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IMAGINAERIUM – The Rise Of Medici

~ 2022 (Anesthesize Productions) – Stil: Prog Rock ~


Einer der Namen, die man automatisch mit den Mächtigen Italiens in der Renaissance verbindet, ist sicher Medici. Als Bankiers in Florenz zu Geld und Macht gekommen wurden sie aus der Stadt gejagt. Und kehrten in Glanz und Gloria zurück. Sie förderten Künstler und Wissenschaftler. Da Vinci und Michelangelo wurden unter ihnen gefördert. Sie eroberten den Papstthron. Geld und Kunstwerke häuften sie in  ihren Residenzen an. Wer im Weg war, egal ob Familie oder nicht, wurde aus dem Weg geräumt, mittels Gift oder Intrigen. Über mehrere hundert Jahre spannen sie ihr Netz über Europa, durch Handel und Eheschließungen.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kam das Ende. Erst näherte es sich schleichend, dann war es doch abrupt vorbei mit dem Haus Medici. Die letzten Mitglieder der Familie starben kinder- und damit erbenlos. Maria Luisa di Medici war dann die letzte des Namens. Als Witwe des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz hinterließ sie auch Spuren in Deutschland, als sie die Heimreise nach Florenz antrat. Sie verfügte testamentarisch, dass die Sammlungen der Familie der Stadt Florenz erhalten bleiben. Nach ihrem Ableben übernahm das Haus Habsburg den Thron in der Toskana. Dadurch wurde es kaum friedlicher in der Region. Erst zur Einigung Italiens hörte die Region auf, ein Zankapfel zu sein. Doch, egal was die Geschichte brachte, die Schätze der Uffizien und des Palazzo Pitti etwa verblieben in ihrer Heimat.

Das ist Stoff für viele Romane, Ausstellungen, Filme und Dokumentationen. Nun haben sich mit IMAGINAERIUM auch Musiker der Familie angenommen. So, ´Festina Lente´“Make Haste Slowly“ – Eile mit Weile… Höre zu und genieße!

IMAGINAERIUM ist ein Projekt des französischen Multiinstrumentalisten Eric Bouilette mit dem britischen Prog-Tausendsassa Clive Nolan (u.a. ARENA, PENDRAGON). Die Musik schrieben sie gemeinsam, für die Lyrics zeichnet Clive verantwortlich. Instrumental verstärkt werden die zwei durch Scott Higham an den Drums, Basser Bernard Hery sowie an der Harfe Isabella Cambini. Dazu kommen die folgenden Stimmen. Laura Piazzai und Andy Sears (Ex-TWELFTH NIGHT) singen die Hauptfiguren Contessina und Cosimo. Dazu kommen Elena Vladyuk und Mark Spencer. Clive ist als intriganter Rinaldo zu hören. Auch wenn sie eher nicht bekannt sind, hier sind hervorragende Stimmen zu hören.

Natürlich, in 55 Minuten kann nicht die Geschichte von mehreren hundert Jahren erzählt werden. Darum beschränkt man sic hier auf Episoden aus dem Leben von Cosimo und seiner Gemahlin Contessina. An dieser Stelle soll ein Verweis auf seinen Wikipedia-Eintrag ausreichen. 

Nach einer polyphonen choralischen Einleitung wird erst einmal geheiratet. Eheschließungen waren auch am Ende des Mittelalters ein Mittel der Machterhaltung. Es wurden Töchter und Söhne vermählt aus politischen Gründen, manchmal entwickelte sich daraus sogar eine Liebe, wie bei der Heirat Cosimos. So kommt ´Duty Of Love´ nicht nur mit den Zeilen

Enter the Medici Kingdom – Bringing fortune bringing fame
The hope and desire of the fathers – Draws power to the name.

Sondern es zitiert auch, symbolisch deutlich und geschickt eingebaut, die Titelmusik von „Game Of Thrones“ in der (schon in der literarischen Vorlage) auch Begebenheiten aus der Zeit der Medici eingingen.

Musikalisch kann man ´The Rise Of Medici´ umschreiben mit melodiösem, manchmal dick aufgetragenem Neo Prog. Darin viel Pathos und viel Schmelz. Immer ein wenig  opernhaft hört man Einflüsse der Musik der Renaissance und Anklänge an Johann Sebastian Bach. Oder man hört Parallelen zu RHAPSODY OF FIRE und dem TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA. Für Otto Normalmetaller könnte das tatsächlich manchmal ein wenig zu schwülstig sein. Andererseits passt dieser Schwulst genau zum Thema. Und IMAGINAERIUM klingen immer noch eigenständig genug, sorgen für Spannung und filmreifes Drama.

 

Giorgio Vasari, Cosimo geht ins Exil, Florenz, Palazzo Vecchio

 

Wenn in ´The Time Will Change´ erste Intrigen gegen Cosimo gesponnen werden, ist man als Hörer hautnaher Zeuge. Über ´Never Close Your Eyes´ und ´The Glass Throne´ steigt stetig die Spannung. Erster Kulminationspunkt ist ´Treachery´. Hier singen die Handelnden gegen ihre Gegner an. Hier verfolgen die Musiker alte Traditionen, Gefühle und Geschehen in Tönen zu verpacken. So findet sich Cosimo im Exil wieder. Für ihn, als Mensch seiner Zeit, sicher schlimmer als der Tod:

Will I never return again to Florence?
Will I never breathe the air, or see the stars from there?

Stone me in the street – Why not hang me in the square
Why not throw me in a pit
Why not hold me to a duel if you dare

Heimweh schmerzt mehr als das offensichtliche Ende. Doch nach einem Jahr wendet sich das Blatt, ´Fortunes Reverse´. Cosimo kehrt zurück in seine Stadt, sein Florenz, stärker und mächtiger als zuvor, größer als je. Cosimo il Vecchio begründet eine Dynastie, die eine lange Zeit ihr Netz über Europa spinnt. Er begründet ihr Erbe, ihr Vermächtnis, ihr ´Legacy´. So bleibt der Name in Erinnerung. Bis heute, nicht nur in Florenz. Ihre Geschichten sind es noch immer wert, erinnert zu werden. Auch in dieser musikalischen Form.

Wie gesagt, es mag einige Leute geben, denen das hier zu kitschig ist. Ich finde, Eric und Clive haben den richtigen Ton getroffen zwischen Prog, Rock und sinfonischen Klängen. Übertreibung gehört eben nicht nur im Kino dazu. Und Klappern zum Handwerk.

(8,5 Punkte)

 

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(VÖ: 30.09.2022)