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40 WATT SUN – Perfect Light

~ 2022 (Cappio Records/Svart Records) – Stil: Singer-Doom ~


Das perfekte Licht. Ein kaltweißes Tageslicht schüttet Cortisol aus und schafft Aufnahmebereitschaft sowie Betriebsamkeit, während ein warmweißes Melatonin heraufbeschwört und eher zur Schläfrigkeit, aber auch schlicht zur Entspannung beiträgt. Benötigt man eine Allgemeinbeleuchtung, um einen Raum vollständig zu erhellen, oder nur eine Stimmungsbeleuchtung für die sanften und räumlich begrenzten Lichtstrahlen? Oder will ich gezielt ein Objekt anstrahlen, allein eine Wand erhellen, um Akzente zu setzen?

Das von Patrick Walker selbst aufgenommene Coverartwork des neuen 40 WATT SUN-Werkes spielt in der bedrückenden Weite der Landschaft mit Sand und Meer. Das Leben eines Jahres während des Aufnahmeprozesses mit Theodore Howarth in den „Chat Bizarre Studios“, Hertfordshire, und mit Chris Fullard in den „Holy Mountain Studios“, London, wird ebenso in weiteren Bildern dokumentiert wie das Erlernen und Erleben einer neuen Art des Schreibens und Produzierens.

 

 

Patrick Walker, Mastermind der eigentlich heimgegangenen WARNING, konnte bei seiner dritten Solo-Scheibe unter dem Moniker 40 WATT SUN zudem auf keine erfahrene Bandkonstellation zurückgreifen, aber auf Musikerkollegen wie Schlagzeuger Andrew Prestidge (LUCIFER, ANGEL WITCH) und Bassist Roland Scriver (SERPENT VENOM, SLOTH), Schlagzeuger Ajit Gill (VERTAAL) und Bassistin Lorraine Rath (WORM OUROBOROS, AMBER ASYLUM).

Da Patrick Walkers traurige und ergreifende Kompositionen ohnehin seine berührende Stimme in das Zentrum stellen, wären im Zweifelsfall auch gar keine Instrumente vonnöten gewesen. Doch selbstverständlich spielt Patrick Walker auf ´Perfect Light´ seine Gitarre in natürlichster Schönheit und notwendiger Zerrissenheit, lässt die Kompositionen durchgehend auf einem hohen Emotionsgipfel schwirren und nur selten nochmals zitternd aufbrausen, und bekommt für diese Gärung im achtminütigen, ersten Höhepunkt ´Reveal´ („Wherever you want me, I will be … wherever you are, the light will reach.“) Unterstützung von Nicola Hutchison an der Violine („I will hear you. I’ll cross the distance in your eyes.“) und Pat Crilly an der Mandoline samt Finale im südländischen Kolorit („Oh, Ophelia, I’m strong enough to lift you up.“)

Bei der nachfolgenden epischen Kulmination, dem elfminütigen ´Behind My Eyes´ mit E-Bow-Schaltung folgt das von Chris Redman gespielte Piano („Make it in to something beautiful. … time may prove to us.“) auf den Jazzbesen, bevor der Song („Because sometimes it’s so hard to find.“) im Folk leicht aufblüht. Denn obwohl die Kompositionen in ihrer Schwere und Langsamkeit dem Neunzigerjahre Slowcore nicht fern sind, dürfen die Singer-Songwriter-Songs ohne den mittlerweile gänzlich entronnenen Doom allein aufgrund der Vergangenheit von Patrick Walker in dieser Stimmung ebenso gerne als Singer-Doom betitelt werden. Der Folk-Einfluss schenkt dem Slowcore letztlich diese unglaubliche und einmalige Wärme.

 

 

Gleichwohl ist erstaunlicherweise Abwechslungsreichtum zu spüren. Nach diesen beiden Monumentalwerken folgt mit ´Until´ zwar eine weitere Achtminutennummer, bei der allerdings die Akustiksaiten im Gegensatz zu den anderen Liedern derart flott angerissen werden, dass sich manch ein Hörer die Vorstellung ausmalen könnte, eine eigentlich mit 45 Umdrehungen abzuspielende R.E.M.-Single auf 33 1⁄3 Umdrehungen pro Minute zu hören. Dennoch arbeitet Patrick Walker auch hier mit Dynamiken („There is silence in the way that you unclose me. There is lightning in the gaze in which you hold me.“), um seine Hörerschaft mit seinen sehnsuchtsvollen Geschichten zu begeistern. Denn die Bariton-Stimme grübelt und reflektiert nicht nur im perlenden ´Colours´ gerne zur Akustikgitarre. Sie lässt allerdings in dieser Komposition auch den instrumentalen Saiten abschließend einen Raum, sich einschließlich der Klavierspielereien von Theodore Howarth zu entwickeln. Das von Chris Redman gespielte Piano ist hingegen im neunminütigen ´The Spaces In Between´ umgehend zur Stelle („You are the rhythm of my days and the spaces in between.“). Und so lässt das Rauschen der Erinnerungen auch diese Komposition einige Minuten lang rein instrumental ausklingen.

Weitere neun Minuten schlängeln sich die schmerzhaften Erinnerungen („The way they go by reminds me of my pain.“) mit einem scheppernden Schlagzeug durch die Nacht von ´Raise Me Up´. Doch plötzlich wendet sich die Stimmung („Maybe I’m losing both of us.“) neuerlich in der Erkenntnis hin zur Glückseligkeit („Maybe I’m an island, but make me like the sea.“). Letztlich sind es tatsächlich immer die bösen Geister der Erinnerung, die abermals ein neunminütiges ´A Thousand Miles´ und Patrick Walker im tiefsten Inneren beschäftigen und erschüttern („And that alone would make me smile.“). Mit Nicola Hutchison an der Violine und etwas Pianoklängen setzt ´Closure´ („And all that I thought mattered brings me back to you.“) zur Akustikgitarre das vorläufige Ende dieser Seelenodyssee: „If you were here to ask me what I now believe, I’d say, life can never be held but only lived.“

 

 

Das perfekte Licht zeigt seine Schönheit unter dem Firmament von 40 WATT SUN in einem hellgrauen Gelbton und in emotionaler Bedächtigkeit nebst einer unnachgiebig erdrückenden Melancholie.

(9 Punkte)

https://www.facebook.com/40wattsun