PlattenkritikenPressfrisch

COVEN – Witchcraft Destroys Minds & Reaps Souls

~ 1969/2018 (Real Gone Music) – Stil: Psychedelic Rock / Occult Rock ~


Mit „Pressfrisch“ kann im vorliegenden Fall nur das Re-Release bezeichnet werden, welches gerade erst am 12. Oktober 2018 via „Real Gone Music“ in einer Auflage von 1.200 Stück das Licht der Welt erblickt hat, denn die Erstveröffentlichung wird im nächsten Jahr bereits vor sage und schreibe 50 Jahren das Presswerk verlassen haben.

Glaubt man dem Aufkleber auf der Scheibe, dann ist dies die erste legitimierte Auflage nach dem Original bei „Mercury Records“ von 1969, welches nicht mehr unter 100-150€ zu haben ist. Demzufolge wäre das 2003er Release vom italienischen Label „Akarma“ ein Bootleg. Man hat mir aber mitgeteilt, dass dieses Re-Release eine sehr ordentliche Aufmachung und einen sehr guten Klang hat. Aber natürlich kann das mit dem ersten legitimen Re-Release seit 1969 nicht ganz richtig sein, denn die Band hat unter dem eigenen Label „Nevoc Music“ ihr Debüt bereits auf Konzerten (und nur da) verkauft. Allerdings wollte die Band (wohl eher die Chefin Jinx) auf dem „Hammer Of Doom“, wo ich sie live erleben durfte, 35€ für die von Jinx signierte Scheibe haben. Das war mir dann doch etwas viel. Allerdings musste ich später voller Überraschung feststellen, dass die auf 300 Stück orangenem Vinyl gepresste Auflage von „Nevoc“ auf einschlägigen Plattformen im Internet für 200€ (!!) angeboten wird und auch die hier besprochene Pressung im normalen Handel aktuell nicht unter 32 € zu haben ist.

Da sich COVEN bereits 1967 in Chicago formierte, wundert es nicht, dass Sängerin Esther „Jinx“ Dawson am 13. Januar nächsten Jahres bereits 69 Jahre alt wird. Somit ist sie in der Rocksängerinnen-die-auch-noch-im-hohen-Alter-auf-der-Bühne-stehen-Liga Jutta Weinhold (aktuell 71 Lenze jung) dicht auf den Fersen. Rechnet man nach, stellt man außerdem fest, dass Jinx ein Teenager mit gerade mal 17 Jahren war, als sie die Band zusammen mit Greg „Oz“ Osborne am Bass und Drummer Steve Ross gründete. Musik lag ihr im Blut und da sie aus einer wohlhabenden Familie stammte, begann sie bereits als Kind eine Ausbildung als Opernsängerin. Bereits mit dreizehn Jahren gründete sie eine Band und tingelte ein paar Jahre mit Rock’N’Roll-Bands in ihrer Heimatgegend umher, bevor sie auf Greg und Steve traf. Wer sonst noch wann zur Band gehörte ist schwer zu sagen. Zumeist werden Gitarrist Chris Neilsen und Keyborder Rick Durrett als erstes genannt. Letzterer wurde bald durch John Hobbs ersetzt und ersterer wird zumindest auf der ´Witchcraft´ erwähnt, obwohl Jim Donlinger, der die meisten Stücke komponierte, bereits durch eine Empfehlung des Produzenten Bill Traut in die Band gekommen war.

In COVEN konnte Jinx ihren Hang zum Okkulten ausleben (Sie selbst erzählt, dass sie einer „Left-Hand-Path“-Familie entstammt, einer Glaubensrichtung, die dem „rechten Glauben“ gegenübersteht) und spickte ihre Auftritte mit jeder Menge satanischer Symbolik. Nicht nur eine satanische Messe wurde auf der Bühne zelebriert, sondern auch das Petruskreuz aufgestellt (Ein Roadie mit Lendenschurz hängte sich als Jesus ans Kreuz und drehte dieses um, nachdem er am Ende des Stückes davon abgestiegen war). Zu den Auftritten gehörten ebenfalls die satanischen Hörner (Satansgruß etc.), die auch auf dem Cover, zusammen mit Totenschädeln und umgedrehten Kreuzen, zu sehen sind. Dort recken alle abgebildeten Personen (außer Jinx, die liegt nämlich nackt auf einem Altar) die Pommesgabel in die Luft. Da die Scheibe wie angemerkt bereits 1969 erschien, passierte dies demzufolge lange bevor Dio (das müsste dann sogar vor seiner Zeit bei ELF liegen), Gene Simmons (er spricht von einem Konzert im Jahre 1974) oder wer auch immer das für sich in Anspruch nehmen könnte. Dann noch am ehesten John Lennon! Jawohl, denn auch wenn er dabei den Daumen abwinkelt, so ist er auf dem Cover der 1966er Single ´Yellow Submarine/Eleanor Rigby´ mit genau dieser Geste dargestellt.

Was folgte waren gemeinsame Konzerte mit Alice Cooper, MC5 den YARDBIRDS, VANILLA FUDGE … und 1970 mit BLACK SABBATH, obwohl Tony Iommi in einem 1986 gegebenem Interview behauptete, COVEN nicht zu kennen. Zwar heißt ein Mitglied von Coven „Oz“ Osborne und nicht Osbourne, aber es ist dennoch bemerkenswert, dass der Opener auf dem Debüt beider Bands jeweils den Titel ´Black Sabbath´ trägt. Wohlgemerkt, das Debüt der Band aus Birmingham erschien ein Jahr nach dem der Band aus Chicago!

