Livehaftig

ULI JON ROTH – 50th Anniversary Concert

~ 14. Dezember 2018, 7er Club Mannheim ~


Einer meiner Lehrer sagte immer, man müsse nicht alles wissen, man muß nur wissen, wo man etwas lesen kann. So ähnlich ist es mit Musik. Niemand kann alles kennen. Es kann natürlich auch biografische Gründe haben, vielleicht war man (also ich) zur richtigen Zeit am falschen Ort, also gab es keine Möglichkeit, etwas kennen zu lernen. Oder man war am richtigen Ort, aber das Interesse fehlte ganz einfach. 

Nur wenn man sich ein wenig Offenheit bewahrt, besteht allzeit eine Gelegenheit für Neues. So ging es mir in diesem Jahr schon öfters, dass ich zu Konzerten ging, ohne einen Ton zu kennen – und habe so viele neue Sachen für mich entdeckt.

Heute wurde ich gefragt, ob ich das Merchandise verkaufen könnte – für Uli Jon Roth. Ich weiß natürlich, wer Uli ist, welche Bedeutung er hat, als Songwriter und vor allem als Gitarrist, kenne aber nur die alten SCORPIONS-Scheiben.

Im 7er angekommen, treffe ich Uli, der mir sein Merch anvertraut, Backstage. Während ich den Stand einrichte, erlebe ich den Soundcheck. Beeindruckend, Uli beim Spiel zuzuhören. Beeindruckend aber gleichzeitig auch das Musikerleben, das vor Ort zu großen Teilen aus Warten, Soundcheck und abermaligem Warten besteht…

Als sich gegen sieben Uhr die Türen öffnen, füllt sich der Club relativ zügig. Ich habe etwas Zeit, die Leute zu beobachten. Viele kennen sich, es gibt Begrüßungen, Getränke werden geholt, das Merch begutachtet. Auch ich werde von dem einen oder anderen Gast begrüßt, ehe sich der Club um 20 Uhr verdunkelt: Showtime.

Das Konzert ist in vollem Gange, eröffnet an diesem Abend von ´Sky Overture´, einem beeindruckenden Instrumentalstück. Heute vor 50 Jahren hatte Uli seinen ersten Auftritt, das wird würdig gefeiert. Damals konnte er, wie er launig erzählt, kaum laufen, aber schon spielen. Heute kann er noch weniger laufen, aber immerhin spielen.

Technische Startschwierigkeiten, die Gitarre hat er erst gestern neu erworben, werden mit Witzeleien überspielt. Trotz aller Virtuosität – und virtuos ist, was Uli auf der Gitarre abliefert – steht immer der Song im Vordergrund. Rock, Blues und Klassik, bei ´Why´ ist ganz klar Bach heraus zu hören, gehen miteinander eine Bindung ein. Verschiedene Stimmungen zwischen laut und leise bis hin zu Lärm in ´Enola Gay – Hiroshima Today?´ werden ausgereizt. Nach einer kurzen Pause folgt ein Akustiksolo, das für Nichtgitarristen eher unspannend ist. Ansonsten bemerkt man Reaktionen zwischen andächtigem Zuhören, Kopfnicken und Party machen. Auch ein Stück seines ersten Auftritts steht auf dem Programm, ´Apache´ von den SHADOWS.

Insgesamt ist zu bemerken, dass bei allen Anwesenden Songs der Scorps bekannter sind. Bei ´In Trance´ hört man die stimmliche Ähnlichkeit des Sängers zu Klaus Meine. Es folgen ganz zum Schluss noch zwei Stücke von Jimi Hendrix, ´All Along The Watchtower´ und ´Little Wing´. Eine geforderte Zugabe wird auch nicht verwehrt, womit ein legendärer Abend dem Ende entgegen strebt.

Es ist Viertel nach elf. Nach drei Stunden Spielzeit steigt jetzt der Umsatz am Merch. Die Frage, die jetzt die Besucher bewegt: kommt der Meister noch mal raus? Ja, er kommt. Mit einem Glas Rotwein nimmt er sich weitere fast zwei Stunden Zeit für Autogramme, Fotos und Gespräche. 

Aus der Perspektive, die ich heute inne hatte, ist ein Konzert noch einmal ein völlig neues Erlebnis. Ein großer Spaß, den Abend mit Uli Jon Roth und seinen Zuhörern zu verbringen. Zudem habe ich die Erkenntnis mitgenommen, wie viel Geduld und Nerven ein Musiker braucht, wenn ein Konzert längst beendet ist.