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DRENNAN WHYTE – Vermillion

~ 2022 (Independent) – Stil: Indie Rock ~


Die Legende von Drennan Whyte führt uns in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als Eisenbahnen noch Luxus und die Flüsse Amerikas die eigentlichen Fernstraßen sind.

Anno 1850 ist das Flussschiff Drennan Whyte mit seinem schönen Heckrad-Antrieb von New Orleans flussaufwärts unterwegs und soll neben anderen Frachtgütern echte Goldmünzen im Wert von hunderttausend Dollar an Bord haben. In jenen Tagen nicht ungewöhnlich, explodiert plötzlich in der Nähe von Natchez, Mississippi, der Dampfkessel. Die Drennan Whyte sinkt, und mit ihr die gesamte Schiffsladung vierzig Fuß tief. Allein die Besatzung kann sich retten.

Wenige Tage später naht für die verlorene Fracht bereits die Rettung. Die Evermonde versucht das Schiff zu bergen, fängt dabei allerdings Feuer und sinkt ebenfalls auf den Grund des Mississippi. Erst ein Jahr später unternimmt die Ellen Adams einen weiteren Anlauf. Das Bergungsschiff kann mit seinen Greifhaken allerdings kilometerlang nichts am Flussboden aufspüren. Womöglich haben mehrere Hochwasser die Flussrinne verschoben. Die Ellen Adams stößt letztendlich auf eine Sandbank und sinkt beinahe ebenso. Alle weiteren Versuche bleiben gleichermaßen erfolglos, so dass irgendwann die Besitzer der Drennan Whyte die Suche aufgeben. Unzählige Schatzsucher beißen sich hernach die Zähne aus. Die Drennan Whyte bleibt verschwunden.

Zwanzig Jahre später bewirtschaftet ein Mann namens Ancil Fortune eine kleine Farm am Mississippi. Als Sohn des Befehlshabers eines Bergungsschiffes wächst er mit der Geschichte um die Drennan Whyte auf, verschwendet aber keinen Gedanken an das Gold. Eines Tages beginnt er am Flussufer, so erzählt eine weitere Legende, einen Brunnen zu graben und stößt nach mehreren Stunden auf harte Gegenstände. Stundenlang gräbt er weiter und stößt schließlich auf das Deck eines Schiffes. Ancil Fortune hat allerdings Geduld und einen Plan. Er pflanzt weiträumig um die Stelle schnellwachsende Weiden und wartet über fünf Jahre ab, solange bis sich eine dichte Weidenwand gebildet hat und er dahinter unbeobachtet weitergraben kann. Weitere drei Jahre benötigt er, um das Schiff freizulegen. Es ist die Drennan Whyte. Das Gold kann er allerdings nicht so leicht bergen. Mehrmals füllt das Hochwasser des Flusses seine Arbeiten wieder mit Schlamm und Wasser. Nach elf Jahren, im Jahre 1881, schaufelt er der Legende nach die letzte Erde aus dem Schiff hinaus und kann endlich das Gold in seinen Händen halten. Als Ancil mit dem ersten Gold in seinen Taschen nach Hause rennen will, stolpert er über die Weiden und bricht sich das Bein. Er kriecht nach Hause, ruft aber niemanden um Hilfe. Schließlich darf kein Mensch von seiner Entdeckung erfahren. Erst als er nach Wochen wieder sein Bein nachziehen kann, schleppt er sich zum Mississippi. Dieser hat allerdings mit einem neuerlichen Hochwasser seinen kleinen Weidenwald nicht nur ausgespült, der Hauptstrom des Mississippi fließt jetzt sogar über die Stelle, an der die Drennan Whyte lag. Ancil Fortune, einst ein Mann mit Geduld, lässt sich nicht mehr aufhalten. Besonnen begibt er sich Schritt für Schritt in das Wasser bis er ebenso wie die Drennan Whyte nicht mehr zu sehen ist.

2022 wird die DRENNAN WHYTE wieder freigelegt. Als Name des neuen Projektes von Max Birbaum findet die DRENNAN WHYTE ein neues Zuhause. Der Gitarrist und Gründer von LUNAR SHADOW geht nicht nur mit dem neuen Namen DRENNAN WHYTE neue Wege, die sich in Anlehnung an Post Punk und Indie Rock schon zuvor angekündigt hatten. Er beschränkt sich auch endgültig auf den Einfluss von Post Punk- bzw. Indie Rock-Bands wie THE CHAMELEONS und INTERPOL, aber auch THE STROKES sowie Roky Erickson von THE 13TH FLOOR ELEVATORS.

Während sich Max Birbaum bei diesem Solo-Projekt an Gitarre, Bass und am Mikrofon auslebt, steht ihm noch sein Freund Jon Apiarist am Schlagzeug zur Seite. In drei verschiedenen Studios, inklusive den „Bedroom Studios“ von DRENNAN WHYTE, produziert Max Birbaum nach mehrmonatiger Vorbereitung das erste musikalische Lebenszeichen: die Drei-Song-EP ´Vermillion´. Das erste Stück ´Cinder´ besitzt dabei das schrammelnde Gitarrenspiel der STROKES und die Melancholie von INTERPOL, während ´Embarcadero´ im Post Punk erstarken könnte, wenn sich nicht die Gitarre urplötzlich im Sinne von Roky Erickson austoben würde, ohne auf einer Sandbank festzulaufen. Da das Leben ein langer und ruhiger Fluss ist, fühlt sich der letzte Song, ´Rue The Days´, auch erst zum Ausklang berufen, zu eruptieren und den Dampfkessel sanft explodieren zu lassen.

Die Musik von DRENNAN WHYTE besitzt schlichtweg Charme und strahlt obendrein eine authentische Ruhe aus. Dass die neuerlich in Erscheinung getretene DRENNAN WHYTE nunmehr als Bandprojekt die Jahrhunderte alte Legende fortführt, ist beinahe eine Sensationsmeldung wert.

(7,5 Punkte)

 

https://drennanwhyte.bandcamp.com/album/vermillion

https://www.facebook.com/Drennan-Whyte-106541102013542/