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TIBET – Tibet

~ 1979/2021 (Sireena Records) – Stil: Prog Rock ~


Anfang der Siebzigerjahre beschloss Jürgen „Pöngse“ Krutzsch eine eigene Formation zu gründen, nachdem er zuvor als Keyboarder und Schlagzeuger allein die noch zu besetzenden Stellen in anderen Gruppen notgedrungen auszufüllen hatte. Von der einen Gruppe, in der Pöngse gespielt hatte, THE FINE ART, und der anderen, NOSTRADAMUS, konnte er Karl-Heinz Hamann als Bassist und Dieter Kumpakischkis als Keyboarder abwerben. Sein Mitschüler Fred Teske entpuppte sich sogar als fähiger Gitarrist, nahm allerdings zweckbedingt erst einmal den Platz am Schlagzeug ein. Pöngse selbst eignete sich unterdessen die notwendigsten Kenntnisse an der Gitarre an, so dass sie ohne Sänger zumindest als Instrumentalband auftreten konnten.

Obwohl bislang keiner von ihnen auf der Hochebene des Himalaya-Gebirges war und sie auch nicht an die politische Dimension dachten, nahmen sie den Bandnamen TIBET an. Mit einer Lightshow, die sie sich bei NEKTAR abgeschaut hatten, traten sie mit ELOY, JANE, GROBSCHNITT, KRAAN und den SCORPIONS auf. Sogar Tourneen in England, mit Auftritten beim „Windsor Free Festival“ und dem „Watchfield Festival“, konnten sie absolvieren.

Deff Ballin stieg unterdessen als zweiter Keyboarder und Klaus Werthmann als Sänger ein. Das Management übernahm alsbald Jürgen Wigginghaus, später Begründer des „Metal Hammer“, von Peter Halbsgut und vermittelte TIBET einen Plattenvertrag.

Das Debüt, aufgenommen in drei Sessions zwischen Dezember 1976 und September 1978, erschien schließlich 1979 bei „Bellaphon“ und enthielt von den anfänglich genutzten fernöstlichen Melodien nicht mehr viele. Die beiden Bonussongs ´Too Lazy´ und ´Never Be The Same´ entstammen hingegen Aufnahmen aus 1978 und 1980 in leicht veränderter Besetzung. Denn bereits 1980 trennten sich die Wege von TIBET, da sich die Bandmitglieder schwerlich zwischen Beruf und Musikerkarriere entscheiden konnten. Ein Teil der Gruppe firmierte noch ein Jahr lang als New Wave-Band unter dem Namen 4U.

Eine schöne Vinyl-Version von ´Tibet´ veröffentlichten „Sireena Records“ im Jahre 2015, aktuell erscheint eine CD-Wiederveröffentlichung im feinen Digipak mit vielen Bildern und einer kurzen Bandgeschichte. Die Musik in Sphären von ELOY und SPERRMÜLL, RAMSES, MINOTAURUS, STREETMARK und WALLENSTEIN begeistert auch noch heutzutage Freunde des melodischen Siebzigerjahre Progressive Rock mit einer sinfonischen und gerne bombastischen Schlagseite. PINK FLOYD, GENESIS und CAMEL sind als internationaler Einfluss gegeben, aufgrund der Orgel gar Vergleiche mit URIAH HEEP möglich. Die teutonische Ader ist jedoch allein von der Song-Gestaltung und nicht vom Gesang her präsent, während die sinfonische bereits durch die zwei Keyboarder unabdinglich ist.

´Tibet´ ist und bleibt ein kleines Juwel aus deutschen Prog-Landen.

(8 Punkte)