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ALDA – A Distant Fire

~ 2021 (Eisenwald) – Stil: Atmosphärischer Cascadian Black Metal ~


Ich frage mich gerade, wieso ich immer am Abend der Bundestagswahl über Cascadian-Bands schreibe? Vor vier Jahren war es WITTRs herausragendes vorletztes Album ´Thrice Woven´, heute ist es die langersehnte vierte ALDA, die noch deutlich wärmer und trostspendender ist als die Wölfe es damals waren… und das liegt sicher nicht nur an ihrer Thematik.

Aus diversen Gründen erst anderthalb Jahre nach den Aufnahmen erscheinend, erinnert ´A Distant Fire´ an die mittlerweile weltweit bekannten Bilder der verheerenden, ausser Kontrolle geratenen Feuersbrünste in Kalifornien, die orange leuchtenden Himmel voller Rauch und Asche, aber auch an die vielfältigen natürlichen Erscheinungsformen dieses Elementes wie Blitzschlag oder Vulkanausbrüche (´Loo-Wit´ bezeugt einen solchen, und ist der ursprüngliche Name dessen, was irgendwann zu Unrecht in Mount St. Helens umbenannt wurde), die alle in ALDAs nordwestlicher Umgebung Lauf der Natur sind. Wachsen, verbrennen, umso gestärkter zurückkehren als ewiger, neue Kraft hervorbringender Zyklus – bis jedoch der Mensch sämtliche Grenzen der Ausbeutung überschreitet. Diesen so feinsinnigen, gleichzeitig mitfühlenden wie mit innerer Distanz hervorgebrachten Reflektionen über Feuer wohnt viel Empathie und Liebe (auch sie ein Feuer, das verzehrend wirken kann…) inne, für die Wildnis wie für das sich ewig drehende Rad von Werden und Vergehen. Die drastischen Folgen des Raubbaus an der Natur haben sich jedoch diesmal in einer zweifelnden, fast resignierten Stimmung niedergeschlagen, die trotzdem voller erhabener und gleichzeitig erhebender Momente ist.

 

 

ALDA ist eine Band, die sich aus einer Gruppe von Freunden und Gleichgesinnten über viele Jahre und ganz ohne Lineup-Wechsel entwickeln konnte, und diese auf gegenseitigem Verstehen und Vertrauen fußende Stabilität merkt man ´A Distant Fire´ auch an, es ist noch mehr als bisher eine Platte aus einem Guss, die vom Selbstbewusstsein und der Kreativität einer gemeinsam gereiften Band profitiert. Das soll keineswegs heissen, dass sie an Leidenschaft oder Härte vermissen lässt, davon hat sie vielleicht sogar mehr als zuletzt, dagegen sind weniger schwelgerische Neofolk-Elemente enthalten – mehr ´Tahoma´ als gefühlige ´Passage´ also. Knurriges Fauchen, treibende Blastbeats und Tremolos sind in natürlicher Ausgewogenheit vorhanden, wobei jedoch weiterhin der Fokus des Quartetts auf perlenden Gitarrenmelodien, liedhaft-repetitiver Struktur, dem Wechsel zwischen immer wieder abgewandelten, zuerst einfachen, dann immer vielschichtigeren folkloristischen, mehrstimmigen akustischen Gedanken, Natursamples und, im Gegensatz dazu, der Raserei kalter Wut liegt. All das ergibt die perfekte Vertonung des Lebens und Erlebens der dichten Wälder und der weiten, offenen Landschaft in den Gebirgen der nördlichen Westküste, noch einige Schippen mehr Black Metal als Post Rock und American Folk haben sie diesmal dafür in den Schmelzofen geworfen, sind auch im Songwriting nochmal komplexer und gleichzeitig gebündelter geworden (´Stonebreaker´, ´Forlorn Peaks´). Bei ALDA gibt es raue Vocals zudem nicht nur von Drummer Michael Korchonnoff, sie werden ergänzt von cleanen von Gitarrist Jace Bruton und seiner mittlerweile Ehefrau Stephanie, der Bassistin der Band, was das Spektrum der Ausdrucksmöglichkeiten deutlich erweitert, im Gegensatz zum lyrischen Vorgänger jedoch diesmal leider deutlich seltener ausgespielt wurde (der wunderbar schillernde und komplexe Albumfavorit ´Drawn Astray´, eine zehnminütige Blaupause des perfekten Cascadian Black Metal-Songs; ebenso der Gänsehaut garantierende, über viertelstündige, sehnsuchtsvoll-epische Titelsong…). All dies wurde diesmal auf ganz neuem Level von UADAs Jake Superchi kongenial naturbelassen, doch mit enormer Tiefe und Dynamik angereichert aufgenommen und abgemischt, so dass die Platte den Hörer wahrlich hypnotisch in sich hineinzieht; fraglos muss auch sie wie alle ALDA-Alben an einem Stück erlebt werden.

Und damit sind wir zurück beim Trost: ´A Distant Fire´ ist die Black Metal-Wohlfühlplatte für lange, ruhige bis einsame, nachdenkliche oder einfach nur stimmungsvolle Herbst- und Winterabende mit oder ohne Kaminflackern, für Kopfhörer und eine Kanne Tee. So wirken diese Lobpreisungen an Mutter Natur am besten, und wer auch optisch in ALDAs Welt eintauchen will, sollte sich eine physische Veröffentlichung sichern, und im zwölfseitigen Booklet die eindrucksvollen Bilder von Second Nature Artwork – Craig Strother erforschen. Damit ist ein alle Sinne befriedigendes Erlebnis zum völligen Wegträumen aus dieser Welt garantiert… ganz ohne hilfreiche Substanzen, allein durch die Kraft gefühlvoller Musik.

(8,5 Feuerschweife)

 

https://alda-band.bandcamp.com/

https://www.facebook.com/aldacascadia