MeilensteineVergessene Juwelen

WISHBONE ASH – Live Dates

~ 1973 (MCA) – Stil: Classic Rock ~


In den 70er-Jahren war die Zeit der großen Doppel-Live-Alben. Man denke nur einmal an THIN LIZZYs ´Live And Dangerous´, UFOs ´Strangers In The Night´ oder ´On Stage´ von RAINBOW oder ´Live…In The Heart Of The City´ von WHITESNAKE – alles veröffentlicht zwischen 1977 und 1980. Aber auch in der ersten Hälfte gab es Meilensteine wie DEEP PURPLEs ´Made In Japan´. Ja und auf Augenhöhe zu den meisten anderen auch dieses Doppelalbum von 1973 der damals famosen WISHBONE ASH.

Ich halte mich hier an die 1992 veröffentlichte Doppel-CD, die noch einen wirklich empfehlenswerten Bonus-Track enthält. Wir erinnern uns, WISHBONE ASH war die englische Band, die ab 1970 vor allem durch ihren melodischen Rock bis zur Hard Rock-Grenze und den beiden Leadgitarren auffiel, bevor das populärer wurde (natürlich hatten die Südstaaten-Rocker parallel und die YARDBIRDS deutlich früher auch schon mehrere Lead-Gitarristen im Angebot). WISHBONE ASH, das waren 1973 vier großartige Musiker. Andy Powell und Ted Turner an den Gitarren, Martin Turner am Bass, den er auch immer wieder als melodieunterstützendes Element einsetzte und gleichzeitig war er ein großartiger Sänger (Powell verstärkte den Gesang oft zusätzlich) und mit Steve Upton auch noch ein talentierter Schlagwerker.

´Live Dates´ beginnt gleich mit drei absoluten Rock-Klassikern ´The King Will Come´ und dem Doppelpack ´Warrior´ / ´Throw Down The Sword´. Alle drei auf der B-Seite der stärksten WISHBONE ASH-Veröffentlichung des Vorjahres, dem legendären ´Argus´. Man kann jetzt streiten, welches der beste Song ist. Alleine der Doppelgitarrenbeginn bei ´Throw Down The Sword´ kann einen heute noch aufgrund der Schönheit der Spielweise in Erstaunen setzen. Eine erste Seite, die kaum zu toppen ist.

Seite 2 beginnt mit der nicht weniger starken Übernummer ´Rock’N’Roll Widow´ des ansonsten recht mittelmäßigen ´Argus´-Nachfolgers ´Wishbone Four´. So macht Rockmusik Spaß. ´Ballad Of The Beacon´ auch von ´Wishbone Four´, und sehr ordentlich, schließt sich an. Den nächsten Song, den Jimmy Reed-Titel ´Baby What You Want Me To Do´ kann man bei der CD wegskippen. Nein, so schlimm ist es nicht, aber aus meiner subjektiven Sicht waren WISHBONE ASH nie eine überzeugende Rock’n’Roll oder Blues Rock Band. Dann folgt – nur auf der CD – ein weiteres Meisterwerk, das hier 17-minütige ´Phoenix´ vom Debüt 1970. Den Song gibt es auch auf der Doppel-LP auf Seite 4, aber diese Version ist für mich noch stärker. Eine weitere Sternstunde der Briten. Martin Turner singt so gut, dass man ihn auch jederzeit bei KING CRIMSON für Greg Lake oder John Wetton hätte einsetzen können. Dieses Lied muss man einfach kennen und diese Live-Version übertrifft die starke Studio-Version noch bei weitem.

Seite 3 beginnt mit dem progressiven Fast-Instrumental ´The Pilgrim´ vom zweiten Album ´Pilgrimage´ von 1971. Das war das erste Album, das ich mir von der Band zulegte. Eigentlich wegen dem auf dieser Seite dritten Titel, ´Jail Bait´, da gefiel mir die doppelte Leadgitarre auf Anhieb. Ein rockiges, starkes Stück. Dazwischen noch ein weiterer ´Argus´-Titel ´Blowin‘ Free´, gut, aber nicht von der Güte der ersten drei Songs der Platte. Auf Seite vier dann das dynamische ´Lady Whiskey´ vom Debüt und das schon angesprochene ´Phoenix´ in einer weiteren (oder im Falle Vinyl eigentlichen) sehr starken Version.

In meiner Besprechung vor einigen Wochen zu ´Number The Brave´ habe ich ja schon darauf verwiesen, dass diese Band zu Unrecht sehr stark in Vergessenheit geraten ist. Als Einstieg ist diese Doppel-LP / Doppel-CD absolut zu empfehlen. Eine ´Best Of´ der ersten vier Alben der legendären ersten Besetzung. Vier starke Musiker, aber vor allem eine geschlossene Band-Leistung mit Songs auf höchstem musikalischen und songwriterischen Niveau. Wer diese Veröffentlichung / Band nicht kennt, sollte sie kennen lernen. Dazu ist ´Live Dates´ neben ´Argus´ der optimale musikalische Türöffner.