und Chris dereinst getragenen Shirts von FATES WARNING und AGENT STEEL geben dabei einen direkten Anhaltspunkt. ´Clash With The Knight´ und ´Beyond The Gates´ sind außergewöhnliche Kompositionen mit Atmosphäre, die von ´Sword In Hand´ („He’ll rule by sword in hand. He’ll rule the land. He’ll rule by sword in hand. He’ll take command.“) sogar noch mächtig übertroffen werden.

 

 

Majestätisch.

(9 Punkte)

 


OBLIVION KNIGHT waren:

Demo 1987
Mike Soliz – Gesang

Chris Camp – Gitarre
Steve Sexton – Bass
Ken Ortiz – Drums

´Forgotten Realm´-Demo 1990
Chris Collins – Gesang

Chris Camp – Gitarre
Steve Sexton – Bass
Keith Ciaramello – Drums

 


(VÖ: 29.10.2021)