Livehaftig

ZERO FEST II

PHANTOM WINTER, TOADEATER, DIVISION ZERO, FLESHSPHERE

~ 25.01.2020, JUZ Friedrich Dürr, Mannheim ~


Arschcvlt, das ist es heute in Mannheim, seit ein paar Tagen liegt jede Nacht ein doomiger Nebel wattigfeucht in den Strassen der Stadt. Eigentlich will da kein Hund vor die Tür, doch was könnte zu dieser tristen Jahreszeit und Witterung besser passen als ein PHANTOM WINTER-Konzert? Winterdoom ist also angesagt, und wenn man dann auch noch mit den Öffentlichen aus dem Umland anreist, wird das Ganze zu einem frostigen Vergnügen.

Aber es steht heute ja noch viel mehr auf dem Programm, denn bereits zum zweiten Mal heißt das „Zero Fest“, die selbsternannte „DIY Konzertreihe für Black, Death, Sludge und Doom“ zu Jahresbeginn sämtliche Conaisseure der brachialen Töne im JUZ Mannheim willkommen. Nachdem die letztjährige Premiere schon mit einem sehr starken Lineup, nämlich den Black/Death/Doomern MORAST und Black Metal von DER ROTE MILAN, sowie den Gastgebern DIVISION ZERO über die Bühne ging, wurde 2020 um eine weitere, vierte Band aufgestockt, man kann also schon gut von einem kleinen, aber feinen Festival sprechen.

Die Mannheimer veranstalten dasselbe mit dem Anspruch, Bands, zu finden, die zu ihnen selbst passen, was bedeutet, dass sie einen Hintergrund im extremen Metal haben, auf viel Atmosphäre Wert legen und auch gerne Richtung Black Metal gehen dürfen. Weiterhin ist ihnen allen am heutigen Abend eine räudig-punkige Attitüde gemeinsam, und diese spiegelt sich auch im buntgemischten Publikum wieder.

 

 

Leider bekomme ich von der ersten Band, den Hepprumern von FLESHSPHERE nur noch die letzten paar Songs mit, aber wer ASPHYX covert, lässt natürlich nix anbrennen. Die noch recht jungen, will sagen erst Ende 2017 formierten Deathler von der Bergstrasse haben das Publikum komplett unter Kontrolle, bereits gut aufgewärmt und ernten entsprechend ihren verdienten Applaus. Neben dem sehr souverän growlenden Sänger fällt vor allem der extrem agile und auch mal mit unkonventionellen Rhythmen experimentierende Drummer auf, aus dieser Bande kann auf jeden Fall noch was werden! Das sieht auch das Publikum ähnlich, generell ist das JUZ Friedrich Dürr sehr gut gefüllt an diesem winterlichen Samstagabend, und die Stimmung ist ausgezeichnet, es wird fleißig gebangt und gejubelt, einen warme Atmosphäre gegen die winterliche Tristesse draußen…

 

 

 

Als zweite entern dann die Lokalmatadoren von DIVISION ZERO die Bühne; sie selbst beschreiben ihren Stil als atmosphärischen Black Metal, man ist geneigt  zu ergänzen – auf einer gesunden Hardcorepunk-Basis, gefüttert mit vielen Jahren Deathmetal-Kult, und dazu mit einer gesunden Menge Wut und Energie gespielt. Leider kam ihre neue EP ´Mainades´ nicht pünktlich aus dem Presswerk, so dass ihr Auftritt heute keine echte CD-Release Party wird, was dem Ganzen jedoch keine Abbruch tut – sondern vielmehr einer wird. Man merkt, dass sie hier zu Hause sind, die Fans viele ihrer Songs bereits kennen, und auch die drei neuen mit viel Wohlwollen annehmen.

 

 

In meiner Lieblingsformation als Trio auftretend, bringen die Monnemer extrem viel Power auf die Bühne, zum einen was Geschwindigkeit angeht, zum anderen was Druck und Bösartigkeit betrifft. Justus‘ Drumming ist straight, bissig, aber hat auch sehr viel Groove, heute ist mal wieder ein Drummer-Abend, Dennis Bass erhöht den Luftdruck und Mainman Swen glänzt an der Gitarre, vor allem aber am Mikro mit seinem schon fast schizophren-wechselhaften Gesang: extrem durchdringend-fieses Black Metal-Keifen, tiefer, harmonischer Klargesang bis hin zu opernhaftem Pathos, das alles hat er drauf und wechselt in Sekundenbruchteilen dazwischen hin und her. Krasser Scheiß! Je neuer die Stücke (´Hades´ & ´Hebros´!), desto mehr progressiv-atmosphärische und auch doomige Anteile haben sie, bleiben jedoch trotzdem roh und rau, was mir persönlich absolut reinläuft, so dass ich hinterher mit beiden Tonträgern nach Hause gehe. Aber jetzt geht es ja erstmal hier weiter…

 

Setlist DIVISION ZERO:
Procession
Steamcracker
Fallen
Black Church
Styx
Hades
Hebros
1959
Insidious

 

Auf die Lokalmatadoren folgen TOADEATER aus Osnabrück, und es ist spannend zu sehen, wie die Bühne heute bei jeder Band in eine andere Farbe getaucht ist: zuerst tödlich weiß scheinend, dann violett-schwarz leuchtend ist sie nun passend zu den Krötenfressern froschgrün. Ich kannte die Band bisher noch nicht, doch dass Leute mit TURIA- oder ABFUKK-Patches eigentlich keine schlechte Musik machen können, wird im Folgenden auch bestätigt.

