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GRIFFIN (USA) – Flight Of The Griffin / Protectors Of The Lair – Ultimate Edition (2)

~ 1986/2020 (Golden Core/ZYX Music) – Stil US Metal ~


Die beiden Alben der kultigen US Metaller GRIFFIN erfahren in diesen Tagen die erste offizielle Wiederveröffentlichung in einer 3CD-Jewelbox mit Slipcase. Noch old-schooliger wird es dann erst bei den in den nächsten Monaten anvisierten Vinyl-Veröffentlichungen der beiden Scheiben, obwohl eine 3fach Jewelbox hat man in den letzten 20 Jahren auch eher selten angetroffen.

In dieser Box erwartet den Metaller nach dem Entgleiten aus dem Slipcase/Pappschuber das 1984er Debüt ´Flight Of The Griffin´ in seiner remasterten 2020er Version (Review siehe hier) sowie das Zweitwerk ´Protectors Of The Lair´ im remasterten 2020er Original-Mix sowie im 2020er Remix. Zudem enthält das dicke, 24-seitige Booklet Linernotes anhand eines Interviews mit Sänger Billy McKay, Fotos und Memorablia, aber unverzeihlicher Weise keine Lyrics der beiden Scheibchen. Etwas abstrus ist auch das umständliche Suchen in den Bildern nach dem jeweiligen Line-up der beiden Scheiben.

 

 

Protectors Of The Lair

Da das Debüt nur über Importwege in Europa vertrieben wurde, mussten sich GRIFFIN für den Nachfolger etwas anderes einfallen lassen. Sie lizenzierten ´Protectors Of The Lair´ via „Steamhammer/SPV“ in hiesige Breitengrade. Die Aufnahmen fanden derweil im selben Studio, „Beggers Banquet“, statt. Letztlich benötigten sie insgesamt vier bis sechs Wochen. Gitarrist Rick Cooper musste die Bass-Parts einspielen, da sie in jenen Tagen als Trio agierten: Rick Cooper, Schlagzeuger Rick Wagner und Sänger William „Bill“ McKay.

Ein weiteres, ein drittes Album lag im Bereich des Möglichen, zwischenzeitlich war Jay Novorolsky Bassist und Joe Ross neuer Gitarrist, und wäre wohl noch thrashiger, aber nicht mehr im selben Schreibstil von GRIFFIN ausgefallen. 1990 warf die Band das Handtuch.

Die „Ultimate Edition“ enthält ´Protectors Of The Lair´ gleich zweimal. Auf dem dritten Silberling findet sich das Album als Remaster von der Original SPV-CD durch Patrick Engel wieder. Der zweite Silberling beinhaltet einen neuen Mix durch Andreas „Neudi“ Neuderth von den originalen, restaurierten Mehrspurbändern, gemastert ebenfalls von Patrick Engel. Auch wenn der Sound des 2020er Remix womöglich etwas fülliger tönt, entspricht das Remaster auf dem dritten Silberling den gewöhnlichen und puren Klanggewohnheiten der Achtzigerjahre. Classic 80s.

 

 

Nachdem GRIFFIN 1984 mit ´Flight Of The Griffin´ die Hinterlassenschaften der NWoBHM in stählernen US Metal gegossen hatten, präsentieren sie zwei Jahre später in ´Protectors Of The Lair´ ein echtes, knallhartes Stahlgeschoss. Den Variantenreichtum des Vorgängers gleichen sie mit ihrer Schlagfertigkeit, also mit einer Geschwindigkeit und Härte aus, die ansonsten nur das Frühwerk einer Formation zu bieten hat.

Trommelwirbel: „Here lies the body of the Polish king.“ Trommelwirbel: „May we remember him not for what he did. But for what he didn’t do.“ Trommelwirbel: „And the people who stood by him. For whom he gave his life. May God bless him and may he rest in peace.“ GRIFFIN laden zum zweiten Mal ein und die epischen Gitarrenklänge sind sogleich in ´Eulogy Of Sorrow / Awakening´ präsent. Der Trommelwirbel eröffnet nochmals ´Hunger´, gefolgt von einem langgezogenen Schrei und dem Jauchzer: „Here we go again.“ Im Härtegrad bereits wie EXCITER und frühe ANVIL, gleichfalls in ´Truth To The Cross´, auftrumpfend, äußerst schnell und sich dadurch im Rhythmus fast überschlagend.

´Infinite Voyage´ zeigt die Männer im thrashenden Riff-Ansatz, ´Cursed Be The Deceiver´ will den US Metal schriller und schneller davontragen. Bill wechselt im Gesangsvortrag ebenfalls zwischen schreiend und schreiend-schrill. GRIFFIN betreten Weiten, die in den kommenden Jahren LIEGE LORD perfektionieren sollten. ´Tame The Lion´ gefällt aufgrund seines packenden Rhythmus und in seiner Ungezügeltheit, überrascht im Abgang gar mit einem Gitarrensolo. Neben AGENT STEEL dürfen auch GRIFFIN in ´Entity / Watching From The Sky´ der Frage nachgehen, ob es außerirdisches Leben gibt und dieses uns beobachtet. Ohne Gnade zieht das Trio mit ´Sanctuary´ und ´Poseidon Society´ seinen Stiefel durch.

Die Zehn-Song-Scheibe ´Protectors Of The Lair´ enthält auf dem zweiten Silberling noch sechs Live-Songs aus Zeiten des Debüts sowie auf dem dritten Silberling weitere vier Tracks vom Live-Auftritt auf dem „Keep It True Festival“ im Jahre 2011, als Bill mit der Tributband ROXXCALIBUR als Backing-Band auftrat.

´Protectors Of The Lair´ ist Old-School-US Metal in siedend heißer Form. Diese Musik ist aufrührerisch, diese Musik ist garstig und aufsässig. GRIFFIN spielen ohne Konventionen völlig frei auf. Die gern gescholtene Produktion erscheint hingegen äußerst lebendig. Allein die große kompositorische Klasse fehlt den dadurch zuweilen gleichförmig klingen Songs, um als übergroße Klassiker in die Annalen einzugehen. Die Kreativität des Vorgängers kompensiert ´Protectors Of The Lair´ mit einem spielerischen Feuer aus Härte und Schnelligkeit.

(Big 8 Points)