PlattenkritikenPressfrisch

STREET KOMPASS Juli 2019

Hochsommerliche Temperaturen – vorbei!

Da können wir alle in diesen Zeiten endlich wieder einen kühlen Kopf bewahren und uns vor allem auf die schönste Nebensache (?!) der Welt konzentrieren: die Musik.

Viele sind berufen, doch nur wenige auserwählt. Wer schreibt die schönsten Songs? Wer hat das prickelndste Cover-Artwork in diesem Monat anzubieten? Viele Alben haben wir bereits im Juli rezensiert, doch für einige Kurz-Reviews fanden sich noch freie Kapazitäten.

But first: unsere Monatsherrlichkeit.


 

M o n a t s h e r r l i c h k e i t

´Born To Parish´ von DESTRUCTION

 


Q u i c k – R e v i e w s


ATTAKK – Riding The Dragon 1988/1991
2019 (Lost Realm Records) – Stil: Heavy Metal

Reissue des 2016 veröffentlichten Albums, das schnell ausverkauft war. `Riding The Dragon 1988/1991` kann als Veröffentlichung der Marke „Gesammelte Werke einer Band“ angesehen werden.

Die Amis ATTAKK veröffentlichten 1989 eine 6-Track MLP, die aber weitgehend unterging. Dabei war die Mucke nicht schlecht. Klassischer US-Metal mit einer leichten Kommerzdosis. Flotte, eingängige Metal-Stücke mit einem Sänger in den höheren Stimmlagen. Solide Kiste.

Auf dieser CD findet sich neben der erwähnten EP noch das 1988er Demo, ein 90er Demo sowie ein Livesong von 1991. Die Songs überschneiden sich im Großen und Ganzen, was etwas ärgerlich ist. Das fette Booklet liefert viele Infos und gute Fotos. Guter, sinniger Reissue – insofern man auf klassischen US-Heavy Metal steht.

(ohne Wertung – Jürgen Tschamler)


ADRIANO BATOLBA TRIO – How Much Does It Cost, If It’s Free?
2019 (ToBaGo Records/Rough Trade) – Stil: Rockabilly

Wo sind die Heavys in Sachen Rockabilly und Rock’n’Roll? Hier kommt das ADRIANO BATOLBA TRIO. Sänger/Gitarrist Adriano Batolba heißt eigentlich André Tolba, ist aber in der Rock’n’Roll-Szene DER bunte Hund.

Als Gitarrist und Produzent führte er DICK BRAVE & THE BACKBEATS (mit SASHA) zu Gold und Platin und für DEN Peter Kraus war er der Sologitarrist auf Tournee. Seit 2009 pflegt er auch sein ADRIANO BATOLBA TRIO, das er nun in schlichter Variante, ohne ORCHESTRA, präsentiert. Diesmal gibt es einfach von Gesang, Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug etwas auf die platt-getanzten Sohlen.

Mit Falko Burkert (Kontrabass, DICK BRAVE & THE BACKBEATS) und Bernie Weichinger (Schlagzeug) haut Adriano Batolba seinen peppigen Rock’n’Roll heraus, als wäre dieser nicht vor weit über 50 Jahren entstanden: zeitlos und nicht einen Gedanken daran verschenkend.

(8 Punkte – Michael Haifl)


AMERICAN GLUTTON – Fruit Will Rot
2019 (From The Ashes Records) – Stil: Hard-/Heavy Rock

Aus Jacksonville, Florida, stammen AMERICAN GLUTTON, die mit `Fruit Will Rot` eine neue Veröffentlichung am Start haben. Stilistisch hat man so seine Probleme, die Jungs genau einzugliedern. Auch will die Band mit zu vielen Ideen in ihren Songs beeindrucken, was die ganze Kiste dann etwas überstrapaziert.

Der Sound ist sehr groovig, hat viel neuere Elemente und kann irgendwo zwischen PANTERA, BLACK SABBATH, BLACK STONE CHERRY positioniert werden. Also ein ziemlich großes musikalisches Dreieck. Ruppige, kräftige Grooves, tiefergestimmte Gitarren , tendenziell BLS, Südstaaten Vocals – man hört manchmal einfach zu viel, obwohl die Stücke keinerlei progressive Ansätze haben. Auch unterscheiden sich alle Stücke enorm voneinander. Eine Nummer wie `Heaven And Hell` weiß zwar zu gefallen, aber irgendwie bleibt nicht nachhaltig hängen. Alles nett, aber nett heißt ja…

(6 Punkte – Jürgen Tschamler)


DAMNATION DEFACED – The Devourer
2019 (Apostasy Records/Edel) – Stil: Death Metal

Celle, Hamburg und Hannover – aus diesem Städtedreieck kommen die deutschen Hopefuls von DAMNATION DEFACED, und das seit 2006.

