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PEARL JAM – Dark Matter

~ 2024 (Republic/Universal) – Stil: Alternative Rock/Hardrock ~


Es ist fast schon unmöglich, sich einem neuen PEARL JAM-Album zu nähern, ohne dabei an die Entwicklung der gesamten Szene zu denken, aus der sie hervorgegangen sind. Zahlreiche namhafte Bands haben sich mittlerweile aufgelöst, meist im direkten Zusammenhang mit Todesfällen, wie natürlich in den Fällen von NIRVANA oder SOUNDGARDEN. Seit ihrer letzten Veröffentlichung ´Gigaton´ von 2020 ist nun auch noch Mark Lanegan von uns gegangen, was Eddie Vedder beinahe schon zu so etwas wie dem letzten der großen männlichen Grunge-Sänger macht.

Zum Zeitpunkt ihrer letztes Werks befand sich die Welt wegen COVID-19 gerade im Lockdown-Modus, und das sowohl harte wie konfrontative Album ließ fast schon ahnen, dass etwas im Gange war, mehr noch als die politischen Spaltungen und allgemeinen Unsicherheiten, die damals vorherrschten.

 

 

´Dark Matter´ kommt ´Gigaton´ musikalisch und thematisch sehr nahe und ist sogar um noch einiges feuriger, theatralischer und dramatischer und weckt immer wieder Erinnerungen an die qualitative Hochphase des epochalen Triptychons ihrer Anfangstage mit ´Ten´, ´Vs.´ und ´Vitalogy´, ein ideales Nachbild der Jahre also, als die Band dabei half, den Alternative Rock der 90er zu definieren.

Der Opener ´Scared Of Fear´ bietet dann auch sofort verschwommene Gitarren und eine Arena-Melodie, die direkt aus ihrer goldenen Zeit stammen könnte, eine Art komprimierte Essenz von PEARL JAM, während das darauffolgende ´React, Respond´ mit heftigen Punk-Vibes rattert und von Roger Daltrey-ähnlichen Schreien Vedders getragen wird – zweifellos zwei der herausragendsten Rocksongs, die ich in den letzten Jahren gehört habe!

´Something Special´ und das ebenfalls eingängige ´Wreckage´ wirken dann wie eine geschmackvolle, sanfte und klassische Rockmischung und zeigen die zarteren Stränge des Albums, wohingegen der Titelsong eine Explosion aus hämmernden Drums, schrillen Riffs und Vedders Wutausbrüchen aufweist.

Überhaupt ist seine Stimme, wie gewohnt, ein erstaunlich kraftvolles Instrument voller Seele, Zorn, Mitgefühl und Intelligenz, und auch das Gitarristenduo Mike McCready und Stone Gossard präsentiert sich in Bestform.

Im Umgang mit der Rockmaschinerie herrschte bei den fünf Grunge-Veteranen ja schon von jeher eine gewisse Punk-Ethik, aber PEARL JAM waren rein musikalisch nun mal vom ersten Tag an unverschämt stadiontauglich, was sicherlich auch das Geheimnis ihrer Langlebigkeit ist.

´Dark Matter´ zeichnet nun das Porträt einer Band, die sich ganz offensichtlich nach wie vor in ihrer Haut wohlfühlt, sich ihrer eigenen Stärken erneut bewusst geworden ist und einen Großteil ihrer ursprünglichen Magie wiedererlangt, indem sie ihren eigenen, charakteristischen Sound zurückerobert.

(9 Punkte)

 

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