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WHITE BOY AND THE AVERAGE RAT BAND – Love My Ride

~ 2019 (Heaven And Hell Records) – Stil: Heavy Rock ~


Der Titelsong eröffnet das zweite offizielle Album der Gruppe WHITE BOY AND THE AVERAGE RAT BAND. Dazu muss ich erstmal ausholen. Auf die US Heavyrocker bin ich 1998 gestossen, als ein Freund von mir in seinem aus kopierten und zusammengetackerten Blättern bestehenden Kultfanzine ein Review verfasste, das mein Interesse weckte. 2007 oder 2008 konnte ich mir auf einer Website das Album runterladen und es gefiel. 2015 bekam ich eine LP in die Hand, nicht ganz offiziell wiederveröffentlicht. Inzwischen haben sich „Heaven And Hell Records“ dieser LP angenommen und sie offiziell mit Bonusmaterial und informativen Beilagen für ein junges und weltweites Publikum zugänglich gemacht.

Dieses 1980er Album war noch ein sehr raues, wildes Stück Heavy Metal Rock mit Bezug zu alten britischen und amerikanischen Bands, treibend, mit blitzenden und qualmenden Gitarrenläufen, rohem Gesang und kultiger Atmosphäre, so schön obskur und dabei immer hörbar von den Helden beeinflusst. MOTÖRHEAD, RIOT, TRIUMPH, UFO, JUDAS PRIEST, ganz eindeutig. Dennoch, die Band hatte einen eigenen Charakter.

2019 gibt es jetzt den Nachschlag und da wären wir bei ´Love My Ride´. Ich habe bei solchen One Off Bands aus den frühen 80ern immer Angst vor den Comebackalben und ja, ´Love My Ride´ ist anders als die selbstbetitelte Debütscheibe 39 Jahre zuvor, aber nicht zu anders. ´Love My Ride´ ist ein treibender Hardrocksong, rau und erdig produziert, mehr im klassischen Rock und Hardrock angesiedelt, als dass hier die Metalkeule geschwungen würde. Nun, Mike Matney, Sänger und Leadgitarrist, sowie Bandleader ist inzwischen auch jenseits der 60. Etwas entspannter kann man da rangehen. Obgleich die Entspanntheit der schieren Kraft nicht abträglich ist. Der Gesang ist cooler, die Atmosphäre des Songs ist recht rockig, die Melodien bodenständig. Aber die feurige Leadgitarre sorgt für eine brodelnde Stimmung, die Riffs sind kultig, irgendwie vertraut und doch auf ewig frisch und jugendlich. Der Song hat einen kumpelhaften Ausdruck, die Band entsprechend ihre Seele von 1980 behalten. Die coolen Boys von nebenan rocken ihre eigenen, sehr eindringlichen und dezent kauzigen Stücke im Proberaum oder in lokalen Pubs für ein williges Publikum. Top Stück.

´Mirage´ stampft mittelschnell mit einem leichten Boogieeinschlag aus den Boxen und wieder sind es die tollen, blitzenden Leadgitarren, die aus einem guten Classic Rock Song zwischen Nugent (GOTT!!) und ZZ TOP eine kleine Hymne machen. Der Sound ist nach wie vor lebendig und roh, als wäre man im Proberaum live dabei. Die Stimme von Mike Matney (sofern er denn singt) ist hier bluesig tief, ein wenig lasziv, aber auch grantig dabei. Wie man sich einen alten Rocker halt vorstellt. Der Song an sich ist feinster, erdiger Bar Rock, Biker Rock, aber heavier und schmutziger dabei.

Wilder, flippiger erscheint ´You Gotta Pray´, ein Stück mit dem Ausdruck der späten 60er und frühen 70er, verspielt, wild, leidenschaftlich und energetisch. Ich kann nicht genau sagen, an wen es mich erinnert. Auch dieses Album ist wie sein 1980er Vorgänger deutlich von den Vorbildern geprägt und dabei immer noch sehr eigenständig. In den frühen 70ern gab es einige dieser wilden, treibenden Rocksongs. Könnten CREAM, HENDRIX, könnten viele Bands sein von damals. Sind aber WHITE BOY AND THE AVERAGE RAT BAND von 2019.

Eigentlich sollten die aktuellen Retroclassicrocker mit Hang zu KADAVAR und GRAVEYARD hier vollkommen ausflippen. Und ´Light ´em Up´ tut sein übriges dazu. Bluesig von der Stimmung, dreckig und lasziv, mit kantig harten, kräftigen Riffs, sehr groovy und durchdringend rockt sich die Band hier wieder in einen Rauschzustand. 70er Heavyrock, pur und schlicht. Die Riffs bei ´Light ´em Up´ packen Dich einfach sofort und wirbeln Dich im wilden Tanz herum.