Sie spielen, eigenen „Prahlereien“ zufolge, „Science-Fiction Death Metal“. Zugängliche, verschleppte Refrains heben den melodischen Ansatz hervor, der sich aus dem Death Metal-Grundgebilde herausschält. Ein gewisser technischer Anspruch bleibt dabei jederzeit gewahrt – und dies auf zwölf Songs, in einer Dreiviertelstunde, im schicken Digiapk. Abwechslung wird hochgeschrieben, etwas spacig, etwas doomig, etwas rollend, das Quintett bleibt allzeit Herr über das Geschehen.

Wer beim Vorgänger ´Invader From Beyond´ zugeschlagen hat, kommt um ´The Devourer´ traditionell nicht herum.

(7 Punkte – Michael Haifl)


DESTRUCTOR – Maximum Destruction
2019 (Reaper Metal Productions) – Stil: Thrash Metal

Clevelands DESTRUCTOR sind in unseren Breitengraden ja keine Unbekannten. Ihr Debüt `Maximum Destruction` gehört zu den Alben. die man in der Sammlung bedeutsamer Alben der Achtzigerjahre haben MUSS! 1998 hatten „Listenable Records“ das Teil endlich auf CD mit etwas Bonusmaterial wiederveröffentlicht. 2014 gab es dann eine Neuauflage des Re-Releases mit weiterem Bonusmaterial.

Warum zur Hölle jetzt Reaper Metal mit einer weiteren Version auf den Markt drängen, ist doch sehr fraglich. Als Do-CD wird das Teil angeboten. Der Sound des Albums ist schlicht mies. Da klingt sogar das alte Vinyl besser! Auf der zweiten CD gibt es `Pounding Evil` in der `Speed Kills 2`-Compilation-Variante, eas 1988er Demo, das `Smash Your Skull With Power´ Demo von 1984 und 6 Songs unter dem Titel `Unmixed & Heavy 1985`. Der Sound ist überwiegend eine Frechheit.

„Auburn Records“-Owner Bill Peters sagt zu dem Release, er hätte damit nichts zu tun. Wie aber zur Hölle kommen dann „Reaper Metal Productions“ dazu, so ein minderwertiges Produkt zu veröffentlichen?  Das Booklet ist 8-seitig mit Miniminimini-Songtexten, kleine Fotos. Nichts. das man wirklich braucht. Finger weg! Kauft lieber die offizielle „Listenable Version“ mit weniger Bonusmaterial, aber die klingt besser.

(Mittelfinger – Jürgen Tschamler)


DREAMS IN FRAGMENTS – Reflections Of A Nightmare
2019 (Rockshots Records) – Stil: Female Fronted Dark Metal

Lang ist es her, mit den frischen, unschuldigen, dunklen Aufführungen eines THEATRE OF TRAGEDY. Seither wurde viel verzuckert, vergothict, verschmalzt. Selten kann man sich auf eine Scheibe dieser Art hemmungslos einlassen, ohne dass es einem die Fußnägel nach oben biegt und man unwillkürlich nach der Insulinspritze greift.

DREAMS IN FRAGMENTS bilden da wie auch dieses Jahr ihre österreichischen Nachbarn SARCASM SYNDROME eine löbliche Ausnahme, berufen sie sich eher auf die düsteren Anfänge des Genres mit Growls, dunklen Harmonien, heavy Gitarrenakkorden und eher schleppenden Songs statt zuckerwattigem Plastiktriggerdrum-Gehüpfe. Besonders die angenehme Stimme von Frontfrau Seraina harmoniert perfekt mit ihrem männlichen Gegenpart Chris, während die Songs oft eine düstere, epische Magie entfalten, die man damals eher bei THE GATHERING und 3RD AND THE MORTAL als bei NIGHTWISH fand. (Mit all denen haben SARCASM SYNDROME nichts zu tun ! – Anm. d. Red.)

Weitaus unvorhersehbarer als das Gros der niemals enden wollenden, stilverwandten Flutwelle agieren die Schweizer auf ihrem edlen Debüt, welches endlich mal wieder ungetrübten Spaß in dieser Kategorie bietet.

(7,5 Punkte – Less Lessmeister)


THOBBE ENGLUND – Hail To The Priest
2019 (Metalville Records) – Stil: Heavy Metal

Generell steht Euer Rezensent Cover-Versionen mehr als abweisend gegenüber. Selten haucht ein nicht schlicht nachgespieltes Lied, in neuer Form dargeboten, den Melodienfolgen echtes und neues Leben ein.

