~ 2022 (Drag City) – Stil: Soundtrack/Electronica/Rock ~
Kaum ein anderer Künstler hat sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren derart vielseitig und produktiv erwiesen wie der Rocker, Multi-Instrumentalist und Produzent Ty Segall aus Los Angeles. Mit Garagenrock, Psychedelic und inzwischen auch elektronischer Musik zeigte er sich stets als geschickter Visionär, Sänger, Gitarrist und Songwriter, und bei seinem hervorragenden Stoner Rock-Projekt FUZZ hat er sogar Platz hinter dem Schlagzeug genommen.
Sein umfangreicher Katalog ist jedenfalls nach wie vor eine willkommene Herausforderung und ich sehe mich als Fan der ersten Stunde, der von Segalls wilden Ideen einfach nicht genug bekommen kann.
Der Soundtrack ´Whirlybird´ wurde für den gleichnamigen Dokumentarfilm über zwei L.A.-Journalisten komponiert, die in den 80er & 90er Jahren mit ihrer Helikopter-Berichterstattung die Breaking News revolutionierten. Zu den aufsehenerregendsten Dreharbeiten gehörten unter anderem die Unruhen in Los Angeles im Jahr 1991, der Angriff auf den Lkw-Fahrer Reginald Denny sowie die berüchtigte Freeway-Verfolgungsjagd von O.J. Simpson 1994.
Segalls erste Filmmusik ist also vor allem auch eine Dokumentation über die Stadt, in der er aufgewachsen ist, und es gelingt ihm dabei ganz ausgezeichnet, Stimmungen zu erzeugen, Emotionen zu vermitteln und die Handlungen zu ergänzen. Im Opener ´Whirlybird´ etwa finden sich jede Menge Synthesizer und Keyboards, die einen Sonnenaufgang und den Aufbruch zur Berichterstattung vermitteln, während mit zunehmender Spieldauer auch immer wieder schnelle Drum-Machine-Beats, treibende Basslinien und gut platzierte Gitarrenschläge für Schwung sorgen.
Der schwebende Synthesizer von ´Sky Duo´ etwa ist der perfekte Soundtrack, um über die Weiten von Los Angeles zu fliegen, und bei ´Lawrence Welk lll´ bricht Segall sogar mit einigen echoartigen Gitarren los, die in elegante Leadarbeit übergehen und von einem hübschen Drumbeat begleitet werden.
Das Herzstück des Albums ist jedoch eindeutig ´Story Of The Century´, die musikalische Untermalung zur Verfolgungsjagd von O.J., und Ty mischt hier schnelle Rhythmen mit nervösen Pausen, bei einer beeindruckenden Drum’n’Sax-Section. ´Whirly Suite´ hingegen senkt die Stimmung erheblich mit seinem düsteren Flair, während ´Last Flight´ die gedämpfte Atmosphäre nochmals unterstreicht, wenn sowohl der Film als auch Soundtrack schließlich zu Ende gehen.
´Whirlybird´ bietet auch Dialoge vom Filmset bis zur Partitur, und der Meister erzeugt mit Trommelwirbeln dabei Spannung und Atmosphäre, was die Intensität des Dialogs gekonnt ergänzt.
Ty Segalls jüngste Arbeit zeigt einmal mehr, was ihn zu einem so produktiven, engagierten Multi-Instrumentalisten macht, da er viele Werkzeuge aus seiner Kiste hervorholt und seine Fähigkeiten mit einer Vielzahl von Sounds und Instrumenten unter Beweis stellt. Auch ohne die dazugehörigen Bilder fängt die Musik die Höhen und Tiefen der Nachrichtensammlung des 20. Jahrhunderts gut ein, und sie wird sicherlich dafür sorgen, dass noch weitere Filmprojekte bei ihm anklopfen.
(7,5 Punkte)
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