Redebedarf

LIQUID STEEL

Ötzi in den Bergen des Wahnsinns


Musikalische Blindverkostungen bringen immer auch Überraschungen mit sich. Neben einigem Schmarrn finden sich dann auch echte Perlen. Eine echte Perle aus flüssigem Stahl waren in den letzten Tagen die Tiroler LIQUID STEEL. Mit ihrem energischen und heißen Heavy Metal hatten sie mich zügig überzeugt. Grund genug, einmal nachzuforschen, wer hinter den ´Mountains Of Madness´ steckt. Also ist es Zeit, ein paar elektronische Nachrichten auszutauschen. Fein, dass mit Sänger Fabio Carta, Gitarrist Jürgen Herrnegger, genannt Julle, und Drummer Martin Eberharter gleich drei Leute ihre Gedanken mit uns teilen.

Wenn wir jetzt könnten, wie wir wollten, und der Weg nach Tirol übersichtlich genug wäre vom Rhein an den Inn, wo würden wir jetzt zusammen sitzen, um die nachmittägliche Sonne zu genießen?

Martin: Hallo Mario, hi Streetclip-Gemeinde!

Fabio: Hallo Mario, vielen Dank für das Interview. Tja, am liebsten würd’ ich an einem See mit einem guten Bayrischen Bier in der Hand und gepflegter Beschallung sitzen.

Martin: Das klingt nach einem perfekten Plan! Ich würde mich da sofort anschließen und müsste nicht lange überzeugt werden.

Das klingt gut. Dazu ein Brot mit Grammelschmalz und für mich ein Krug Almdudler, so kann man den Tag verbringen. Ein gut gewählter Platz, Hand aufs Herz (und nicht ganz ernst gemeint), warum bezeichnet Ihr Tirol dann als ´Mountains Of Madness´?

Fabio: Das tun wir nicht wirklich Der Name stammt natürlich vom großartigen H.P. Lovecraft. Dass unsere Heimat in den Bergen liegt und wir alle recht naturverbunden sind, passt natürlich auch irgendwie zum Titel (naja weniger Madness, mehr Almhütten halt). Man muss sich hier nur mal umsehen, so eine Bergwand bei Gewitter oder Schneesturm hat natürlich auch was Bedrohliches an sich – da möchte ich jedenfalls nicht oben sein. Ich finde Emanuel Pichler hat sich diesmal selbst mit dem Cover übertroffen. Wir sind sehr happy damit.

Dafür ist der ´Alpine Warrior´ tatsächlich ein Held Eurer Region. Wie nahe lag es für Euch, über ihn einen Song zu machen?

Fabio: Das war eher ein Zufall. Ötzi hat mich immer fasziniert und ich wollte etwas mit Bezug zu den Bergen schreiben. Dabei ist mir dann aufgefallen, dass es (zumindest meines Wissens nach) noch keinen Song zu Ötzi, dem Mann aus dem Eis gibt. Höchste Zeit also, so was zu machen, dachte ich mir. Die Geschichte dazu stammt von einem Gedicht von Sharon Talbot. Mike Young, der schon auf unserem ersten Album (zum Song ´Samurai´) so was eingesprochen hat, hat einen tollen Job gemacht.

Julle: Ich hatte da eine Songidee, die als working title einfach nur „Maiden“ hieß. Nachdem Fabio das Ötzi-Thema auf den Tisch legte, hatte Jay, unser Producer, die geniale Idee, den Song musikalisch als Art „Geschichte“ auszulegen. Da fiel uns natürlich unser Freund Mike Young ein, der das sensationell umgesetzt hat. Und danke auch an Phil für die tollen Backing-Vocals!

Hattet Ihr schon die Gelegenheit, ihn zu sehen?

Fabio: Ja, ich hatte bereits die Gelegenheit. Ein einprägsames Ereignis und ein Stückchen heimatliche Geschichte.

Julle: Leider nicht. Steht aber auf der Agenda. Ist schon faszinierend, die ganze Geschichte und auch, was die Wissenschaft heutzutage imstande ist, herauszufinden.

