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HEAVY KRAUT! – Wie der Hardrock nach Deutschland kam (1970 – 1976) – Teil 1

~ 2024 (Bear Family Records) – Stil: Hardrock ~


Frank Schäfer, Jahrgang 1966, hat sich bereits in einigen Büchern mit dem Thema Heavy Metal auseinandergesetzt. Die Ursprünge des heimischen Heavy Metal, als ACCEPT, SCORPIONS und TRANCE den Metal in bundesdeutsche Blutbahnen pflanzten, ermittelte er bereits mit „Heavy Kraut: Wie der Metal nach Deutschland kam“.

Gegenwärtig hat er das Konzept zu der kleinen CD-Dokumentationsreihe „HEAVY KRAUT! Wie der Hardrock nach Deutschland kam“ aufgesetzt. In zwei Teilen, mit jeweils zwei Silberlingen, soll zwar nicht der Beginn des Heavy Metal in deutschen Landen nachgezeichnet werden, aber wie der Titel bereits explizit betont, der des traditionellen Hardrock.

Denn erst kam der Beat, dann der Rock und plötzlich schossen alle Pilze des Krautrock aus dem Boden. Doch die führenden, klassischen Hardrock-Bands kamen aus England, BLACK SABBATH, LED ZEPPELIN, DEEP PURPLE, URIAH HEEP und UFO, oder aus den USA, BLUE CHEER, ALICE COOPER, BLUE ÖYSTER CULT, KISS sowie AEROSMITH, nur um einige bekannte Namen zu benennen.

Zudem pilgerte das deutsche Publikum lieber zu internationalen Festivals wie dem „Isle of Wight“ anstatt sich bei den heimischen Musikern näher umzuschauen. Getreu der wohlbekannten Devise, der Prophet ist im eigenen Land nichts wert, erhielten oftmals einige Combos und Kapellen erst Jahrzehnte später, anfangs sogar erst im Ausland Ruhm und Anerkennung.

Selbst Produzenten und Toningenieure waren in bundesdeutschen Studios rar, Peter Hauke, Conny Plank und Dieter Dierks die Ausnahme, so dass all die hoffungsvollen deutschen Gruppen bereits im Vorfeld einer etwaigen Musikproduktion mit hausgemachten Problemen, mangelndem Interesse des einheimischen Publikums und gewaltigen Vorurteilen, zu kämpfen hatten. Mehr als ein kleiner Haufen von Enthusiasten schaffte es dennoch, eine Schallplatte zu produzieren und so die ersten Samen des deutschen Hardrock zu säen.

Nicht überraschend enthält diese urige Hardrock-Kompilation Beiträge von LUCIFER’S FRIEND (´In The Time Of Job When Mammon Was A Yippie´), BIRTH CONTROL (´Pandemonium´) und den SCORPIONS (´In Search Of The Peace Of Mind´), aber unvermutet solche von der progressiveren Ostrock-Legende ELECTRA (´Bemühe Dich´) sowie den ostdeutschen PUHDYS mit einem ihrer besten Stücke (´Vineta´). Völlig unverhofft bereichert zudem die saarländische Schlagerlegende CINDY & BERT mit ihrer sensationellen Kult-Vertonung des BLACK SABBATH-Hits ´Paranoid´ die Kompilation (´Der Hund von Baskerville´).

Mit anderen Gruppen dieser Kompilation ist wahrschlich nur derjenige Musikliebhaber schon vertraut, der sich auch dem Krautrock, Psychedelic Rock und Progressive Rock der Siebzigerjahre widmet, etwa WIND aus Erlangen (´What Do We Do Now?´), TIGER B. SMITH aus Frankfurt mit Hard und Psych Rock (´Tiger Rock´) sowie natürlich ELOY aus Hannover mit Prog und Space Rock (´Eloy´). Zweimal scheppert es dabei in Hamburg, aufgrund von LIGHT OF DARKNESS mit mehr Blues und Psychedelic (´Movin‘ Along´) und WEED mit mehr Psych und Acid (´Sweet Morning Light´), sowie gleich dreimal vertraut in Mannheim, wegen TWENTY SIXTY SIX AND THEN mit Prog und Psych Rock (´At My Home´), NIGHT SUN (´Crazy Woman´) und KIN PING MEH (´Come On In´). Selbst ASTERIX (´Look Out´) oder BLACKWATER PARK (´Mental Block´) sind in diesem Zusammenhang nicht ganz unbekannt.

Die Düsseldorfer MESSAGE (´Smile´) waren hingegen aufgrund ihres Progressive und Psych Rock ebenso wie GIFT (´You’ll Never Be Accepted´) grundsätzlich ein Fest für den Krautrocker, gleichsam die Niedersachsen von SILBERBART (´Chub Chub Cherry´), die Berliner CURLY CURVE (´Queen Of Spades´) und die Hannoveraner LADY (´On The Road ´). Die Psych und Garagen Rocker HAIRY CHAPTER (´You’ve Got To Follow This Masquerade´) sind wiederum wie die Hardrocker NEW LORDS (´Fly Little Jeannie´) und MEGATON (´Coo Cookie Choo´) eine echte Entdeckung, während MASS (aka BLACK MASS) geraume Zeit nicht mehr unter dem Radar laufen (´Spread Your Wings´). Die Zugabe durch Dirk Steffens (´Things And Thoughts´) ist indes wohl längst in Vergessenheit geraten, schließlich ist das ehemalige Mitglied von BIRTH CONTROL in späteren Jahren als Produzent von ACCEPT, RUNNING WILD, PINK CREAM 69 und VELVET VIPER bekannt geworden. Doch das ist ein anderes Kapitel deutscher Musikgeschichte.

„HEAVY KRAUT! Wie der Hardrock nach Deutschland kam“ ist zweifelsfrei eine wundervolle Entdeckungsreise in die frühen Siebzigerjahre und zu den Ursprüngen des deutschen Hardrock.

 

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