PlattenkritikenPressfrisch

KREATOR – Hate Über Alles

~ 2022 (Nuclear Blast/Rough Trade) – Stil: Thrash Metal ~


 

KREATOR hauen ihr 15. Studioalbum raus, das sie mit dem US-Amerikaner Arthur Rizk (ETERNAL CHAMPION, SUMERLANDS, POWER TRIP) im Berliner „Studio Wong“ und den „Hansa Studios“ aufgenommen haben. Gestern, vor vierzig Jahren eine kleine Band aus Essen, mit Sänger/Gitarrist Miland „Mille“ Petrozza und Schlagzeuger Jürgen „Ventor“ Reil, heute eine internationale Formation, mit dem französischen Bassisten Frédéric Leclercq und dem finnischen Gitarristen Sami Yli-Sirniö.

Die letzte große Thrash Metal-Band auf Erden kennt abermals keine stilistischen Grenzen. Das Fundament ist zwar immer klassischer Thrash Metal, doch das Quartett scheut sich auch nicht, von diesem Korsett die Ketten zu sprengen. Neben einem melodischen, gar Twin-Gitarren-Spiel finden sich in den Kompositionen auch kleine Spielereien und natürlich ein leidenschaftlich abgebranntes Thrash-Feuerwerk, erbarmungslos und direkt vor Gesicht und Haut abgefackelt.

Echte Klassiker-Werke beginnen im Western-Style mit Akustikgitarre. So auch ´Hate Über Alles´ mit dem einminütigen ´Sergio Corbucci Is Dead´ im Italo-Western-Style zu Ehren von Ennio Morricone und natürlich „Django“-Regisseur Corbucci, abermals wie auf dem Vorgänger mit der Unterstützung von FLESHGOD APOCALYPSE. Kurzerhand beweisen KREATOR, dass ihre Aussagen nichts an Gewicht verloren haben, ihre Musik nicht an Durchschlagskraft und letztlich die Band selber nicht an Relevanz verloren hat. Im Sinne von DEAD KENNEDYS‘ ´California Über Alles´ schreit Mille ´Hate Über Alles´ heraus und meint selbstredend den um sich greifenden Hass, der die Welt wie ein Virus befällt. Das meuchelt und kracht wie zeitloser Thrash Metal, wie ihn KREATOR seit den Neunzigerjahren praktizieren: „Hate über Alles. Hate über Alles. Hate is the virus of this world.“

Den nächsten Alleszerstörer feuern KREATOR direkt mit dem fetten ´Killer Of Jesus´ heraus, genauso unbarmherzig, genauso roh und wild, genauso geil. ´Crush The Tyrants´ ist hingegen ein echt massives Monster, bei dem zum Rhythmus gestampft und gehüpft werden darf. Auf den Galopp von ´Strongest Of The Strong´ kann im Anschluss sogar der True Metaller einsteigen und genüsslich in das mehrstimmige Geshoute einstimmen sowie eisern Köpfe gegen buntbeschmierte Wände schlagen. Dem klassischen Heavy Metal ist der wehmütige Blick in die Achtzigerjahre („1984 I hate the sun. Darkness shining down on me. … 1985 I hear the call. …“) mit ´Become Immortal´ noch stärker verbunden, in denen Mille im Ruhrpott als Sprössling einer aus der DDR übergesiedelten Mutter und eines kalabrischen Vaters aufwächst. Nicht erst die gregorianischen Chöre holen Freunde von ACCEPT und all den Nacheiferern hinter den brennenden Mülltonnen wieder auf die Straße des Lebens.