Martin: Ich war schon einmal im Museum in Bozen und im Ötzidorf in Umhausen. Ich kann mich noch gut an den Fund von Ötzi durch das deutsche Ehepaar erinnern. Anschließend war die Mumie ja in Innsbruck, später wurde diese nach Südtirol überstellt. Bei diesem Lied trifft Geschichte auf Regionalität. Zu ´Alpine Warrior´ haben wir einen wirklichen Bezug. Mikes Stimme gibt der musikalischen Erzählung auch viel Inhalt und Tiefe.

Seid Ihr denn waschechte Tiroler? Oder auch Neigeplackte, wie man bei uns in der Kurpfalz sagt?

Fabio: Wir stammen alle aus unterschiedlichen Teilen des Landes und leben großteils um den Raum Innsbruck. Wer oder was ein waschechter Tiroler ist, das überlassen wir lieber anderen.

Die Frage bezog sich eher darauf, wie schwer ist es, in Tirol heimisch zu werden. Der gemeine Westfale etwa, braucht sehr lange, ehe er einem sich öffnet, im Vergleich zum Süddeutschen. Aber wenn, dann ist er stur wie ein Ochse… Wie ist er so drauf der Tiroler? Ist er eher der störrische Einzelgänger oder doch mehr der gesellige Typ?

Fabio: Das gleiche könnte ich über den Tiroler sagen. Es hängt natürlich von sehr vielen verschiedenen Faktoren ab und das Stadt-Land-Gefälle spielt bei uns natürlich auch eine große Rolle. Ist eine sehr schwere Frage, wie ich finde. Das auf keinen Fall pauschalisieren. Wie schwer es ist, heimisch zu werden, kann ich nicht beantworten – da müsstest du jemanden fragen, der hierher gezogen ist.

Stellt doch mal Eure Mitglieder vor, und was Ihr so für Einflüsse habt?

Fabio: Hey, ich bin Fabio und ich singe ein bisschen. Einflüsse sind schwer zu sagen, wenn du musikalische Einflüsse meinst – so sind es abseits der üblichen NWoBHM Verdächtigen vor allem viele 70er Rock Bands, ich mag aber auch die Energie des Punk und des Thrash. Es ist oft schwer zu sagen, was ein Einfluss auf die Band ist und was nicht. Wir analysieren das wahrscheinlich weniger als andere.

Julle: Ich bin der Julle, spiele Gitarre und werde auch Bandpapa genannt. Weil ich der Älteste bin. Dafür vertrag ich am meisten Bier. Natürlich gibt’s Einflüsse, wenn’s um das Gitarrenspiel geht. Die aktuellen musikalischen Vorlieben sind breit gestreut. OPETH, TOOL, GOJIRA finden da genauso Platz wie NIGHT DEMON, SULL FIST oder STRIKER. Und natürlich die MAIDENs, METALLICAs und AC/DCs dieser Welt.

Martin: Ich heiße Martin. Ich bin der Drummer von LIQUID STEEL. Einflüsse reichen von bekannten Schlagzeugern bis hin zu bereits erwähnten Bands. Ich versuche auch im Metal viele Genres zu hören, offen für Neues zu sein und dennoch am Album auf eigene Stärken und die der Band aufzubauen.

Wie würdet Ihr jemandem, der Euch nicht kennt, Eure Musik schmackhaft machen?

Fabio: Wir spielen melodischen, eingängigen und frischen Heavy Metal. Mit frisch meine ich, dass wir nicht unbedingt so klingen wollen, als wäre das Album 1981 produziert worden. Versteh mich nicht falsch, ich steh auf den Sound, aber wir leben nun mal im Jahr 2021 und sollten auch so klingen. An dieser Stelle mal ein fettes Danke an unseren Producer Jay Hundert vom Studio Hundert!

Martin: LIQUID STEEL bietet Abwechslung! Wir haben bei keinem Album alles Lieder, die in eine Richtung gehen. Dennoch harmonieren die Songs als Gesamtes. Das war bei uns schon immer so, wahrscheinlich weil wir privat auch unterschiedliche Dinge hören und auch vom Charakter her sehr offen sind.

Julle: Ich sag bei der Frage immer dazu, dass unser Sänger nicht kreischt und grunzt und es eigentlich viel um Kindergartenmelodien geht.

Ich finde, Euer ´Phoenix´ passt wunderbar als Soundtrack zur Lektüre von Rob Halfords Autobiographie. Habt Ihr da auch an einen speziellen Menschen gedacht? Oder ist das einfach nur ein guter Fantasy-Text?

