Livehaftig

SULPHUR AEON, CHAPEL OF DISEASE, NEKROVAULT

~ Ván Records Triple CD Release Show, 22.12. 2018, Club Volta, Köln ~


Was für ein Abend! Zehn Minuten vor Abfahrt der letzten möglichen Verbindung nach Köln ergattere ich dank Social Media schliesslich doch noch eine Karte und werfe der DB dafür einen Hunni in den ICE-Rachen. Das ist es mir aber allemal wert, DIESE Triple-Release-Show kann ich einfach nicht verpassen. Doch was war zuvor geschehen? Der neu eröffnete, richtig schön im Industriekultur-Stil gehaltene Club Volta musste „dank“ erhöhter Sicherheitsauflagen die Gästeliste kurzfristig stark zusammenstreichen, was die Eintrittssituation dieses seit vielen Wochen ausverkauften gepflegten Todesblei-Events nochmals stärker anspannte. Egal, irgendjemand konnte schliesslich doch nicht kommen und dafür bekam ich noch meine Chance, von NEKROVAULT, nach 250 km Anreise, jedoch gerade mal die anderthalb letzten Songs mit. Man berichtete mir von MORBIDs ‚Necrodead‘ als Cover auf der heute veröffentlichten 7“ der Memminger/innen, ‚Cursed By Ascended Darkness‘, und mit ihrem düsteren, oldschooligen Death Metal schaffen die Youngsters es offensichtlich locker, die versammelte Meute so langsam auf Betriebstemperatur zu bringen.

 

 

Nach einer zügigen Umbaupause steht jedoch nun die Band auf der Bühne, die für mich heute der Hauptgrund meiner Anreise ist: CHAPEL OF DISEASE. Die neue Wunderscheibe der Kölner, ‚… And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye‘, hat mich dermassen gepackt (siehe unser Review hier bzw. meine Top 3 aus 2018), dass ich sie unbedingt in kleinem Rahmen intensiv live hören möchte. Und diesen Gefallen tun mir die Jungs auch ungebeten – sie steigen direkt mit ‚Void Of Words‘ ein und entfalten bei geradezu perfekter Unterstützung am Mischpult ein Kaleidoskop an Klängen, das den Death Metal-Kosmos zwar nicht vollständig verlässt, aber um so viele neue Nuancen erweitert, dass es schwer fällt, sich zu entscheiden zwischen Headbangen oder einfach nur mit geschlossenen Augen schwelgend und staunend dazustehen und leise mitzuschwingen. Beides ist zu dieser wunderbaren Schöpfung möglich – kraftvoll, treibend, vielschichtig, progressiv, rhythmisch fordernd und vor allem voller Melodien aus den Händen aller drei beteiligten Saitenhexer, allen voran natürlich Frontmann Laurent Teubl. Mit seinen perlenden, bluesigen Leads, die direkt aus dem Königsklasse-Classic Rock der 70er herübergeweht scheinen, gerade beim Traumsolo des letzten Drittels scheint er wie von WINTERHAWKs Jordan Macarus beseelt, bis hin zum Vintage-Sound seiner Les Paul.

Auch der fliessende Übergang zu meinem Lieblingshit dieser wunderbaren Platte gelingt, und natürlich lassen sich die Headbanger nicht entgehen, den Refrain mitzuschreien: „We are oblivious, and obnoxious, yet defiant„, und auf der Bühne brennt die Band ein vorgezogenes Silvesterfeuerwerk ab, heute passt für die Kölner einfach alles.

Zurück zum zweiten Album ’The Mysterious Ways Of Repetitive Art’ geht es nun mit ’Dreaming Of The Flame’, und trotz des völlig unterschiedlichen Charakters dieses dissonant-harschen Death-Doomers sind doch auch deutliche Anknüpfungspunkte an das neue Material zu finden, was kurz danach zu Beginn von ’Symbolic Realms’ vom selben Album noch ohrenfälliger wird, bevor der thrashige Furor den Mittelpart übernimmt. Die Menge vergöttert die Jungs auf der Bühne, die ihnen genau das liefern, worauf sie gehofft haben.

Man merkt den Teubl-Brüdern und ihrer Rhythmusmannschaft trotz der Konzentration auf das grandiose neue Material die Freude, es live umzusetzen, deutlich an, Cedric bangt, soviel nur geht, während er mit Laurent eine Rifforgie abzieht, David gibt dazu das mächtige Uhrwerk und Christian webt seinen Groove darüber, so dass eine ursprünglich klassische Death Metal-Band auf einmal zu swingen beginnt. Sämtliche grossen Songs der neuen Scheibe werden makellos und mitreissend gebracht, und mit ’The Sound Of Shallow Grey’ endet ein grossartiger Auftritt viel zu schnell. Schade nur, dass es keinerlei Rufe nach Zugaben gibt, das hätte ewig so weitergehen können, doch die dritte Ván Records-Band steht ja bereits in den Startlöchern.

