PlattenkritikenPressfrisch

CHAT PILE – God`s Country

~ 2022 (The Flenser) – Stil: Noise Rock/Sludge/Industrial Metal/Experimental ~


Wenn man den faszinierenden Aufstieg von CHAT PILE aus Oklahoma City verfolgt hat, sollte einem gewiss sein, dass es aktuell in der Underground-Musikszene kaum etwas gibt, das ihnen auch nur annähernd das Wasser reichen kann. Ihre zwei beeindruckenden, selbstveröffentlichten EPs (´This Dungeon Earth´ und ´Remove Your Skin Please´, beide von 2019) waren bereits ein wilder, atemberaubender Ritt und eine bizarre, dennoch seltsam logische Fusion aus 80er-Jahre „Touch & Go“-Noise-Rock, hartem Sludge und schrägem Industrial Metal – eine gerechte Wut an Riffs, die wie Vorschlaghämmer gegen den Schädel trommeln!

Während es berechtigt ist, Namen wie die legendären THE JESUS LIZARD oder moderne Größen wie KOWLOON WALLED CITY zu nennen, wenn man den Sound der vier US-Amerikaner zu beschreiben versucht, so kommen einem jedoch auch immer wieder PRONG, MINISTRY oder HELMET in den Sinn, Bands, denen es in den frühen 90ern gelang die Zeit zwischen Post Hardcore, Noise Rock und aufkeimendem Nu Metal gekonnt zu überbrücken.

 

 

Aufbauend auf ihren früheren Werken ist ´God’s Country´ jedenfalls eine absolute Monstrosität von einer Sache, eine Reihe von Schnappschüssen aus den dunkelsten Ecken der Shitshow, die die amerikanische Psyche des 21. Jahrhunderts ausmacht, und die detailliert zeigen, wie Trauer und Paranoia sich in Rache, Gewalt und Selbsthass verwandeln können. Sänger Raygun Busch steht dabei eindeutig im Mittelpunkt des Ganzen und wirkt wie ein Bastard von „American Psycho“ Patrick Bateman, er schimpft, stöhnt und schreit sich seinen Weg durch eine Reihe entsetzlicher Ego-Vignetten, die seine Charaktere bewohnen.

Alle Bits, die man von den beiden EPs bereits gekannt und geliebt hat, sind nach wie vor vorhanden: die stampfenden, griesgrämigen Grooves, die seekranke Gitarrendissonanz und das aufwühlende Riffing, aber auch immer wieder unerwartet schöne Momente mit verzerrten THE CURE-Gitarren, wie etwa bei ´Pamela´, oder gar einem Hauch von College-Rock der späten 80er bei ´Anywhere´. Am anderen Ende der Skala, liefert ´The Mask´ sogar heftige Blastbeats unter dem ansonsten knorrigen Riffing.

Das Aufregendste an ´God’s Country´ ist nicht nur der Flow und die Kraft in ihrem voluminösen Sound, sondern gleichzeitig auch die Konsolidierung von Elementen, die auf ihren EPs bereits bestens funktioniert hatten, wobei CHAT PILE auch eindeutig in neue Territorien vorgeprescht sind. Es gelingt ihnen hierbei mit Bravour, gleich einige neue musikalische Konzepte zu integrieren, ob nun Avantgarde oder auch Mainstream, ohne dabei allerdings die Power von beidem zu opfern. Das beste „Amphetamine Reptile“-Album, das dort nie veröffentlicht wurde!

(9 Punkte)

https://www.facebook.com/chatpileband