Im vorliegenden Fall versucht THOBBE ENGLUND, den wir aus seiner Zeit bei SABATON vielleicht noch kennen, alten JUDAS PRIEST-Songs Frischluft zuzufächern. Nicht verkehrt in der Hitze des Sommers.

Ein ganzes Tribut-Album voller Songs, die dereinst der Metal-God eingesungen hat, ist aber eine Unternehmung, die nicht immer, gesanglich sowieso, im Erfolg enden kann. In seiner Jugend von Yngwie Malmsteen und JUDAS PRIEST angefixt – täglich soll er ´British Steel´ und ´Defenders Of The Faith´ gehört haben – spricht er nun in Form dieses Albums seinen Dank aus: von ´The Sentinel´, über ´Hellbent For Leather´ und ´Desert Plains´, bis ´I´m A Rocker´.

Falls Ihr gerade eine frische Prise oder gar Dusche von PRIEST-Liedern benötigt, hier …

(ohne Wertung – Michael Haifl)


JANET GARDNER – Your Place In The Sun
2019 (
Pavement Music) – Stil: Hard Rock

Diese Lady rockt! Jaja, kramt sie wieder raus, die guten, alten VIXEN-Witze, ihr Unwürdigen. Dennoch ändert das nichts an der Tatsache, dass diese Band nach Vorreitern wie GIRLSCHOOL oder THE SLITS im Punkbereich mit den Grundstein für so viele All-Girl-Bands heutzutage gelegt hat und dies – wie auch viele ihrer Nachfolger – mit Virtuosität statt nur den im Business natürlich abgecashten weiblichen Attributen.

Zusammen mit Ehemann Justin James veröffentlicht die ehemalige Fronterin gerade ihr zweites Soloalbum – und das zündet. Von den fetten Riffs des Titelstücks ´Your Place In The Sun´ über die Hittauglichkeit von ´Assassinate´, der ausgefeilten Ballade ´Try´, dem Sleazer ´Kicks Me Back´, dem Überraschungsei ´You Said´ bis zum fetzigen `Flame Thrower` ist für den Hard Rocker alles dabei. Dazu bringt sie eine ausgewachsene Röhre mit, die am schönsten an der Grenze zur Räudigkeit klingt. Das Gros der Songs kann mit teils unerwarteten Wendungen absolut überzeugen und liegt erwartungsgemäß außer ihrer eigenen Vergangenheit meist irgendwo zwischen LITA FORD und HEART.

(7,5 Punkte – Less Lessmeister)


HATRIOT – From Days Into Darkness
2019 (Massacre Records) – Stil: Thrash Metal

Nach dem Ausstieg von Steve “Zetro” Souza bei HATRIOT, hat Steves Sohn Cody den Gesangpart übernommen, weil Daddy komplett busy mit EXODUS ist. Sein Bruder bearbeitet ja schon das Schlagzeug in der Band.

`From Days Into Darkness` ist inzwischen schon das dritte Album und ist näher dran an EXODUS als seine beiden Vorgänger. Auch hat Codys Gesang deutlich mehr Züge von seinem Vater angenommen und die Ähnlichkeit ist verblüffend. Musikalisch gibt es hier soliden Thrash Metal aus der Bay Area, ohne dass man sich speziell hervorhebt. Alles klingt recht ansprechend und die EXODUS-Vergleiche kleben einem konstant auf der Zunge.

Keiner der neun Songs ist ein Überflieger, aber keiner fällt auch negativ auf. Bay Area-Thrash Metal und sonst nix…

(7,5 Punkte – Jürgen Tschamler )


HELLSCREAM – Hate Machine
2019 (Pure Steel Records) – Stil: Heavy / Power Metal

Die METAL CHURCH ist euer Ort des Gebetes und ihr besitzt ein Rudel von WILD DOGS, die euren `Reign Of Terror` stets beschützen? Dann lasst einen kräftigen HELLSCREAM los und steigt ein in deren aktuelle `Hate Machine`, denn ihr werdet es nicht bereuen. Es rappelt, es rifft und metalt wie aus der Bibel der melodischen Hartwurst für hartgekochte Eiershouter-Anhänger.