Klassische KREATOR-Energie schießt ´Conquer And Destroy´ blutverschmiert heraus, derweil das Schlagzeug fortwährend knüppelt und der Indie-Künstler Drangsal überraschend zwischen all den Shouts auftaucht. Beim mörderisch flinken und halsbrecherischen ´Midnight Sun´ gibt sich hernach beinahe unscheinbar aus dem Off Sängerin Sofia Portanet die Ehre („Would you kill for me? Would you die for me? Would you join me under midnight sun?“). Doch alsbald bricht ´Demonic Future´ tobsüchtig über die letzten Standhaften herein („The fight goes on, our fight goes on and on. The fight goes on Demonic Future.“). Wie ein Gute-Nacht-Lied startet schließlich ´Pride Comes Before The Fall´ und verwandelt sich mit heroischer Bestimmtheit in eine weitere Höllenfahrt. Das siebenminütige ´Dying Planet´ bildet den Schlussakt, dystopisch in seinem Ausblick für irgendeinen fernen und immerfort schwelenden Planeten. ´Hate Über Alles´ ist allerdings für alle Welten konzipiert, in einer unglaublichen Vielfalt unterhaltend als auch mahnend. Das Beste, was dieser Menschheit passieren konnte.

(9 Punkte)

Michael Haifl

 

 

 

 

Auch auf ihrem fünfzehnten Album zeigen sich KREATOR Innovativ und vor allem frei von Zwängen und Vorgaben. Man verbindet knallharten Thrash Metal mit fein austarierten melodischen Elementen, agiert dabei furios, rasant und ist nebenbei enorm wütet auf das, was gerade in der Gesellschaft passiert. Nicht umsonst nennt man sein Album ´Hate über alles´, was wiederum an den DEAD KENNEDYS-Song ´California über alles´ angelehnt ist.

Mille und Co. waren schon immer mehr Impulsgeber der Thrash Metal-Szene als Mitläufer und dies zeigt sich beeindruckend auf diesem Album. Man folgt seinen Instinkten, und die legen 2022 die Finger  in die Wunden der Szene und Gesellschaft. Betreutes Denken ist hier ein No-Go.

Musikalisch bewegt man sich überwiegt auf einem ziemlich energischen Niveau. Schon im Titeltrack zeigen sich die Gewalt und der Ideenreichtum, die auf diesem Album regieren. Wie ein Tornado geht es zur Sache und der hasserfüllte Refrain rundet die eingearbeiteten melodischen Mittelparts nur perfekt ab. Man kann auch von einem Ohrwurm in diesem Fall sprechen. Oder ´Killer Of Jesus´, welches einen wie ein ICE überfahrt, aber auch hier im Mittelteil brachiale Abschädel-Rhythmen bereithält. Auch diesem Song kann man eine gewisse Massenkompatibilität nicht absprechen trotz des hohen Tempos. Ein überraschender Höhepunkt versteckt sich hinter dem Titel ´Midnight Sun´. Das mit einem irren Tempo beginnende Stück hält wiederrum hochmelodische Parts bereit, die wiederum von der Indie-Pop-Sängerin Sofia Portanet gesanglich veredelt werden. Was für ein krass-schöner Kontrast.

Etwas Tempo nimmt man bei ´Strongest Of The Strong´ oder ´Conquer And Destroy´ heraus, liefert aber beindruckende Rhythmus- sowie Geschwindigkeitswechsel. Dass auch hier hochmelodische Akzente die Songs dominieren, ist nicht extra zu erwähnen. KREATOR geben nicht der Versuchung nach, kommerzielle Stücke zu liefern, im Gegenteil. Man nutzt die wenigen Möglichkeiten, die das Thrash Metal-Genre bietet und kombiniert diese mit fein implantierten melodischen Elementen, die im Gesamtkontext des Albums allerdings zu den wichtigsten Faktoren des 11-Trackers werden.

Mille Petrozza und KREATOR ist das Kunststück gelungen, nicht abzustumpfen oder zu kapitulieren. Musikalisch ist das Album im Vergleich zu den Vorgängern greifbarer und kompakter geworden und wird rückblickend in ein paar Jahren, zu den Sternstunden der KREATOR Discografie zählen.

(8 Punkte)

Jürgen Tschamler

 

 

 

https://www.facebook.com/KreatorOfficial


(VÖ: 10.06.2022)