~ 2023 (Vertigo Berlin) – Stil: Pop/Rock ~
Alles bleibt anders, auch beim fünfzehnten Album von ELEMENT OF CRIME. Seit ihrer Gründung anno 1985 hören wir der nostalgischen Kneipenlyrik von Sven Regener zu. Die einmalige Musik dieser sentimentalen Berliner Band eignet sich daher auch weiterhin für den letzten Absacker kurz vor dem Morgengrauen, für die unwirklichen Stunden zwischen Nacht und Morgen, zwischen Verweilen und Aufbruch.
Fünf Jahre nach ´Schafe, Monster und Mäuse´ ist die Gelassenheit nicht geringer geworden. Die zuletzt eingesetzten Bläser und Streicher harren in der Dunkelkammer, so dass die Vier-Mann-Besetzung alle denkbare Luft zum Atmen verspürt, die sie im verrauchten Dunst der Nacht auch dringend benötigt. Dementsprechend klingt die Stimme von Sven Regener, aber auch seine Trompete beinahe wild.
Die Melancholie kommt nicht erst in den Gedanken auf, weil ihr unersetzlicher Freund und Bassist David Young im vorigen Jahr verstarb und Markus Runzheimer ihn ersetzen musste. Die zehn Lieder schauen mit scharfem Auge auf den Alltag in der Stadt, der Lack der Hauptstadt ist ab, samt all seiner ungewollt lustigen und traurigen Augenblicke.
Zu den großen Pointen des nächtigen Treibens gehören ´Unscharf mit Katze´, ´Ohne Liebe geht es auch´, ´Alles in Ordnung´ („Und alle Kriege sind vorbei, und alle Menschen frei“) und insbesondere das Duett ´Dann kommst du wieder´ mit ISOLATION BERLIN-Sänger Tobias Bamborschke („die Magnolie wird blühen und der Rasen wird grün, und der Flieder die Bienen verzaubern, und die Vögel singen im Vogelbeerbaum ihre Lieder“) oder selbst die Liebeslieder ´Kaltes Herz´ und ´Liebe ist nur ein Wort´, der womöglich eine Reihe von Songtiteln mit einem Buchtitel von Johannes Mario Simmel eröffnet.
Die Zeit zwischen Nacht und Tag, die Stunden zwischen dem Leben drücken vordergründig ´Wieder Sonntag´, eine nach 37 Jahren ausgegrabene Altnummer mit dem Ursprungstitel ´Blue Sunday´, und die frühmorgendlichen Kneipenallegorien des Titelsongs ´Morgens um vier´ besonders gut aus. Zehn neue Songs über vierzig Minuten berichten in aller Gelassenheit über das Alltägliche und die Veränderungen in unserer missgestimmten Zeit. „Die Zeiten werden wilder,“ doch auch ELEMENT OF CRIME „haben keine Lösung, wir haben Lieder“.
(9 Punkte)
Sven Regener: Gesang, Gitarre, Trompete, Hammond-Orgel
Jakob Ilja: Gitarre, Bariton-Gitarre, Klavier
Markus Runzheimer: Bass, Percussion
Richard Pappik: Schlagzeug, Percussion, Mundharmonika
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