Egal ob rau singend oder irre screamend, Norman Skinner (Voice – u.a. DIRE PERIL) und Dave „Conan“ Garcia (Guitar – CAGE) langen mit ihren US-Jungs richtig in die Vollen und plündern auf gekonnte Weise auch die alten ICED EARTH (`Blood Rite`) und OMEN-Altäre. Das brutalste Geschoss ist hierbei `Zero Recall`, bei dem man meint, den unvergessenen David Wayne aus dem Grabe schreien zu hören. Für das herrlich tief gesungene `Slaves Of The Sand` würde man heutzutage vor Kenny Powell auf die Knie fallen, an der Speed / Thrashgrenze rumpelt das `Payback`. Das ganze packt mich ganz einfach ähnlich wie die letzte RESISTANCE, hat einfach schön Fett auf der Kette und schreit: NOCHMAL!

(8 Punkte – Less Lessmeister)


HOLY TIDE – Aquila
2019 (My Kingdom Music) – Stil: Melodic Heavy Metal

Es gibt neues Kraftfutter für die KAMELOT-Gemeinde mit Ursprung Italien durch Mastermind und Bassist Joe Caputo und seinen Mitstreitern aus Brasilien und Brexitland. Das Debüt enthält alle Ingredienzien, die eine sättigende Mahlzeit für den geneigten Metaller enthalten sollte (Vorher aber die Insulinspritze setzen – Anm. d. Red.): Die fantastische, unaufdringliche Stimme von Fabio Caldera, welcher mit wunderschönen Gesangslinien das Material veredelt, flotte Weisen, Doublebass, leckere Gitarrensoli, passende Keyboards (auch für ein wenig Bombast hier und da) plus illustre Gäste. Unter anderen Don Airey mit herrlicher Hammond auf ´The Shepherd’s Stone´ und Tilo Wolff von LACRIMOSA mit seiner unverkennbaren Eigenart bei dem natürlich (durchaus positiv) aus dem Rahmen fallenden ´Lamentation´.

Es muss nicht immer die Sensation der Neuerfindung des Rades sein, um das Herz zu erfreuen, aber hier tut nichts weh, es nervt nichts und man fühlt sich hinterher richtig gut statt klebrig und missbraucht wie nach mancher Tortur durch den Plastikmüll sogenannter Topseller. Also alles richtig gemacht in der gehobenen Klasse.

(7,5 federleichte Punkte – Less Lessmeister)


CHRISSIE HYNDE WITH THE VALVE BONE WOE ENSEMBLE – Valve Bone Woe
2019 (BMG) – Stil: Rock

Sie gehört zu den intensivsten Stimmen im Rock-Business: CHRISSIE HYNDE.

Man muss ihre Musik nicht mögen, aber ihre Stimme ist unverwechselbar. Sie ist eine der weiblichen Rockgrößen, die viel für Frauen in der Musikszene verändert haben. Nun kommt sie mit einem Album um die Ecke, das einem als Fan nur zwei Möglichkeiten lässt: mögen oder komplett ablehnen.

Mit einem Ensemble hat sie 14 Songs eingespielt, die ganz klar jazzige Züge offerieren, Klassiker von Frank Sinatra, John Coltrane, Brain Wilson etc. Die Interpretationen sind interessant, leben von ihrer Stimme und sind doch nicht jedermanns Sache. Man muss viel Toleranz mitbringen und zudem jazzige Sounds mögen.

Perfekt inszeniert und dennoch nur für Fans mit großem Toleranzhorizont.

(7 Punkte – Jürgen Tschamler )


LEGACY – Demos 1984-85
2019 (Bootleg) – Stil: Thrash Metal

Wieder einmal hat sich einer (oder mehrere Honks?) daran gemacht, ein LEGACY-Bootleg auf den Markt zu schmeißen. LEGACY, spätere TESTAMENT, wie wohl jeder weiß, hatten ja schon öfters das „Glück“. Dieses Mal auf 300 CDs limitiert, die Demos von 1984 sowie 1985, sagt zumindest die Rückseite. Das Booklet besteht aus vier Seiten. Man sieht ein paar Fotos, Flyer und das Artwork des Original Demos. Auf der Rückseite ein Text zur Band. Der Sound? Matschiger Müll. Zudem entspricht die angegebene Tracklist nicht mit den Songs überein. Totaler Murks. Absoluter Dreck an Qualität.

Aber das Allergeilste ist, wer immer das Ding gemacht hat, hat NULL NULL Ahnung, denn vier der acht Songs stammen noch nicht einmal von LEGACY/TESTAMENT! Irgendeine Power Metal-Band liefert hier Songs dazu die NICHTS mit LEGACY zu tun hat! Last die Finger davon. Dafür ist das schwer erarbeitete Geld zu schade. Auch wenn es den einen oder anderen in den Fingern juckt, die Urversionen diverser späteren Klassiker mit unterschiedlichen Musikern zu hören, ihr werdet es bereuen. Dreck.

