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SULPHUR AEON – The Scythe Of Cosmic Chaos

~ 2018 (Ván Records) – Stil:  Epic Death Metal ~


Mal eine Frage an die hier versammelte Gemeinde: wann hat Musik die stärkere Wirkung auf Euch – als Platte, Stream oder was auch immer, oder aber live genossen? Wann spürt ihr den grösseren Nachhall, was frisst sich euch so richtig in die Hirnwindungen? Das zu erörtern wäre ja schon fast wieder eine Umfrage wert…

Nun, mir wurde gerade wieder bewiesen, dass ich zu letzteren Musikfans gehöre. Wochenlang habe ich ernsthaft verzweifelt um Zugang zu den abyssalen Tiefen des neuesten Werkes der Lovecraft-Jünger gerungen, jedoch – es war, als ob mir monströse Tentakel die Ohren zuhielten, es drang nichts so recht zu mir durch. Doch als sie dann bei der Releaseparty in Köln (Livebericht dazu hier) breitbeinig vor mir standen und das fast vollständige Werk, jetzt, im Moment erschaffen, leibhaftig in meine Gehörgänge träufelten, dann, ja dann endlich habe ich es endlich gespürt: auch die dritte ist eine wahrhaft große Platte!

Nur – was war  zuvor das Problem? Natürlich waren die Erwartungen nach ’Gateway To The Antisphere’ allerorten so riesig wie das Tor zu Cthulhus gemütlicher unterseeischer Heimstatt, und obwohl die Rheinländer den logischen Nachfolger dazu präsentiert und nach den ersten Höreindrücken nur minimal an den bisherigen Einstellungen gedreht haben, die Platte erschloss sich mir einfach nicht. Dabei ging es nicht mal um das, was ein Die-Hard-SULPHUR-Fan in Hinblick auf die Releaseshow sagte: „Alles, was kein Geballer ist, ist von der neuen Platte“ – sicher, sie ist runder, noch komplexer und melodisch ausgefeilter, M. hat zu seinen vielfältigen vokalen Ausdrucksmöglichkeiten nun auch noch ausgiebig Klargesang dazugepackt, aber kraftvoll drauflosgeballert wird natürlich auch weiterhin (‚Veneration Of The Lunar Orb’, ‚The Oneironaut – Haunting Visions Within The Starlit Chambers Of Seven Gates ’).

 

 

Trotzdem, auf Konserve gehört spürte ich stets eine Art unüberwindlicher innerer Distanz. Aha – es ist also eine emotionale Geschichte! Fehlt mir irgendwas? Kaum möglich, denn es ist ja weiterhin alles gewohnte da: der latente, schwermütige Doom-Einschlag, das dissonant-lethargische der Grossen Alten, die in schwarzmetallischer Repetition tief in R’lyeh vor sich hinschnarchen, D.s mächtige Blastbeat-Perkussion in Kombination mit S.‘ perlendem Bass, aus großer Tiefe hervorsteigende, singende Doubleleads – diesmal jedoch gerne auch zweistimmig und Dank Michael Zechs grandioser Produktion stark hervorstechend, und vor allem T.s ausgefeilte Kompositionen – mit Rhythmik spielend, die Spannung an- und abschwellen lassend, mystisch. Und schon das erneut beeindruckende Ola Larsson-Artwork deutet es an: Cthulhu ist aufgewacht, hat seine unterseeische Heimstatt verlassen, um seine grauenvolle Herrschaft unter den Sternen auszuüben, und das hört man auch, die Stimmung hat sich seit ’Gateway’ verändert, was durch diverse neue beziehungsweise verstärkt eingesetzte Elemente ausgedrückt wird.

 

 

Und genau da liegt offenbar der Hund begraben! Es mag ketzerisch klingen, doch was es uns überzeugten Metal-Extremsportlern möglicherweise schwer macht, ist der durchwegs gestiegene Anteil an klassischem bis epischem Heavy Metal, was natürlich die Zielgruppe der Ok-Kultisten nochmals erheblich erweitern wird, die Todesbleifraktion jedoch in einen inneren Zwiespalt führt: ist das noch (genug) Death Metal, oder kann das weg?

Auf keinen Fall, was gleich mehrere Top-Hits beweisen: die erste Nyarlathotep-Anrufung ‘Cult Of Starry Wisdom’, ein Ohrwurm sondergleichen, das majestätische, auf stampfendem Wellengang aufbauende ‘Yuggothian Spell’, der „IA! IA!” – Singalong ‘Lungs Into Gills’, sowie der gewaltige Abschluss des Werkes mit ’Thou Shall Not Speak His Name (The Scythe Of Cosmic Chaos)` – was für ein Drumming! Was für Vocals!

Mein absoluter Favorit ist jedoch die zweite, eruptiv-rollende ’The Summoning Of Nyarlathotep’- Beschwörung, mit ihrer stellaren, vielschichtigen Saitenarbeit ist sie geradezu eine symphonische Vertonung des Kriechenden Chaos, der Schlussteil mit seinen Traumleads beschert mir zuverlässig eine wie mit Saugnäpfen festklebende Ganzkörpergänsehaut. Und zwar seit der Release-Show-Vollbedienung mehrfach täglich…gepflegte Epik kann also doch einen über viele Jahre gepflegten Bleipanzer durchdringen.

 

Mein Fazit: SULPHUR AEON haben sich beim Aufstieg aus der Tiefe endgültig von Genrebeschränkungen befreit und wiederum neu erfunden. Sie verkörpern noch mehr als zuvor den Mythos der Grossen Alten. Die Macht ist auf ihrer Seite.

(9 düstere Sterne)

 

 

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