PlattenkritikenPressfrisch

THE SAMURAI OF PROG – Omnibus: The Early Years

~ 2018 (Seacrest Oy/Just For Kicks Music) – Stil: Progressive Rock ~


Das Rock-Kollektiv THE SAMURAI OF PROG hat sich schlichtweg das passende Neujahrsgeschenk für Euren Rezensenten ausgedacht, da bedarf es gar keiner Sektkelche beim Neujahrsempfang. THE SAMURAI OF PROG präsentieren in einer Box ihre ersten drei, längst ausverkauften Alben, die in dünnen Gatefold ähnlichen Hüllen mit der Zugabe eines prallen Booklets in der kleinen Box untergebracht wurden. 

Genau diese drei Werke fehlen auch demjenigen, der ebenfalls erst 2016 mit ‚Lost And Found‘ auf die Gruppe um den Kammermusiker Marco Bernard sowie Kimmo Pörsti und Steve Unruh aufmerksam wurde. Ursprünglich 2008 von Marco Bernard hinsichtlich eines Musikprojekts für die Finnish Progressive Association ins Leben gerufen, stießen alsbald die beiden anderen Herren zur endgültigen Gründung der finnisch-italienisch-US amerikanischen Connection hinzu. Anfangs standen überwiegend Cover-Versionen, neben einigen Eigenkompositionen, im Vordergrund. Das Verhältnis änderte sich jedoch im Laufe der Jahre und THE SAMURAI OF PROG verfielen Fremdkompositionen nur noch bei ausgefallenen oder aus der Musikhistorie ausgegrabenen, unveröffentlichten Schätzen.

Die drei Werke aus den Jahren 2011 bis 2014 wurden mit Bonustracks randvoll aufgefüllt, so dass sich bei Erstkontakt 38 Songs auf über fünf Stunden Spielzeit offenbaren. Die ersten beiden Alben erklingen zudem vollständig remixed. 

Für das Debüt ‚Undercover‘ spielen THE SAMURAI OF PROG die Songs ihrer zumeist alten Helden mit einer eigenen Note ein, ohne die fühlbare Ursprungsstimmung zu verleugnen. Zum GENESIS-Classic ‚The Lamia‘ gesellt sich Roine Stolt zur Band, ohne bei seiner eigenen Komposition ‚World Of Adventures‘ anwesend sein. Steve Unruh schafft es einerseits der Intonation von Peter Gabriel zu folgen, als auch Fish in ‚Assassing‘ nicht auf den Schlips zu treten. Sehr gelungen dargeboten. Fantastisch natürlich Jon Davison, der sich mit ‚Starship Trooper‘ für den Posten am Mikrofon bei YES empfiehlt, den er tatsächlich ein Jahr später offiziell einnimmt. Neben dem Gedicht von William Blake „And did those feet in ancient time“, das mit der Musik von Hubert Parry (1916) als die Hymne ‚Jerusalem’ bekannt geworden ist, natürlich auch von ELP, widmen sich die Samurais dem PINK FLOYD-Epic ‚Dogs‘ sowie eigenen Songs, wie etwa Kimmo Pörstis langem Instrumentalstück ‚The Promise‘.

Auf ‚Secrets Of Disguise‘ aus 2013 halten sich die Eigen- zu den Fremdkompositionen noch nicht die Waage. Verwundert lauschen wir ‚Three Piece Suite’ (ENGLAND), ‚Descenso En El Maelstrom‘ (CRACK) oder ‚Traveler‘ (PFM), aber auch ‚Dancing With The Moonlit Knight’ (GENESIS), ‚Aspirations‘ (GENTLE GIANT), ‚One More Red Nightmare‘ (KING CRIMSON) oder  ‚Darkness’ (VAN DER GRAAF GENERATOR) und ‚Jacob’s Ladder‘ (RUSH) – schließlich traut sich nicht jedermann an diese Werke. Das Doppel-Album glänzt zudem mit einer erweiterten Gästeschar, u. a. Mark Trueack, Jon Davison und Phideaux Xavier. Multinational aufgestellt kommen neben sinfonischen und jazzigen Eigenleistungen auch folkige in ‚Sweet Iphigene‘ zum Vorschein. Ohne die althergebrachten Songs krampfhaft zu modernisieren, werden sie aus dem Kontext verstaubter Zeitalter herausgeholt. Todd Rundgrens erzählende UTOPIA-Geschichte ‚Singring And The Glass Guitar’ wird mit ihren ins Ohr fallenden Melodien auf über 23 Minuten zelebriert, die „Stories of H. P. Lovecraft“ werfen dagegen den Viertelstünder ‚The Case Of Charles Dexter Ward‘ von Steve Unruh ab. Die Samurais werden weit anspruchsvoller.

‚The Imperial Hotel‘ ist das dritte Album in der Karriere von SAMURAI OF PROG, im Jahr 2014 ihr vorläufiges Meisterstück. Fünf, zumeist längere Kompositionen greifen erstmals nicht mehr auf das kompositorische Geschick bekannter Prog-Legenden zurück. Den schwertschwingenden Samurais stehen Alan Shikoh, David Myers u. v. m. zur Seite. Natürlich durchbrechen YES und GENTLE GIANT gerne den bandtypischen Sound. Ohne alte Fremdkompositionen ertönt der anspruchsvolle Opener ‚After The Echoes’ des in diesem Song mitspielenden Keyboarders Octavio Stampalia (JINETES NEGROS) – und Steve Unruh zeigt Jon-Anderson-Fähigkeiten. ‚Limoncello’ dürfte der eine oder andere Hörer von dem Kompilation-Werk ‚Decameron Part II’ kennen, geschrieben von Robert Webb (ENGLAND). Ebenfalls von diesem der Titelsong, der ein Longtrack der Güteklasse GENESIS und JETHRO TULL darstellt. ‚Into The Lake‘ stammt schließlich von Keyboarder/Sänger Linus Kåse (BRIGHTEYE BRISON). Mit dem Album ‚The Imperial Hotel‘ zeigen THE SAMURAI OF PROG in Perfektion die Möglichkeit auf, Musiker einzuladen, die obendrein die notwendigen Kompositionen mitbringen.

Für Freude von SAMURAI OF PROG und Bewunderer von Kunstdarbietungen …

(Essentiell)