(Mittelfinger – Jürgen Tschamler)


METUSA – Volltreffer
2019 (Metalville/Rough Trade) – Stil: Folk/Punk

Die ganze Zeit dudelt der Sack, hüpft das Septett in der Hose und im Rock, zu Flöten, Bouzouki und Nyckelharpa, um die Wette! Die ganze Zeit? Nein, denn irgendwo, an einer Ecke steht der Eine, der mit hängender Hose „Jump! Jump!“ ruft. Bin ich auf einem Mittelalter-Festival gelandet oder in der Bronx? Oder steigen gleich die LENINGRAD COWBOYS Frisur-technisch schnittig aus einem glänzenden Schlitten? Oder sind wir doch bei der Vorgruppe einer Vorgruppe der BROILERS?

Den Tröten-Pegel dürfte der Dienstags-Punker mit ein paar Dosenbier wegkippen können, die gegrölten Refrains kann aber der Mittelalter-Jünger vielleicht nicht bis zum Schluss in seiner Ausgehmontur goutieren. Porno ist hier zumindest Mainstream für die Freaks. Und plötzlich kommt sogar Südstaaten-Feeling auf. Der ´Volltreffer´ versucht es tatsächlich zwölf Mal, ins Schwarze zu treffen.

Musik zum Zelten in Wacken.

(3 Punkte – Michael Haifl)


ROB MORATTI – Renaissance
2019 (AOR Heaven) – Stil: Hard Rock / AOR

Na, jemand in sommerlicher AOR Laune? Die Karriere des guten Rob bei SAGA war nur von kurzer Dauer, aber es gab ein Leben davor und es gibt eins danach (MORATTI, FINAL FRONTIER). Wie der Arsch auf den Eimer passt seine wunderbare, klare, hohe Stimme zu den rockigen gute-Laune-Tracks dieses Solo-Albums.

´You Are The One´ – genau mein Lieber, mit flotten Songs wie diesem, ´Hold On To Love´ oder ´It Hurts To Be In Love´ bleiben wir Freunde und ihr wisst anhand der Titel schon, wo die Reise hingeht. Auch Schmachtfetzen und (80er-)Radiohits wie ´Best Of Me´ oder ´I Dont Want To Wait Forever´ müssen ab und zu sein und tun auch nicht weh, wenn die singende Gitarre dazu so stimmt wie hier. Mit ´Mandy Come Home´ zeigt er dann noch den Kollegen von TOTO, dass sie Lieder über Ladies nicht alleine patentiert haben.

Für JOURNEY-Fans, die nicht komplett fixiert sind, ob dieser musikalischen Klasse, knalligen Produktion und griffigen Songs eigentlich ein Muss.

(8 Punkte – Less Lessmeister)


NÉRIJA – Blume
2019 (Domino Records) – Stil: Neo Jazz

In einer kalten Januarwoche in London aufgenommen, dürfen heuer die Blasinstrumente jubilieren. Sie kündigen den Frühling und die Schönheit des Neo-Jazz an. NÉRIJA sind ein in London residierendes Septett, das sich über die TOMORROW´S WORLD-Organisation kennengelernt hat. Ihre EP aus dem Jahre 2017 wurde mit dem „Jazz Newcomer Parliamentary Jazz Award“ gewürdigt. Nun haben sich NÉRIJA erneut mit Kwes zusammengetan, der bereits ihre EP abgemischt hat und mit minimalen Overdubs ihr Full-Length-Debüt ´Blume´ sogar produzierte.

Originelle und originale Musik würden sie spielen und vermeiden das Wort Jazz. Dennoch ist es nichts anderes, auch wenn natürlich viele Einflüsse wie Afrobeat und Township-Musik, aber auch Soul, Latin und Funk integriert werden. Und das sind die Namen, die man sich merken sollte, da sie in Zukunft bestimmt auch bei anderen Musikern ihre Auftritte haben werden: Nubya Garcia (Tenor-Saxofon, MAISHA, EZRA COLLECTIVE, SONS OF KEMET), Sheila Maurice-Grey (Trompete, KOKOROKO), Cassie Kinoshi (Alt-Saxofon, , KOKOROKO), Rosie Turton (Posaune), Shirley Tetteh (Gitarre), Lizy Exell (Schlagzeug) und Rio Kai (Bass).