 

 

Setlist CHAPEL OF DISEASE, Köln 22.12.2018

Void Of Words
Oblivious, Obnoxious, Defiant
Dreaming Of The Flame
Song Of The Gods
Symbolic Realms
Null
The Sound Of Shallow Grey

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Es ist mir selbst unverständlich: die dritte heute live vorzustellende Scheibe (Review siehe hier) hat bei mir trotz extremer heavy rotation in den vergangenen Wochen und unbestrittener kompositorischer wie musikalischer Qualität bisher noch nicht wirklich zünden können, ich sehe dem SULPHUR AEON-Gig daher mehr als gespannt entgegen. Und bin selbst fasziniert von dem, was mit mir nun passiert – fast augenblicklich zieht mich der Albumopener ’Cult Of Starry Wisdom’ so dermassen in seinen Bann, dass ich ehrfürchtig Lyrics, deren Kenntnis mir nicht einmal bewusst war, mitstammele, und natürlich gemeinsam mit vielen Stimmen das Kriechende Chaos anrufe: „IA! IA! Nyarlathotep!“. T.s und A.s Schwestergitarren lobpreisen seine Herrschaft gemeinsam, bevor mit ’Yuggothian Spell’ der erste brachiale Nackenbrecher auf uns wehrloses Publikum niederprasselt. Wer jetzt nicht in Bewegung ist, wurde offenbar bereits von den Grossen Alten niedergemetzelt…

M.s neuer Klargesang sticht auch live sehr positiv heraus und verstärkt das beschwörende Element der neuen Platte, die vollständig durchgespielt wird. Und was ist das für ein Ritt! Nicht nur auf der Bühne sieht man kaum noch ein Gesicht vor lauter umherschwingender Haarpracht, das Wogen und Beben setzt sich genauso im Zuschauerraum fort.

Und mitten hinein in diesen ekstatischen Wahnsinn platzt mein Überhit des Albums, das mäjestätisch-stampfende ’The Summoning Of Nyarlathotep’, und es gibt endgültig kein Halten mehr, wir sind gefangen zwischen sternenhohen Riff-Kaventsmännern und den Elementen schutzlos ausgeliefert, hängen M. an den Lippen und noch viel mehr T. an den Saiten…nun heisst es nur noch alles loslassen und tief, tief eintauchen! Das göttliche Finale reisst uns hinaus ins Universum, kaum kann man danach noch mal Luft holen zwischen den noch folgenden drei Songs dieses Meisterwerkes, zwischen stellarer Dissonanz und himmlischen Harmonien, Breitwandepik und Detailverliebtheit der Kompositionen.

Der Sound ist auch jetzt wunderbar klar und weit, der Club hat eine einwandfreie Akustik, egal ob Prügelpassagen oder filigrane Soli, alles erfreut Ohr und Großhirnrinde. Und irgendwann sind wir beim abschliessenden Titelsong angelangt, durchgeschwitzt und geschafft, japsen wir mittlerweile doch durch Kiemen statt Lungen, doch wir geben nicht auf und fordern Nachschlag!

Drei Zugaben spendieren die Lovecraftians ihren Jüngern noch, und natürlich werden auch die allenthalben erschallenden „Gateway!!!“-Rufe erhört, und mit ’Onwards… Towards Kadath!’ geht ein mitreissender und trotzdem auch familiärer Abend zuende, hier und da wird noch ein Schwätzchen gehalten oder man verabredet sich für später im nahegelegenen Valhalla Metal Pub für einen letzten Absacker, bevor sich alle wieder in sämtliche Himmelsrichtungen zerstreuen. Eine junge verpasst, aber zwei Bands auf dem Höhepunkt ihrer Kreativität erleben dürfen, das ergibt eines der Konzerte des Jahres, ganz kurz vor dessen Abschluss – was für ein Glück, doch noch dabei gewesen zu sein!

Setlist SULPHUR AEON, Köln 22.12.2018

Cult Of Starry Wisdom
Yuggothian Spell
The Summoning Of Nyarlathotep
Veneration Of The Lunar Orb
Sinister Sea Sabbath
The Oneironaut – Haunting Visions Within the Starlit Chambers of Seven Gates Lungs Into Gills

Thou Shalt Not Speak His Name (The Scythe Of Cosmic Chaos)
Zugaben:
Swallowed By The Oceans Tide
Gateway To The Antisphere
Onwards… Towards Kadath!