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SATANINCHEN – Yeah Evil

~ 2022 (theARTer.de) – Stil: Panda Metal ~


Ja, ich fand das Projekt irgendwie sympathisch. Darum auch habe ich meinen Teil beigetragen, das Album via Crowdfunding zu finanzieren. Ich finde SATANINCHEN immer noch originell, lustig und simpatico. Sogar unter der Prämisse, dass ich da musikalisch nicht ganz dahinter stehe. Das war mir im Vorfeld klar. Und darum bereue ich nicht, möglich gemacht zu haben, dass jetzt alle die Panda Metal Party erleben könnten. Wenn sie wollten.

Humor und Metal, das darf zusammengehören. Es gab Zeiten, da gingen mir J.B.O. rein, leider haben die sich nie aus der pubertären Phase gelöst. Und NANOWAR OF STEEL sind die Götter der metallischen Parodie. Mit dem Berliner Künstler SATANINCHEN, der auf seine Anonymität recht viel Wert legt, gibt es jetzt einen neuen Versuch, uns zum Grinsen zu bringen. Und zu großen Zügen, auf seinem zweiten Album ´Yeah Evil´ gelingt das doch ganz ordentlich. 

Schon das Debüt ´Panda Metal Party´ von 2017 schlug in diese Kerbe. Musikalisch ein Gebräu aus Gothic, Black und Symphonic Metal war die Grundlage für recht irrsinnige Coversongs von BONEY M bis MARIANNE ROSENBERG. Damals waren dazwischen zwei eigene Songs versteckt. Das Ganze war so gut, dass es gelang, für die Version von ´Mädchen´ die Originalsängerin Lucie van Org zu gewinnen.

2022 geht die Party weiter. Als erstes darf allerdings Walther Ulbricht in der berühmten Rede von 1965 darlegen, wie er zu SATANINCHEN steht. Dann aber startet die irrwitzige Reise durch den Geist und die Musik eines SATANINCHENS. Mit ´Panda Metal´ bringt er die Hymne eines schwarz-weißen Regenbogens. Er sieht sich „under the sign of evil“ ist aber doch nicht so böse, wie er sich gibt. Ein erstes Cover folgt, ´Ti Amo´, man kennt es hierzulande in der Version von HOWARD CARPENDALE. Und ein erstes Mal fällt auf, wie gut der Text in Wirklichkeit ist. Musikalisch habe ich der Mischung nichts, gar nichts auszusetzen. Der oben schon beschriebene Mix funktioniert tatsächlich (meist) auch bei alten Schlagern. Nur den Gesang empfinde ich als recht eindimensional. Das gutturale Grunzen klingt zwar schon böse, auf Dauer aber manchmal auch nervig. Da wünschte ich mir auch mal den Einsatz „echten Gesangs“ durch den Meister, nicht nur seltene Gastsänger und, zugegeben, fette, gelungene Chöre. 

SATANINCHEN ist Allrounder. Er singt, komponiert, schreibt Texte. Nebenher malt er auch und führt eine kleine Galerie in Berlin. Ganz ohne Unterstützung funktioniert das aber nicht. Sein musikalischer Nebenmann ist Multiinstrumentalist Sascha Blach (THE HALO TREES, EDEN WEINT IM GRAB). Dazu kommt Unterstützung etwa durch Jan Lubitzki (Ex-DEPRESSIVE AGE) oder Ally The Fiddle (SUBWAY TO SALLY). Kein Wunder also, dass das Ergebnis stimmig ist. 

´Das Große Leiden´ zum Beispiel, das auf das größte Drama der Menschheitsgeschichte hinweist: „Es ist zum Hühnerrupfen, ich habe Männerschnupfen„. Dabei ernst zu bleiben, ist schon eine Kunst. HEINTJEs ´Mama´ erweist sich als Rohrkrepierer, dafür kommt ´Manchmal Möchte Ich Schon Mit Dir´ sehr wirkungsvoll. Aus dem dadaistischen-sparsamen ´Da Da Da´ wird durch die opulente Instrumentierung ein zweiter Fehltritt. Solche waren aber wohl durch den Künstler einkalkuliert.

 

 

Zwei Lieder über Katzen, diese Liebe kann ich nachvollziehen, beweisen anarchistischen Humor. „Möchte das Salz von deine Haut lecken, meine Nase unter deine Achsel stecken“ dreht sich eben nicht um seltsame Paarungsrituale, es geht um ´Felis Cattus (Die Gemeine Hauskatze´.  „Hund und Mensch an der Leine, fragen sich: ist das meine oder seine?“ vergleicht das Leben jener in ´Gott Muss Eine Katze Sein´ mit dem Dasein ihrer Mitbewohner. 

Vermutlich ist SATANINCHEN im Osten Berlins groß geworden. Warum sonst hätte er ´Jugendliebe´ einen Klassiker des Ost-Schlagers covern sollen? Auch ´Freu Dich Bloss Nicht Zu Früh´ beweist, dass Schlager in früheren Zeiten auch Tiefgang haben durften. Dafür vermisse ich diesen in den Fäkalnummern ´Krisensitzung´ und ´Stehaufmännchen-Steh Auf, Männchen´. Da wird es schon ein wenig eklig. Nicht jeder Schuss ist ein Treffer, um mal in der Sprache zu bleiben. Dafür macht ´Tränen Lügen Nicht´ ein Treffer. Und zum Ende wird SATANINCHEN, der sich diesen Namen gab, nachdem er oft aufgrund seiner Optik gefragt wurde, ob er Satanist sei, richtig ernsthaft. Der einzige Track, in dem er seine echte, unvergrunzte Stimme zeigt, ´Abschied´, geht um Abschied. Wenn ein nahestehender Mensch aus dem Leben gerissen wird, wenn er uns hier allein lässt, muss man damit umgehen. Das ist schwer, SATANINCHEN hat es in einem gelungenen Lied verarbeitet, dass zwar nicht auf einer Party, dafür aber gern einmal in einer Trauerfeier gespielt werden darf.

Ich finde ´Yeah Evil´ sympathisch, lustig, unterstützenswert, seltsam, zweischneidig, unterhaltsam und ausgefallen. Die letzte Worte gehören aber dem Meister selbst: „Die Leute, die an Black Metal die Provokation als Novum und herausragende Besonderheit schätzen, sich aber von SATANINCHEN provoziert fühlen, haben ein ideologisches Problem.“

Stimmt.

(7,77 Punkte)

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