(8 blumige Punkte – Michael Haifl)


RE:DASEIN – re:dasein
2019 (Independent) – Stil: Indie Pop

Derweil sich die halbe Welt in ihrem Online-Treiben auf kleinen Handgeräten hinter Pseudonymen versteckt, wollen RE:DASEIN das wahre Ich des Lebens wieder in den Vordergrund stellen. RE:DASEIN wollen das musikalische Dasein reanimieren.

RE:DASEIN sind Sebastian Muxfeldt (1000 ROBOTA) und Valentin Hebel (ANORAQUE, MONAKO), beide nicht nur in Hamburger-Szenevierteln bekannt. Doch ihr Indie-Pop ist eine Neuprogrammierung. Keiner von den beiden Herren schaut auf die eigene Vergangenheit zurück. In der Zukunft liegt das Glück, auch das der Musik.

RE:DASEIN zeigen Musik im KI-Zeitalter, die sich wieder zur Schönheit ihrer Ursprünge einfindet: ´Christmas3´ ist ein US-Indie-Rock-Song, der – durch die Schleifmaschine getrieben – mit verfremdetem Gesang sowie der Langsamkeit der Gefühle spielt. Zu ´Ginjo´ traut sich eine Gitarre zur Vokoder-Stimme anzutreten. Dem will der ´King Kong´ in nichts nachstehen. Eine verstellte Stimme zeigt die aktuelle Dystopie der Menschen hinter ihren Tarnschilden. Quo vadis?

(7 Punkte – Michael Haifl)


RED DEAD ROADKILL – Sweet Songs of Anguish
2019 (Fastball Music) – Stil: Alternative Heavy Rock / Metal

Na, mal wieder was rockiges auf die Fresse haben wollen, mit kräftiger Ladyvoice? Dann seid ihr hier genau richtig, denn die Hamburger um Frontfrau Radness und den letzten Überlebenden des ursprünglichen ROAD KILLs Bob Lee (Gitarre und dreckige Counterröhre) schweinerocken mit Dean (Gitarre), Sazzy (Bass) und Crash (Drums) so richtig schön los auf ihrem Debüt.

Es knallt, groovt, hat griffige Refrains, starke Gitarrensoli und wenn dann noch zwei extrem zueinander passende Stimmen aufeinandertreffen wie bei ´Hail To The King´ oder ´Good Night´, die Ballade ´Cold´ weit entfernt vom Kitsch fetzt, ´Pretty In Silence´ dermaßen powervoll aus den Boxen dröhnt, ´Thorns Below´ mit Orgel und Riffs glänzt oder der grandiose ´Dying Day´ böse begrowlt wird, hat man alles richtig gemacht. Der poppige Ausreißer ´Somewhere, Mr.Fate´ ist mir persönlich zu nahe am Wunschhit und HEART, aber das muss man auch erstmal schreiben können und für andere mag es ja doch der Ohr-und Hosenöffner sein. Egal, ich muss bei dieser schweinegeilen Scheibe den Regler nach rechts drehen und zwar auf:

(8 rot-wilde Punkte – Less Lessmeister)


BILLY LEE RILEY – Rocks
2019 (Bear Family Productions) – Stil: Rock’n’Roll

Billy Lee Riley (1933 – 2009) war ein amerikanischer Rockabilly-Musiker, Songwriter und Produzent. Seine bekanntesten Hits sind ´Rock With Me Baby´, ´Flyin‘ Saucers Rock And Roll´ sowie ´Red Hot´.

Die „Bear Family“ hat ihm aktuell eine Folge ihrer „ROCKS!“-Serie gewidmet, dem Mann aus Pocahontas, Arkansas, der das Gitarrenspielen von einem dunkelhäutigen Farmarbeiter lernte.

Nach vier Jahren bei der US-Army machte Billy Lee Riley seine ersten Aufnahmen in Memphis, Tennessee. Auf 79 Minuten erhalten wir 35 Einzeltitel, die fast alle von den Original-Masterbändern stammen. Es sind die rockigsten Werke von Billy Lee Riley, hauptsächlich die Aufnahmen für „Sun Records“ zwischen 1956 und 1959. Auch einige Aufnahmen, die er unter Pseudonym aufnahm, sind enthalten.

Hier lebt die Rock’n’Roll-Geschichte auf.

(Michael Haifl)


RIOT V – Live In Japan 2018
2019 (AFM) – Stil: Heavy Metal

Muss man Donnie Van Stavern und seine Jungs noch vorstellen? RIOT V haben sich gerade live in den letzten Jahren einen exzellenten Namen erspielt und das aktuelle Line-up mit Todd Michael Hall als Sänger dürfte zweifelsohne zu den stärksten Line-ups ever gehören.