 

 

Das zweite Threepiece dieses Abends überrascht mit einem hochdynamischen, modernen deutschen Black Metal, der genauso vom atmosphärischen Westcoast-USBM wie aus benelux- und osteuropäischen Einflüssen gespeist ist, und dazu noch aktuelle Post-Black Metal/Post Rock-Strömungen atmet, aber doch zwischen all dem seine ganz eigene Form entwickelt hat. Hochtempo (schon wieder so ein Wahnsinnsdrummer!) mit deutlicher Hardcore-Attitüde wechselt mit zarten, teils fast zerbrechlichen, melodischen Zwischenspielen, wunderbar emotionale Musik, die gerade bei der heutigen (Gefühls-) Kälte wunderbar innerlich wärmt, und gleichzeitig dunkle Energien nach außen kanalisiert.

 

 

Technisch makellos legen die drei Nordlichter einen extrem intensiven Auftritt hin, der Lust darauf macht, die progressiv-komplexen, doch gleichzeitig leichtfüssigen Songs daheim nachzuhören, ihr Erstling ´Codex´ muss daher irgendwie noch beschafft werden. Von TOADEATER werden wir in Zukunft noch einiges hören, da bin ich mir sicher!

 

Setlist TOADEATER:
Codex
Parasite
The Tribunal
An Ode To My Spy
In Retrospect
The Disarmed Gaze

 

 

Beim Headliner schließlich erstrahlt die Bühne dann raffiniert per Baulampen illuminiert in winterlichem Eisblau, wenn sie in ruhigen Passagen nicht komplett schwarz ist. Nach den beiden Trios stehen bei PHANTOM WINTER nun wieder deutlich mehr Leute auf der Bühne, und die brauchen sie auch, um ihren ultraheavy Sound zwischen Sludge, Drone und Black Metal-Einsprengseln zu erzeugen. Es ist einfach unglaublich, was für eine Wall of Sound der fränkische Fünfer hier auf der Bühne hochzieht, ich verfolge die ersten Songs vermutlich mit offenem Mund vor Staunen und Begeisterung.

 

 

Es ist einfach umwerfend, was für eine Macht PHANTOM WINTER live sind, so brutalst heavy und exakt zugleich in ihrem Stop-and-Go aus walzendem Tiefton-Doom, den Atem stocken lassenden, noisigen Passagen und dem Zusammenklang von keifend-paranoidem und kehlig-rauem Gesang von Christian und Andreas. Man hat teilweise den Eindruck, die Band sei selbst verwundert über das Soundmonster, das sie hier gemeinschaftlich von der Leine lassen, und ich habe selten bis nie so viel Spaß an dieser ausgefeilten Variante von düsterstem, tiefgefrorenem bis komplett wahnsinnigem Sludge gehabt.

 

 

Mich fasziniert dabei vor allem, wie vielschichtig, harmonisch und bis ins kleinste Detail ausgefeilt doch das Fundament unter all den Eruptionen von Grauen und Verzweiflung ist, gerade in den mit Samples ergänzten ruhigen Passagen glitzert die eisige Magie dieser Band am strahlendsten, und lullt ein mit einem kalten Hauch von Sehnsucht. Es ist zu schade, dass ich nach noch nicht einmal der Hälfte gehen muss, um noch nach Hause zu kommen; beim hoffentlich baldigen nächsten Mal will ich dann jedoch die komplette Vollbedienung!

 

Setlist PHANTOM WINTER: 
(kam per tiefgefrorenem Telegraphenkabel hinterher noch zu mir…)
The Initiation of Darkness
Bombing the Witches
Godspeed! Voyager
Avalanche Cities
Frostcoven
Wintercvlt

 

Fazit: das „Zero Fest“ ist ein kleines, dafür extrem fein ausgewähltes DIY-Festival der härteren, abseitigen, jedoch immer stimmungsvollen Gangarten, das man sich auf jeden Fall merken sollte, wenn man schwarze Juwelen im Schlamm der Großstadt entdecken will. Support the underground!

 

http://www.phantomwinter.com

https://toadeater.bandcamp.com

https://divisionzero1.bandcamp.com

https://www.facebook.com/Fleshsphere/