PlattenkritikenPressfrisch

LIONS PRIDE – Breaking Out

~ 1984/2021 (Lost Realm Records) – Stil: Heavy Metal ~


Bei LIONS und PRIDE denkt der geneigte Hörer im ersten Moment womöglich an die US-amerikanische Melodic Rock-Combo PRIDE OF LIONS um Jim Peterik. Doch die Gruppe LIONS PRIDE klingt erst einmal keineswegs amerikanisch, sondern ureuropäisch, und ist natürlich auch keine Melodic Rock-Band.

Die Belgier waren eine junge Heavy Metal-Combo, der das Blut des Hardrock und der vorhergehenden Dekade noch in den Adern steckte. Alles natürlich inmitten der Goldenen Achtzigerjahre und inmitten der glorreichen Jahre des belgischen Heavy Metal, als ACID oder KILLER und vor allem OSTROGOTH die Saiten zum Glühen und die Spandexhosen ins Schwitzen brachten.

Leider waren LIONS PRIDE sozusagen das One-Hit-Wunder, denn sie haben uns, bis auf ein viel zu spätes Live-Album, nur dieses eine Studioalbum aus dem Jahre 1984 vermacht.

Alles beginnt 1983 in Belgien, in Genk. Der 16-jährige Gitarrist Benito Boccasile spielt mit Bassist Johan Westhoven bei WESTFALEN, hat aber auch mit diesem und Schlagzeuger Pino Morciano zum Spaß eine weitere Formation. Als er Sänger Willy Beckers kennenlernt, der bei ihm Gitarrenunterricht nehmen will und zuvor bei BLACK FUNERAL gesungen hat, wird aus der Hobby-Band schnell eine neue Formation, die im Hardrock-Pub „Blue Cheer“ ihr erstes Treffen abhält. Den Betreiber des Pubs, Clarence Akkermans, der auch bei WESTFALEN spielt, können sie als zweiten Gitarristen gewinnen. LIONS PRIDE sind geboren.

Am 22. Oktober eröffnen sie das erste „Shockwave Festival“, das von „Mausoleum“, ihrer künftigen Plattenfirma, und von der Konzertagentur „Easy Livin“, die Willy Beckers mit Gilliam Janssen betreibt, organisiert ist. Im Nachgang werden sie im „Aardschok“-Magazin abgefeiert und Willy gar mit Ronnie James Dio verglichen. Noch im Backstage-Bereich unterschreiben sie bei „Mausoleum“.

Im April und Mai 1984 nehmen sie ´Breaking Out´ in den „ICP Studios“ in Brüssel auf. Die Release-Party findet am 21. September 1984 in Maasmechelen statt. Doch bereits im November verlässt Pino Morciano aus persönlichen Gründen die Gruppe und wird durch den Niederländer Howard Heckers ersetzt. Im Dezember 1984 geht Clarence Akkermans aufgrund der üblichen musikalischen Differenzen und gründet X-ES. Noud Smeets von MORGAN LE FAY ersetzt ihn. Da jedoch zwischen Benito und Noud keine Chemie entsteht, verlässt er wieder die Gruppe. Benito will Eddie Van Halen und Malmsteen nacheifern und Willy einen Double-Bass-Drummer. 1987 gibt Willy Beckers auf. Benito Boccasile, Johan Westhoven und Neu-Schlagzeuger Leon Ulrichts von BLACK WIDOW formieren sich in der Folge unter dem Namen STINGRAY.

LIONS PRIDE sind erst einmal Geschichte. Sie leben allerdings bis heute nicht nur im Gedächtnis ihrer Anhänger weiter. 2012 gibt es einen Auftritt beim „Metal Legacy Festival“ in Genk und 2021 eine Single vom verbliebenen Kern der Gruppe, von Gitarrist Benito Boccasile, Sänger Willy Beckers und Schlagzeuger Pino Morciano.

Dass sich bis heute ein kleiner Kult um LIONS PRIDE gebildet hat, liegt an dem Songmaterial von ´Breaking Out´. Im Galopp nehmen die Belgier den Kuttenträger, der sich vergeblich in seine alte Spandexhose müht, mit dem Opener ´The Nighthunter´ gefangen. Ein kraftvoller Sänger mit eigener Identität sowie ein verspielt auftrumpfender Gitarrist gehören zu den Vorzügen von LIONS PRIDE. In ´Working Class´ oder im balladesken, traurigen ´A Real Friend´ kommt die angeraute Stimme, die natürlich zu jeder Classic-Hardrock-Combo der Siebzigerjahre gepasst hätte, voll zur Vergeltung.

Aber selbstverständlich sind LIONS PRIDE eine klassische Achtzigerjahre Metal-Combo, die auch in ´The Eyes Of A Lion´ ihre Herkunft nicht verbergen will und aus der Geschwindigkeitsnivellierung mit ´Breaking Out´ wortgetreu ausbricht. Während sich das eindringliche ´Sixty-Nine´ noch Ying-Yang-mäßig, die Sechs auf die Neun, der Libido hingibt, packen die Gitarrensaiten in ´Struggle For Live´ die Eddie Van Halen-Zitate aus. Den regulären Abschluss bildet ´Let The Music Rule The World´, ehe die heutigen Bonusstücke, die Live-Versionen von ´Lions Pride´ und ´Free Rider´, die klassische Zugabe darstellen.

Auch wenn dereinst in den Achtzigerjahren der junge Kuttenträger bei all dem Überangebot an klassischem Heavy Metal LIONS PRIDE nur als gut empfunden hat, schallt die Energie der Musik, die Gitarre und der Gesang beinahe vierzig Jahre später immer noch im goldenen Spirit verdammt mächtig aus den Lautsprechern, so dass der mittlerweile alt gewordene Kuttenträger diese heute mit seiner Vintage-Begeisterung erstklassig abfeiert. Unter Umständen setzt bei LIONS PRIDE dieselbe Zielgruppe, die auch heutzutage TRANCE, OSTROGOTH und PICTURE hört, die Nadel auf die Langspielplatte.

´Breaking Out´ erscheint aktuell via „Lost Realm Records“ in neuer Frische als Deluxe-Re-Edition auf CD (+DVD) und Vinyl-LP.

https://facebook.com/lionspridebelgium/