Letztes Jahr haben sie in Japan zwei Shows in zwei aufeinander folgenden Tagen gespielt und diese mitgeschnitten. Heraus kam `Live In Japan 2018`. Dass die Band und Japan eine enge Verbindung haben, muss nicht extra erwähnt werden. Das Album hat einen klasse Sound, zeigt die Band in bester Spiellaune, wie man sie kennt. Während man auf der einen Disc eine Art Querbeet-Programm liefert wird auf Disc 2 das komplette `Thundersteel`-Album plus drei Überklassiker – `Road Racin`, `Swords And Tequila` sowie `Warrior` – geboten.

Dazu das Ganze fürs Auge, wobei es schon ein bisschen kindisch anmutet, wenn Typen mit „Seal“-Masken auf der Bühne auftauchen. Das macht es schon etwas lächerlich. Ansonsten: exzellenter Mitschnitt von einer Band, die live mit zum Besten und Präzisesten der Szene gehört.

(ohne Wertung – Jürgen Tschamler)


SAIL BY SUMMER – Casual Heaven
2019 (Apollon Records) – Stil: Independent Pop / Rock

Musik macht…euphorisch, traurig, besinnlich, high, nervös, oder einfach nur glücklich. So wie im Falle des norwegischen Sängers William Hut, seinem dänischen Keyboardkollegen Jens Kristian und deren locker-flockigem Output, der einen gewissen A-HA-Effekt mit 80iger-OMD oder YES-light Gitarrenlandschaften-Flair mit zartem Gesang und PETER GABRIEL-Percussion versprüht.

Sie finden jedoch ihre ureigene Farbpalette und malen mit ihrer organischen Musik Bilder von beeindruckenden Musiklandschaften und erreichen trotz aller Kommerzialität eine Eigenständigkeit, an der sich neunzig Prozent der Airplay-Dauerlangweiler nur in ihren kühnsten Träumen verschämt festkrallen dürften. Irgendwo zwischen anspruchsvollem Pop und Rock erhellen die neun Songs die Sinne und man wird einfach nur komplett relaxt, wenn man nicht gerade auf Krawall gebürstet ist.

Anspieltipps sind das traumhaft-verspielte ´Fetch You A Rose´, das treibende ´Facing Dullness´, das mit seiner Indiegitarre cloudbustende ´Corner Kid´, ein wenig MUMFORD & SONS bei ´Low Tide Exit´, das facettenreiche, nach vorne mäandernde ´ Invisible´ und der sanft flowende LOU REED-Reminder ´Lower Your Voice´.

(8 sommerlich ungetrübte Punkte – Less Lessmeister)


SPREAD EAGLE – Subway To The Stars
2019 (Frontiers Records/Soulfood) – Stil: Hardrock

Ach, was lief das selbstbetitelte Debüt der Amis 1990 bei mir heiß. Das war geilster Straßenköter-Rock mit sleazy fucking Vocals. Dazu eine der brachialsten, schnellsten Kick Ass-Nummern der damaligen Zeit: `Suzy Suicide´. Mein Herz war gebrochen. Die Platte läuft jedes Jahr seitdem ein paar Mal.

Mit ihrem Nachfolger haben sie sich ins Aus gekickt. `Open To The Public`, zwei Jahre später, war weit entfernt vom ursprünglichen Sound und Stil, eventuell sogar dem Grunge geschuldet. 2006 hat man sich reformiert und jetzt erst ein drittes Album vorgelegt. Ich hatte Hoffnung, aber die stirbt bekanntlich zuletzt.

´Subway To The Stars` agiert zwischen dem zweiten Album und aktuellem musikalischen Zeitgeist. Recht gesichtslose Mucke. Austauschbar, selbst Sänger Ray West klingt nur wie ein Schatten seiner selbst. Ein blasses Album, welches alle Verbindungen zum legendären Debüt strickt gekappt hat. Schade.

(4,5 Punkte – Jürgen Tschamler)


STRYCHNINE – No Escape…Live Or Die! 84-87
2017 (Lost Realm Records) – Stil: US-Power/ Heavy Metal

Dass die Metal-Szene in den Achtzigern vielseitig und rückblickend enorm groß war, kann man an den aktuellen Veröffentlichungen von wirklich skurrilen Bands sehen. Ich sehe das mit einem lachenden wie weinenden Auge. Denn mal ehrlich, warum haben solche Bands damals keinen Deal bekommen, weil sie zu alltäglich waren, und jetzt werden sie als Helden gefeiert. Nun ja, aber es ist dennoch schön, obskure Truppen mit ihren gesammelten Werken in den Händen zu halten.

