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PILI COÏT – Love Everywhere

~ 2021 (Dur et Doux) – Stil: Alternative/Experimental ~


Musik muss vom Herzen kommen. Am besten ganz tief aus Herz und Seele. Allein, Herz und Seele zu erreichen, ist nicht gar so einfach. Bata Illic kannte jedoch bereits 1976 einen einfachen Weg, zum Herzen seiner Liebsten zu gelangen. Mit „Ich möcht‘ der Knopf an deiner Bluse sein, dann könnt ich nah, nah, nah, nah, nah bei deinem Herzen sein!“ sang er sich in die bundesdeutschen Hitparaden. Noch schneller, zumindest nah am Herzen, kann jemand allerdings sein, der sich kurzerhand direkt vor der Dame auf dem Cover-Artwork von ´Love Everywhere´ positioniert. Denn diese brüstet sich regelrecht, Liebe herzuschenken, oder begrüßt schlichtweg nur einen neuen Tag.

 

 

Vier Jahre nach ´Pink Noïse´ legen Jessica Martin Maresco und Guilhem Meier unter ihrem Projektnamen PILI COÏT ein weiteres Studioalbum vor. Benannt nach einem Lied namens „Billy Goat“, nur lustiger und schärfer mit elsässischem Akzent ausgesprochen, existieren PILI COÏT bereits seit 2014.

Jessica Martin Maresco und Guilhem Meier kennt der „Dur et Doux“-Hörer von ICSIS, NI und GRAND SBAM, zudem singt sie Elektro Pop in MERCURIAL, Math-Punk in SADDAM WEBCAM und Jazz in LITTLE COQUETTE. Guilhem Meier spielt außerdem bei den „Dur et Doux“-Bands POIL und PINIOL sowie Ethio-Crunch in UKANDANZ.

 

 

Das Rezept von PILI COÏT gehorcht einem Minimalismus an Instrumenten. Ein Stand-Tom, eine Ölkanne und Synthesizer-Drums reichen Jessica aus, eine Gitarre spielt Guilhem, und dann kommt ein opulenter Stimmenreichtum obendrauf. Es wird gleichzeitig und abwechselnd gesungen. Die Musik brandet dazu immer wieder auf. ´Rain Napalm´ groovt sich in diesen Minimalismus ein. PORTISHEAD und RADIOHEAD schimmern in ´Conveyor Belt´ durch das Bild. Explosiv trommeln sich PILI COÏT immer wieder in Szene.

Beschwingt leicht kommt ´Make My Papillae Blushing´ daher. Ein klitzekleiner Hauch, wie ihn einst das angebliche Geschwisterpaar THE WHITE STRIPES versprühten, ist bisweilen auch im drogengeschwängerten Raum zu vernehmen. Dagegen setzt sich in ´Disowner´ die Stimme von Jessica besonders ausdrucksstark und klar ins Bild, während sich das minimale Instrumentarium zwischen Kellerausstattung und Wolkenensemble präsentiert.

 

 

Schreien will dabei keiner der Beiden, eher säuselnd und sprechend ist die Ausdrucksform eines ´I Can’t Scream´. Abgefahren erscheint dem Normalhörer dagegen die wunderbare Ausdrucksweise eines ´Taïra No Tomo Momoriga´, das die Musik von PILI COÏT schon großartig in Zeuhl’sche und experimentelle Sphären lockt. Im siebenminütigen ´Endless Make Love Everywhere´ zeigt sich nochmals die ganze Schönheit des pfiffigen Gesangsteams Jessica Martin Maresco und Guilhem Meier im Verbund mit der extravaganten Instrumentierung.

PILI COÏT, an mein Herz.

(8,25 Punkte)

 

https://www.facebook.com/pilicoit

https://pilicoit.bandcamp.com/album/love-everywhere


Pics: Judith Saurel