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NO TREND – Too Many Humans / Teen Love

2020 (Drag City) – Stil: Hardcore Punk/Noise Rock ~


In den frühen 80ern war Washington, D.C. eine der wichtigsten und angesehensten Hardcore-Punk-Communities auf der ganzen Welt. Die Stadt war unter anderem die Heimat von MINOR THREAT, deren Label „Dischord Records“ und einem geradezu asketischen, geradlinigen Lebensstil, der Drogen, Sex und Alkohol auf Tiefste verachtete. NO TREND aus dem nicht allzu weit entfernt gelegenen Ashton in Maryland sahen sich hingegen als eine verhöhnende Alternative zu diesem in ihren Augen scheinheiligen Ethos – zynisch, ein gutes Stück surreal und vor allem begierig darauf, auf die Heuchelei sowohl der bürgerlichen Normen als auch der angeblich frei denkenden Subkulturen aufmerksam zu machen. Sie trugen grausam-kitschige Klamotten, verärgerten mit ihren verächtlichen, tragikomischen Texten und artikulierten diese existenzielle Angst mit teilweise sogar feindseligem Hass-Punk.

NO TREND erweiterten damals genau das, was FLIPPER nur wenige Jahre zuvor mit ihrem Meilenstein ´Generic Flipper´ erreicht hatten und trockneten deren Sinn für Humor noch viel gründlicher aus, mit einer noch größeren Ausprägung an Misanthropie. Wie FLIPPERs Debüt wird auch der Sound von NO TREND von einem repetitiven, schrägen Bass-Spiel getragen, ein Aktivposten, der eine Arsch kickende Trittfrequenz besitzt, während die Gitarre wie in ein unberechenbares Delirium lenkt und den spöttischen Gesang und die tumultartigen Drums dabei einfach ganz hervorragend kontrastiert.

Die gesellschaftliche Entfremdung dominiert überwiegend die lyrischen Themen, aber es gibt auch Momente, in denen wesentlich intimere Aspekte der Psyche auftauchen. Die Angstattacke ´Reality Breakdown´ vom Albumdebüt ist ein gutes Beispiel dafür, mit ihrem hektischen, sinnlosen Geschrei, dem immerfort pochenden Bass und den dunstig-hallenden Riffs. Ganz ähnlich ist die rohe Niedergeschlagenheit auch in ´For The Fun Of It All´ oder ´Happiness Is …´, in denen Themen der EP-Erstlinge ´Teen Love´ in einer vokalen Sample-Montage nachgebildet werden, jedoch in einem eindeutigen kontextuellen Gegensatz.

Diese als aufwändiges Boxset gestaltete Compilation umfasst ausschließlich die frühen Releases der Band: das erste Album ´Too Many Humans´ (1984) sowie die beiden unterschiedlichen Versionen der bereits ein Jahr zuvor erschienenen EPs ´Teen Love´ und die dazugehörigen CDs enthalten zudem das erste Demo und eine Live-Performance aus den Jahren 1983 und 1984. Das liebevoll gestaltete Begleitheft wurde aus verschiedenen Quellen sorgfältig zusammengestellt und enthält Fotos, Show-Flyer, zeitgenössische Fanzine-Rezensionen und Interviews. Eine durchaus lohnenswerte Sache also in jedem Fall.

(8 Punkte)