STRYCHNINE ist so eine Truppe, die damals voll unterging. Dabei hatten sie alles richtig gemacht. Gute Songs, starker Sänger, klasse Gitarren – aber eben zu durchschnittlich für die damalige Zeit. Da man aus Kent, Washington, nahe Seattle, kam, war man unbewusst unter Erfolgsdruck, denn QUEENSRYCHE, TKO, Q5, METAL CHURCH, etc…waren der Maßstab. Vielleicht hat es deswegen nicht geklappt.

Der eine oder andere Sammler hat eventuell die rare 7-inch oder die Band mal auf `Metal Meltdown Vol. 1`entdeckt. Wer auf klassischen, frühen US-Power Metal steht, der darf hier blind zugreifen. Der Sound ist überraschend gut für dieses sehr alte Material. Die Aufmachung allerdings ist sehr minimalistisch. Und warum man im Mittelteil des Booklets ein Uralt-Interview in französisch abdruckt, das zudem so mies kopiert ist, dass es eigentlich unmöglich ist zu lesen, darf sicher gefragt werden. Für Fans soliden Achtziger US Metal eine gute Anschaffung.

(7 Punkte – Jürgen Tschamler)


V/A DESTINATION MOON – 50 Years – First Man On The Moon
2019 (Bear Family Productions) – Stil: Rock’n’Roll

„…On July 20, 1969, Apollo 11 touched down on the lunar surface, safely delivering Neil Armstrong and Buzz Aldrin — the first humans to land on the moon…“ Und dann der legendäre Satz als Armstrong die „Eagle“ verließ, um auf die Mondoberfläche hinabzusteigen: „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer für die Menschheit!“ Und die BILD-Zeitung titelt: „Der Mond ist jetzt ein Ami“. – Die Welt hat sich seither tatsächlich nicht großartig verändert.

Zur Feier der ersten bemannten Mondlandung, die sich am 20. Juli zum 50. Mal jährte, lässt die „Bear Family“ eine interessante Zusammenstellung abheben. Einige Tonaufnahmen wechseln sich mit außergewöhnlichen Musikaufnahmen ab: Es sind die Worte des US-Präsidenten John F. Kennedy zur Ankündigung dieser Mission im September 1962 wie die von Neil Armstrong am 20. Juli 1969 zu hören. Neben orchestralen Werken für den imaginären Flug ins All (Les Baxter mit ´Lunar Rhapsody´) gibt es seltenes (Glenn Willings ´Race To Space´, Johnny Kay ´Rocket To The Moon´) und obskures (Anita O’Day & The Three Sounds ´Fly Me To The Moon´) zu beklatschen.

Die kalten Zeiten des Wetteifers zwischen den USA und der UdSSR versüßte den Menschen der Rock’n’Roll.

(Michael Haifl)


V/A ANOTHER BANANA SPLIT, PLEASE! (No.2) – More Gems From The Good Old Summertime
2019 (Bear Family Productions) – Stil: Rock’n’Roll/Pop

Bevor wir Euch an den Pool lassen: Jetzt erscheint No.2!?

Ja, es gab nämlich bereits einen ersten Erfrischungsmix aus dem Hause „Bear Family“. Äußerst passend für den Sommer: die Kompilation ANOTHER BANANA SPLIT, PLEASE! – die den Sommer, die Sonne, die kühlen Getränke und die heißen Flirts vorlebt – alles im Angesicht des Rock ’n’ Roll, Rhythm ’n’ Blues und Pop.

Handverlesene Songs entstammen den Jahren 1938 bis 1962 und liefern zudem einige Raritäten mit in den Player. Natürlich gibt es den legendären ´Summertime Blues´ von Eddie Cochran in der US-Single-Version, selbstredend den ´Itsy Bitsy Teenie Weeny Yellow Polkadot Bikini´ von Brian Hyland, oder Jerry Kellers ´Here Comes Summer´, Brian Hylands ´Summer Job´, aber auch 1938er Aufnahmen von Herb Alpert sowie die frühe Version von ´Tutti Frutti´ aus dem Hause Slim Gaillard & Slam Stewart.

Wer jetzt bereits vor Aufregung am ganzen Körper zittert, sollte aus dem Pool steigen. Die Wassertemperatur ist aktuell sowieso nicht mehr bei 32° Celsius.

(Michael Haifl)

 


 

 

 

 

Es grüßt Euch alle
Michael und das gesamte Streetclip-Team

 


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