Man kann zu der Musik und dem Image stehen wie man will, aber Tatsache bleibt, dass sich die Band mit ihrem Debüt in die Musikannalen eingetragen hat. Nicht vorrangig musikalisch, aber sehr wohl musikhistorisch, denn COVEN kann ohne Zweifel als Ur-ur-ur-Großmutter aller aktuellen Retro-Occult-Rock-Doom-irgendwas Bands bezeichnet werden. Und ich muss sagen, dass einem die Musik von COVEN und der Gesang von Jinx auch noch nach so vielen Jahren in den Bann ziehen können, zumindest mich. Ich hatte wie bereits erwähnt vor kurzem das Vergnügen, COVEN live zusehen, wo sie einen sehr kurzweiligen und qualitativ guten Gig hingelegt haben. Dem Vernehmen nach einen besseren, als bei manch einem vorangegangenen Auftritt. Bemerkenswert ist, dass der erste Auftritt auf europäischem Boden erst am 20. April 2017 in Tilburg während des „Roadburn Festivals“ stattfand. Von der Originalbesetzung war allerdings außer Jinx niemand mehr dabei.

Die Pressung von „Real Gone Music“ kommt sehr schön daher. Schweres purpurrotes Vinyl und ein, ich nenne es mal Dreifachcover (man kann eine Textseite umblättern), mit dem Originalartwork, Texten (inkl. denen der satanischen Messe) in ordentlichem Karton. Auch die Klangqualität ist über jeden Zweifel erhaben.

Die Musik ist typisch für das Jahr 1969 – sehr hippiesk. Wäre da nicht der satanische Firlefanz drumherum (und die Texte), dann wäre das eine ganz normale Scheibe aus jener Zeit mit einer starken Anlehnung an solche Bands wie BLUE ÖYSTER CULT und JEFFERSON AIRPLANE. Nicht umsonst wird die Stimme von Jinx gerne mit der von Grace Slick verglichen. Damit wir uns richtig verstehen, ich mag diese Art von Musik. Ich bin mit den DOORS, Jimi Hendrix, JEFFERSON AIRPLANE, aber auch mit Arthur Brown, VELVET UNDERGROUND und Co. aufgewachsen. Wer also wie ich diese Musik jeden Tag im Radio gehört hat, wenn er von der Schule gekommen ist, der wird seine helle Freude daran haben. Es gibt eine Menge toller Stücke auf dieser Scheibe von denen ich vor allem den Opener ´Black Sabbath´, ´Pact With Lucifer´ und ´Wicked Women´ hervorheben möchte. Jinx erzählt, dass die Gesangsparts stark von ihrer Opernausbildung geprägt sind und die Stücke von dieser Scheibe sie daher heute live vor eine echte Herausforderung stellen. Und will man ihre kraftvolle Stimme (man höre sich nur mal ´Pact With Lucifer´ oder ´Wicked Woman´ an) mit der einer aktuellen Sängerin vergleichen, dann kommt mir gleich Elin Larsson von BLUES PILLS in den Sinn.

Ich persönlich hätte aber keine satanische Messe auf der Scheibe benötigt, die man sich höchstwahrscheinlich nur ein einziges Mal im Leben anhören wird (Der Text ist übrigens vollständig auf dem Cover abgedruckt). Die mehr als 13 Minuten auf der Scheibe hätten noch für 3-4 Lieder gereicht. Aber man muss das ganze natürlich im historischen Kontext betrachten, denn angeblich handelt es sich hierbei um das erste Mal, dass eine satanische Messe (inklusive ganzer Passagen in lateinischer Sprache und Formeln wie z.B. „Gloria Satanas“ und „Ave Satanas“) auf einen Tonträger gebannt worden ist. Allerdings tritt ein wenig Ernüchterung ein, sobald man feststellt, dass die satanische Messe vom Produzenten Bill Traut geschrieben wurde. Heutzutage kräht kein Hahn mehr danach, aber 1970 reichte ein Artikel im „Esquire“ bei denen COVEN in Verbindung mit Charles Manson gebracht wurde aus (angeblich hielt Manson das Debüt von COVEN vor einem Plattenladen in die Kamera), damit „Mercury“ jegliche Unterstützung für die Band einstellte und sogar das Album vom Markt zog. COVEN reduzierten im Folgenden nach und nach die okkulte Symbolik in ihrer Musik und ihren Auftritten und lösten sich nach weiteren zwei Alben im Jahr 1976 auf.

Jinx hörte aber nie ganz auf, Musik zu machen. In einem Interview von 2017 erzählte sie, dass sie in den 80ern sogar eine Punk-Band hatte (??!!) und mit THE DOOBIE BROTHERS und THE BEACH BOYS tourte. Alles natürlich inkognito. COVEN ging ihr aber nicht aus dem Sinn und so reformierte sie die Band Ende der 2000er. Im Jahr 2008 kam eine Zusammenstellung mit unveröffentlichtem Material heraus und im Jahr 2013 erschien dann das Album ´Jinx´, das erste Album seit 1974. Dann kam Tilburg und seitdem insgesamt 27 Auftritte weltweit. Ich denke, wir werden uns auch zukünftig weiter an Auftritten von COVEN erfreuen und es würde mich nicht wundern, wenn es demnächst eine neue Veröffentlichung geben würde, da Jinx bereits neue Musik ankündigte.

(7,5 Punkte)

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