PlattenkritikenPressfrisch

TOUCHED – Death Row

~ 1986/2023  (Cult Metal Classics) – Stil: Heavy Metal/ Hardrock ~


Ich hab mir 2023 unglaublich viele Platten und CDs gekauft und es wird nicht weniger. Aber wenn neben enorm vielen grandiosen Neuerscheinungen, ich warte grad auf den 20.10.2023 und damit auf die neue CIRITH UNGOL-Platte, noch ein Label wie „Cult Metal Classics“ ohne Ende raushaut, dann dreh ich halt frei.

Gesagt, getan. Die schon Post NWoBHM-Recken TOUCHED auf „Ebony Records“ sind in den 80ern wie alle Releases dort außer GRIM REAPER aufgrund vieler vermeintlicher Makel direkt in die Mülltonne der Musikgeschichte (SESAMSTRASSEN Oscar’s Vinylzimmer) gewandert.

Warum? Gnadenlos unterproduziert, rumpelig und rau bollern die Briten hier auf ihrem zweiten Album selbst bei den rockenderen Songs aus den Boxen. Stilistisch liegt man 1986 schon drei Jahre hinter dem damals rasanten Entwicklungssprung im Rock’n’Roll. Die Songs sind sicher irgendwo generisch. Die Melodien bodenständig und neben den weiteren Labelveröffentlichungen bei „Ebony“ gibt es aus aller Welt genug solcher Kapellen.

Jetzt muss man natürlich einmal genauer hinlauschen. Warum sollten Manos und seine Leute Platten aus den 80ern wiederveröffentlichen, die vielleicht nicht kacke, aber dumpf langweilig sind und eigentlich nix können? Entgegen der Lügenpresse – man verzeihe mir den Diebstahl und Einsatz dieses Unworts, aber ich bin eben ein Rebell – kann die Band was.

Immerhin haben sich hier Recken der Bands ARAGORN (´Black Ice / Noonday´ 7″ auf „Neat“) und DRAGSTER zusammengetan. Und die liefern ab. ´Death Row´ ist eine herrliche, erdige Scheibe mit NWoBHM-Spirit und Seele. Auch wenn 1986 die Zeichen auf Thrash standen, die flotten bis rockigen Heavy Metal-Nummern hier besaßen eine nicht unerhebliche Coolness, dazu eruptive Soli zum Niederknien. Und wenn die Refrains auch mal etwas bodenständig und generell kaum überbordend waren, sie hatten diesen liebenswerten NWoBHM-Charme und teilweise, wie beim mittelschnellen Heavy Rocker ´Night Attacker´ sogar leichtes Ohrwurmpotential.

Dann muss man nur auf das Spiel der vier Typen aus dem englischen Arbeitermillieu achten. Wenn die Instrumentalisten nicht versiert sind, dann will ich nicht mehr der SIR LORD DOOM sein. Und Sänger Ronnie Wolstenholme hat zwar eine raue Stimme, aber klingt frisch und charaktervoll, sehr leidenschaftlich und auch bei melodischeren Songs wie dem zwischen balladesken Elementen und Heavy Rock-Hymne pendelnden ´When I Call Your Name´ trifft er den Puls des Songs und alle Töne einwandfrei.

Der Sound ist natürlich gerade für aktuelle Verhältnisse gewagt, aber so funktioniert Heavy Metal für mein Gefühl am besten. Man hört ja noch, wer was spielt. Und die Jungs mussten spielen und sie mussten sich Gedanken über die Gestaltung der Songs machen. Die konnten sich nicht hinter einem alles plättenden Digitalsound verstecken. Beide Aspekte eines guten Songs sind hier auf allen Nummern vertreten.

Ja, meine Güte, wie SAMURAI, DEALER, BLADE RUNNER und viele andere Bands damals, waren TOUCHED „nur“ eine regionale Heavy Kapelle. Immerhin mit zwei Alben. Und sie wichen auch nicht vom Pfad der Reinheit ab. Kein Thrash, kein Glam, sondern purer Heavy Metal, der aus den Boxen dampft und das Metallerherz in Schwung hält.

Da geht sogar das in einem schlendernden, aber energiereicher getrommelten Blues-Shuffle umhertänzelnde ´Night Of The Halloween´ direkt ins Blut. Mensch, ist das geil. Und echt und ehrlich und liebenswert. Ich freue mich sehr über die Wiederveröffentlichung, da ich die Originale selbst zu Tiefstpreiszeiten in den 90ern dank eher mittelmäßig klingender Kritiken in Sammlerenzyklopädien zur NWoBHM verschmähte und danach aus dem Sinn verlor.

Mein Facebook-Buddy Todd Severin, Inhaber des US Labels „Ripple Music“ (Doom, Heavypsyche, Stoner Rock), hat die Band dann in einem Gruppenpost erwähnt und mich mit seiner Beschreibung neugierig gemacht. Und siehe da, „Cult Metal Classics“ haben es schon wieder getan. Mit Beiblatt, auf dem die Bandkarriere erläutert wird. Mit drei Bonustracks vom 1987er Demo.

Ich spreche hier jetzt erstmal für die 86er ´Death Row´ LP. Und wenn ich in den 90ern im Kultbuch für NWoBHM Sammler was von einem „gelangweilten Hörer“ las, der den Titelsong des 84er ´Back Alley Vices´ Debüts erst auf dem Zweitwerk serviert bekam (wie 1982 bei FIST mit ´Turn The Hell On´, dem Debüt-Titelstück, welches erst auf der ´Back With A Vengeance´-LP zu finden ist) und von Mittelmaß, dazu einem Hinterherhinken, dann kratze ich mich bald 30 Jahre später am Kopf und wundere mich erfreut über diese tolle Platte.

Vom Feeling ist das hier Lokalpub bzw. Regionalfestival, klar. Aber es sind so unglaublich viele große Momente dabei. Mir kommt es sogar so vor, als wären bei den Jungs oft die unbekannten Flugobjekte gelandet und hätten ihnen die Lichter ausgeknipst. Nur eben zehn Jahre frischer. Das hier mit dem Sound von IRON MAIDEN-Platten und die Band hätte sogar was reißen können. Oder 1976 statt 1986. Aber es ist halt dieses „hätte“.

Hat sie halt nicht, aber sie lässt sich sogar mit den noch ruppiger klingenden 87er Demosongs genießen. 80er Fanatiker, „Ebony Records“-Liebhaber und Heavy Metal-Undergroundler schlagen hier zu. Noch was zu den 87er Songs. Die aus ihnen entspringende dritte LP wäre, sofern Realität geworden, eine absolute Killerscheibe gewesen, die sich UFO mit Schenker auf ihren besten Alben als ebenbürtig erwiesen hätte…“hätte“…