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TEARS FOR FEARS – The Tipping Point

~ 2022 (Concord Records/Universal Music) – Stil: Pop ~


Es waren einmal zwei Schulfreunde, die eine Pop-Band formierten und die Welt im Sturm eroberten. 1981 gründeten Roland Orzabal (Gesang, Gitarre, Keyboards) und Curt Smith (Gesang, Bass, Keyboards) in Bath, England, TEARS FOR FEARS.

Ihre ersten beiden Alben veränderten die Pop-Welt – ´The Hurting´ (1983, mit Hits wie ´Mad World´ und ´Change´) und ´Songs From The Big Chair´ (1985, mit Welthits wie ´Everybody Wants To Rule The World´ und ´Shout´) – während ihr drittes Werk ´The Seeds Of Love´ (1989) sogar intellektuelle Kreise beeindruckte.

Nachdem Roland Orzabal die Alben ´Elemental´ (1993) und ´Raoul And The Kings Of Spain´ (1995) im Alleingang veröffentlicht hatte, fand das Traumduo mit ´Everybody Loves A Happy Ending´ (2004) wieder zusammen. Doch es bedurfte weiterer 18 Jahre, damit ein neuerliches Studioalbum erscheinen konnte. Natürlich hatten sie sich niemals aufgelöst und opferten in der Zwischenzeit ihre Kraft und Zeit für eine dreijährige Tournee durch Nordamerika, Japan, Südkorea und Südamerika, veröffentlichten eine Coverversion von ARCADE FIREs ´Ready To Start´ und die Best-of ´Rule The World´.

Auf zehn neue Songs konnten sich Roland Orzabal („Bevor mit diesem Album alles so gut lief, musste erst alles schief gehen. Es hat Jahre gedauert, aber es passierte etwas, wenn wir unsere Köpfe zusammensteckten.“) und Curt Smith („Ein TEARS FOR FEARS-Album und das, was die Leute als den Sound von TEARS FOR FEARS wahrnehmen, ist das, worauf wir uns beide einigen können.“) endlich verständigen. Denn nachdem ihnen ihr Management empfohlen hatte, mit Hit-Songschreibern zusammen zu arbeiten, wechselten sie kurzerhand ihr Management und wagten sich nach einer neuerlichen Unterbrechung an das Komponieren von ´The Tipping Point´ („Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass wir beschlossen – wir müssen das tun.“)

Im Folkrock mit Holzgitarre und auch Akkordeon eröffnet ´No Small Thing´ das Werk, baut sich allerdings zu einer dramatisch mächtigen Freedom-Hymne á la THE BEATLES auf. Das durch den Tod von Roland Orzabals Frau Caroline im Jahr 2017 beeinflusste Titelstück ´The Tipping Point´, der Punkt an dem eine Person die Schwelle vom Leben zum Tod überschreitet, steigert sich hernach nicht nur in aller Schönheit, sondern zeigt besonders an dieser Stelle den heute noch wunderbar harmonierenden Gesang von Orzabal & Smith.

Der wehmütige Pop von ´Long, Long, Long Time´ wird allerdings vom Gesang aus der Ferne gekrönt, wenn sich im Hintergrund allein die Stimme von Carina Round erhebt. Das vom Klavier vorangetriebene ´Rivers Of Mercy´ offenbart eine große Spiritualität und einen federleichten Chorgesang zum Aufblühen. Das sinfonische ´Please Be Happy´ gelangt hingegen erst mit Klavier und dann mit Streichern an sein Ziel, eine Bitte an eine geliebte Person mit Depressionen auszusprechen.

Unter allen Discokugeln dreht es sich bestimmt demnächst äußerst andachtsvoll zu ´Break The Man´. Da kommt der zeitgemäße TEARS FOR FEARS Pop-Hit ´My Demons´ gerade recht, um mit den Humanoiden zu tanzen. Doch den ganz großen magischen Pop im Scheinwerferlicht bietet ´Master Plan´ ebenfalls mit dem Hauch der BEATLES auf, während sich ´End Of Night´ mit hohem Achtzigerjahre Gesang in die Herzen spielt.

Bereits von der Best-of-Kompilation bekannt, beendet dennoch ´Stay´ bei aller Unsicherheit („Bleib! Bleib nicht. Geh! Geh nicht.“) als Seelenreiniger diese wunderbare, beinahe himmlische Songsammlung. Und so weist ´The Tipping Point´ den Weg aus der Dunkelheit in das Licht, ist eine Stütze und gibt Hoffnung, sich durch Leid und Elend des Lebens durchzubeißen.

(8,5 Punkte)

https://www.facebook.com/TearsForFears


(VÖ: 25.02.2022)