MeilensteineVergessene Juwelen

TOKYO BLADE – Tokyo Blade

~ 1983 (Powerstation Records) – Stil: NWoBHM ~


Wenn ich eine Liste mit meinen Favoriten des britischen Metal Anfang der 80er Jahre erstellen müsste, wäre das Debüt von TOKYO BLADE ganz oben mit dabei. Warum? Ganz einfach, hier wurde das doppelstimmige Leadgitarrenspiel durch die Herren Boulton und Wiggins, das THIN LIZZY (und andere wie WISHBONE ASH) bis zur Genialität in den 70ern entwickelt hatten, im neuen Jahrzehnt fortgesetzt. TOKYO BLADE waren natürlich nicht die einzigen, die auf zwei Leadgitarren setzten, aber mit die qualitativ Stärksten. Und wenn TOKYO BLADE ihren ersten Sänger behalten hätten und den Weg des Debüts konsequent in puncto Songwriting, Spielfreude und Härte weiterverfolgt hätten, wäre hier noch ganz Großes entstanden.

Die unter dem Namen KILLER und GENGHIS KHAN gestartete Band konnte neben den sehr starken Gitarrenduellen auf diesem Debüt vor allem mit dem genannten Songwriting durchgängig auf hohem Niveau überzeugen. Mit Alan Marsh war dazu ein Sänger am Start, der für mich mit einer originellen und kraftvollen Stimme aufwarten konnte. Nur die Produktion konnte leider das hohe Niveau nicht halten.

Mit dem Opener ´Powergame´ zeigte die Band alle wichtigen, oben genannten Merkmale ihrer Musik gleich zu Beginn. ´Break The Chains´ ist eine Blaupause für dynamische Gitarrenarbeit und satte Gitarrenduelle plus starke Melodien. ´If Heaven Is Hell´, ´Killer City´, ´Liar´ – alles Songs, die ungestüme Power verbreiten und sich durch jugendliche Aufbruchsstimmung bei gleichzeitigem, erstaunlich hohem technischen Niveau auszeichneten und zu den Perlen der „New Wave of British Heavy Metal“ gezählt werden können. Und die Texte – zwar einfach strukturiert – aber richtig angenehme Metal-Texte ohne stupide Wiederholungen des Wortes „Metal“ oder Herrn Satan oder Liebesleid („Down on your knees, praying for the day to break. No one to hear you cry, death rules the streets. Running wild, running wild….“ – ´Killer City´). Okay, Ausnahmen bestätigen die Regel, ab und zu geht’s auch nur um das Übliche (´Tonight´).

´Sunrise In Tokyo´ klingt zum Abschluss noch einmal ganz stark und man will es gar nicht wahrhaben, dass die Platte schon zu Ende ist, obwohl die Spielzeit alles andere als kurz ist. Ich kann mich an diesem aufregenden Debüt nicht satthören und das Album ist eines der Alben, die über Jahrzehnte immer wieder bei mir regelmäßig zum Einsatz kommen.

Neben zwei weiteren hervorragenden EPs (´Midnight Rendezvous´, ´Madame Guillotine´) konnte auch der noch sehr ordentliche Nachfolger ´Night Of The Blade´ überzeugen. Allerdings litt ´Night Of The Blade´ schon unter dem etwas schwächeren Gesang (subjektiv) von „Hampelmann“ Vicki James Wright (siehe Video) und dem deutlich weniger konsistenten Songwriting. Mit dem dritten Longplayer ´Black Hearts & Jaded Spades´ gelang es TOKYO BLADE dann eindrucksvoll, den Karren praktisch an die Wand zu fahren. Heute bin ich etwas gnädiger mit dem Album, aber es war eine große Enttäuschung, von der sich die Band trotz einiger späterer ordentlicher Veröffentlichungen nie mehr richtig erholt hat.

Schade. Mit dem Debüt bleibt aber ein eindrucksvolles NWoBHM-Juwel für alle Zeit bestehen. Danke dafür! Mit ´Knights Of The Blade´ gibt es übrigens ein starkes CD-Boxset der ersten drei Alben und der Singles und EPs (allerdings gerade im Preis stark ansteigend).