´Cold Spring Hills´, fängt mit Grillenzirpen an, dann jault die Gitarre kurze Blueslicks und treibt das Stück recht locker aber bestimmt los. Auch hier wieder Südstaatenhardrockatmosphäre, auch hier wieder echt brodelnde Leadgitarren, die die Stimmung zum Überkochen bringen und Deine Sinne betören. Wieder auch ein rauer Livesound und dieser brüderliche Ausdruck. Diese Band hier besteht aus Kumpels, Freunden, Menschen auf Augenhöhe mit Dir, die Dich mit geilem Sound füttern und Dich in schiere Trance versetzen können. Gerade die ausgeprägten Leadgitarrenduelle bei ´Cold Spring Hills´ sind schon nahe am Irrsinn.

Und dann rockt ´Taking Me Down´ mit einer weiteren Schippe klassischer Großartigkeit drauflos, hat eine melancholische Stimmung, gepaart mit geheimnisvoller Atmosphäre in der Strophe und einen simplen, aber mitreißenden Refrain. Die Strophe ist eher schleppend, der Refrain treibt. Einfache Methode, aber absolut wirksam.

´Shadow Child´ groovt und rockt, als wäre der Teufel hinter der Band her. Hardrock mit Southern Boogie, feurigem und funkigem Schwung und beinahe infernalisch intensiven Leadgitarren, so gefällt es mir. Man hat es alles schon vor 30, 40 oder 50 Jahren irgendwie mal gehört. Die Band erzählt einem eine alte Geschichte aus neuer Perspektive. Aber das ist cool.

´Thousand Hell Marys´ schleppt sich heavy aus den Boxen, Matney wirkt gesanglich so kauzig wie selten zuvor auf dem Album. Die Wucht des Stücks zermalmt Dich förmlich, auch wenn es kein Doom oder Stonerkram ist. Ein wenig verspielt und flippig wird es in der Mitte. Die Jungs zeigen hier ihr Talent, auch kompliziertere Passagen zu spielen und diese auch noch in einen recht straighten Song einzubauen und trotzdem noch den Fluss zu behalten.

Ich glaube, dass reine Truemetaller, denen das kultige Debüt noch gefallen hat, hier wegen der klassischen 70s Rock, Blues und Southern Elemente weniger Spaß haben dürften. Aber wer vor 45 Jahren auf ZZ TOP, AEROSMITH, LED ZEPPELIN, MOUNTAIN und solche Helden abgefahren ist und das Ganze in einer räudigen Hinterhofvariante zu schätzen weiß, wird komplett durchdrehen.

´Son Of A Ram´ ist einer dieser Songs, die rotzen, während sie Dich zu Tode grooven und Dir entfesselte Riffs, Leads und Soli um die Ohren peitschen. Kick Ass Hardrock mit losgelassenen Leadgitarristen regiert seit 1970 und ist 50 Jahre danach immer noch ein Vergnügen. 1989 in der Sleazerockwelle wäre die Band hiermit groß geworden, 2019 als Teil der Retrorocker kann sie nur gewinnen.

´Whiskey An Angels´ erinnert dann tatsächlich an den bluesigen Sleazehardrock von 1989 / 1990 und könnte locker auf der ersten LOVE / HATE eine gute Figur machen. Immer noch lässt sich das Undergroundfeeling nicht abschütteln. Mit fetter Majorproduktion wäre der Song hier vor 30 Jahren ein Hit geworden. Bluesig, aber ausdrucksvoller, nicht so standardisiert im Boogiegefühl. Eine schmutzige, freche kleine Hymne an das wahre Leben eines Rockers. Mopeds, Schnaps und Mädels, yessir.

WHITE BOY AND THE AVERAGE RAT BAND haben in der Tat eine „sexy“ Atmosphäre in ihren Songs, in ihnen kocht das Blut förmlich, die Luft vibriert vor Spannung.

´Homemade Satellite´ schließt sich an und auch hier ist es mehr 80s Hardrock mit Westküstenausdruck, der druckvoll und dabei total entspannt durch Deine Bude donnert. Und war ich am Anfang der CD noch nicht sicher, so bin ich es jetzt. Und ich bin verliebt, total verliebt. Mike Matney ist eine geile Sau vor dem Herrn, denn dieses Album gehört zu meinen Favoriten 2019, zusammen mit der gigantischen zweiten SKUNK.

Einer noch, dann ist die CD leider vorüber. Ein komischer Maschinenbeat unter treibendem Heavyriff mit BUDGIE-Feeling, wuchtige Grooves, das ist komisch. Mal wird das Schlagzeug richtig gespielt, mal ist es ein Computer, aber irgendwie schockt die Nummer, weil das lebendige Element auch weiterhin die Oberhand behält. Kultig wird es vom Riffing her tatsächlich nochmal und die Mischung aus 70er Hardrock und Spät 70er Protometal macht was her. Dezent kranker Ausstand, aber er macht Freude und das sollte eine Platte tun.

Wer auf klassischen 70er Hardrock mit US Southernrock-  und Boogiefeeling kann, gerne auch 80er Sleazerock (kein Glam) hört, aber nicht unbedingt eine Majorproduktion braucht, sondern gerne Musik hört, die absolut echt und ehrlich ist, sollte sich unbedingt ´Love My Ride´ von WHITE BOY AND THE AVERAGE RAT BAND bei einschlägigen Händlern (Underground Power, Yeah Records, Battle Cry, High Roller, etc) besorgen.

(9 Punkte)