Fabio: Im Nachhinein ist der Song gerade zur jetzigen Zeit brandaktuell. Nach einem Jahr Ungewissheit, ohne Kultur und Musik, wollen wir wieder auferstehen, wie der Phoenix aus der Asche. Ich glaube die Liveszene wird wieder stark gefragt sein, nach einem Jahr ohne Konzerte und auch wir haben wieder Bock! Der Text kann natürlich auf verschiedene Art und Weise interpretiert werden. An einen speziellen Menschen hab’ ich dabei nicht gedacht. Mir gefällt das Wort ´Phoenix´ ganz einfach.

Um die ´City Lights´ zu erleben, reicht Euch da Innsbruck? Oder ist das so Provinz, dass Ihr weiter weg müsst?

Fabio: Die Energie der Großstadt hat bestimmt ihren Reiz, speziell wenn du aus einem kleinen Kaff kommst. In ´City Lights´ geht es eher darum, sich von den schimmernden Lichtern und den glitzernden Fassaden nicht blenden zu lassen. Du musst rausfinden, was du willst und deinen eigenen Weg gehen. Hör auf dich selbst und mach’s auf deine eigene Art.

Ihr habt noch eine Literaturvertonung…

Fabio: ´Traveller In Time´ ist inspiriert von H.G Wells‘ Roman „Die Zeitmaschine“ und handelt von einem Zeitreisenden, der durch Raum und Zeit reist. Er entdeckt all diese unglaublichen Orte und trifft die außergewöhnlichsten Menschen. Letztendlich fühlt er sich aber nirgends zugehörig und deshalb will er wieder zurück.

Gibt es in Eurer Gegend überhaupt eine „Szene“? Oder lebt Ihr in einer metallischen Diaspora?

Fabio: Na klar, es gibt eine kleine, sehr feine Szene hier in Tirol. Konzertmäßig tut sich auch immer was. Es gibt einige Leute, die mit sehr viel Herzblut bei der Sache sind und großartige Acts zu uns ins Land holen.

Welche Bands aus Eurer Region sollte man denn unbedingt auch kennen?

Julle: Aus Tirol unsere Kumpels von SILIUS und die Thrasher von INSANITY ALERT, Bands aus Österreich, die jeder gehört haben muss: KÜENRING, VENATOR und ROADWOLF.

Fabio: Erwähnen möchte ich noch TRIUMPHANT und TRANSILVANIA, unsere Kumpels von INTO THE TEMPEST, die bald ein neues Album rausbringen, HARD EXCESS und EISENHAND.

Was war bisher Eurer größter Auftritt?

Julle: Ich glaub, zuschauermäßig war das der Supportgig für U.D.O. Mein Herz sagt „Metalheadz OA 2016“ oder DIAMOND HEAD-Support in Innsbruck.

Fabio: Als Support von ICED EARTH zu spielen war sicher auch ein Highlight für uns. Das fantastische „Trveheim Festival“ möchte ich auch noch erwähnen.

Mit wem würdet Ihr gern mal spielen? Oder auch wo?

Fabio: Mir ist nicht so wichtig mit wem wir spielen, aber ich würde sehr gerne mal außerhalb von Europa spielen – das wäre ein Traum. Japan oder Amerika z.B. wären schon was.

Julle: Ein Traum wäre Südamerika. Da zählt Heavy Metal noch was. Und die fehlenden österreichischen Bundesländer.

Und welche sind das?

Bei uns in Österreich fehlen uns noch das Burgenland und Kärnten. Zeit wird’s.

Da haben LIQUID STEEL ja noch einige Pläne. Es bleibt zu wünschen, dass sie in Erfüllung gehen. Die musikalische Grundlage ist gelegt, nun liegt es an uns, an den Fans, dass der verdiente Erfolg auch eintritt. Und wenn es soweit ist, sehen wir uns auf und vor der Bühne. 

Ich persönlich danke für die wirklich geduldig beantworteten Fragen. In Steel We Trust!!!

Wer immer noch nicht versorgt ist, kann sich unter folgender Adresse mit Tonträgern und Merch eindecken:

https://liquidsteel.at/


Live-Pic: Flo Glatzi