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STÖNER – Stoners Rule

~ 2021 (Heavy Psych Sounds Records) – Stil: Psychedelic/Desert Rock~


Bei Leuten wie mich, die durch die Gnade der frühen Geburt noch Konzerte von den RAMONES live erleben durften, lösen die Worte „Hey! Ho! Let´s Go“ einen pawlowschen Reflex aus, der unruhige Beine und einen sofortigen unkontrollierten Schweißausbruch am ganzen Körper zur Folge hat. Zwar beginnt auch die vorliegende Scheibe der STÖNER mit diesen Worten, aber dass dies angesichts der in diesem Fall agierenden Personen ebenfalls passieren würde, hatte ich nicht wirklich erwartet.

Nun sind die RAMONES auch nicht gerade für ihre Variabilität beim Einsatz von Gitarrenakkorden berühmt, aber verglichen mit den meditativ hypnotischen und repetitiv dargebotenen Melodien, die auf ´Stoners Rule´ geboten werden, stecken deren Songs voller Abwechslung, bieten einen flotten Rhythmus und versprühen eine enorme Dynamik. ´Rad Stays Rad´ und ´The Older Kids´ rauschen, trotz zugegebenermaßen typischer fuzzy Stoner-Riffs, einfach an mir vorbei und auch der eher monoton zu bezeichnende Gesang schafft keinen aktiven Gegenpart. Letzteres wäre zumindest dem Song ´Own Yer Blues´ zu wünschen gewesen, der, wie bereits der Name vermuten lässt, von einem prototypischen Bluesriff getragen wird. Nun sind ja gerade die Bluesklassiker dafür bekannt, dass sie eine prägnante Tonfolge immer und immer wieder erklingen lassen. Eines der berühmtesten Beispiele hierfür ist wohl der Song ´Mannish Boy‘, aber leider kann keiner der auf diesem Werk agierenden Sänger Muddy Waters das Wasser reichen. Allerdings muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass der bei STÖNER für die Gitarrenarbeit und mit Ausnahme des Songs ´Evil Never Dies´ auch für den Gesang verantwortliche Brant Bjork, bei den beiden Bands mit denen er bekannt geworden ist, nämlich KYUSS und FU MANCHU, lediglich für die Schlagzeugarbeit zuständig gewesen ist. Komplettiert werden STÖNER durch Nick Oliveri am Bass und Ryan Güt am Schlagzeug. Es dürfte hinlänglich bekannt sein, dass Oliveri und Bjork Gründungsmitglieder von KYUSS waren, die ersterer jedoch bereits nach dem zweiten und letzterer nach dem dritten Album verließ. Bjork investierte danach seine Zeit zum einen in ein Engagement bei FU MANCHU, aber vor allem in seine Solo-Karriere, der er sich nach seinem Austritt dort im Jahre 2001 vollständig zuwandte. Oliveri hingegen war zunächst Mitglied bei den vom ehemaligen KYUSS-Gitarristen gegründeten QUEENS OF THE STONE AGE widmete sich aber nach seinem Rauswurf dort ab 2004 vollständig der zunächst von ihm als Nebenprojekt gegründeten MONDO GENERATOR, wo er nicht nur Bass spielt, sondern auch hinter dem Mikro steht. Komplettiert wird das Trio durch Ryan Güt, der aktuell ebenfalls auf dem Schemel hinter dem Schlagzeug bei BRANT BJORK sitzt.

Natürlich wurde bei mir als glühender Verehrer von KYUSS bei der Nachricht, dass Bjork und Oliveri eine neue Band gegründet haben, die Hoffnung geweckt, etwas in der Art der verblichenen KYUSS zu vernehmen. Umso mehr, als beide auf meiner Lieblingsscheibe ´Blues For The Red Sun´ zu vernehmen sind. Leider hat sich diese Hoffnung aber nicht im erhofften Maße erfüllt. Nun war es sicherlich auch unfair von mir, ein Wiederaufleben von KYUSS zu erwarten. Schließlich handelt es sich bei STÖNER um eine neue Band und man sollte diese Band auch für sich alleine beurteilen, ohne Vergleiche aus der Vergangenheit zu bemühen…auch wenn es schwerfällt.

Enttäuscht, aber vielleicht ja nicht verwunderlich. Schließlich konnte ich auch noch nie viel mit MONDO GENERATOR und den Solo-Alben von Brant Bjork anfangen. Und auch der gemeinsame Versuch mit VISTA CHINO die alten Zeiten aufleben zu lassen, war ja nur teilweise geglückt. Bei dieser Band, die es mit dem 2013 erschienenen Album ´Peace´ lediglich auf eine Veröffentlichung gebracht hat, handelte es sich de facto um eine 75%-ige Reinkarnation der Original-KYUSS, der sich nur Josh Homme verweigerte. Auslöser dieser Fast-Reunion war damals eine sehr erfolgreiche Tour, die ex-KYUSS-Sänger John Garcia 2011 unter dem Namen KYUSS LIVES! unternahm und bei der es schaffte, die Legende KYUSS wiederaufleben und Menschenmassen zu ihren Konzerten strömen zu lassen. Unter ihnen befand auch ich mich, der KYUSS nur ein einziges Mal zwanzig Jahre vorher live gesehen hatte. Nach Klagen der ehemaligen KYUSS-Mitglieder Josh Homme und Scott Reader musste die Band diesen Namen aber aufgeben und benannte sich in VISTA CHINO um. Allerdings war damals mit eben jenem John Garcia noch der Originalsänger von KYUSS dabei, was durch seine dynamisch dominante Stimme einen nicht unerheblichen Unterschied zu STÖNER darstellt.

 

 

Nun aber zurück zur Scheibe mit dem Titel ´Stoners Rule´, zu der es nämlich auch noch Interessantes zu berichten gibt, denn eigentlich handelt es sich hierbei um die Studioversion des Live-Debüts von STÖNER.

Es begab sich am 20. März des Jahres 2021, dass STÖNER in die Mojave-Wüste ging, um ein Konzert zu geben, das der Welt als Live-Stream dargeboten wurde. Dieses Konzert kann nun, analog zu vier weiteren mit EARTHLESS, NEBULA, SPIRIT MOTHER und MOUNTAIN TAMER als Teil 4 der fünfteiligen Reihe „Live in The Mojave Desert“ seit einigen Wochen käuflich auf DVD, LP und CD erworben werden (Allerdings wurde das Konzert tatsächlich als letztes aufgenommen.). Pate stand, wie bereits bei YAWNING MAN – ´Live At Giant Rock´ der legendäre Konzertfilm von Pink Floyd „Live in Pompeji“. ´Stoners Rule´ ist aber bereits ein halbes Jahr vorher im Studio aufgenommen worden und erscheint nun nachträglich hierzu, was die Frage aufwirft, welche von beiden Veröffentlichungen nun eigentlich das Debüt ist. Das Studioalbum wartet aber nicht nur mit den gleichen Songs wie die „Live-Aufnahme“ auf, diese werden auch noch in der gleichen Reihenfolge dargebotenen. Darüber hinaus fand das erste dieser von CDWA Records (California Desert Wizards Association) veranstalteten Wüstenkonzerte mit EARTHLESS am 23. Januar statt, also nur knapp drei Monaten nach dem Studiotermin für ´Stoners Rule´. Es ist also gut möglich, dass (einige) Songs auf diesem Album bereits in Kenntnis dieses Events komponiert und dann aufgenommen worden ist. Das ist zwar reine Spekulation, würde aber zu meinem Gefühl diese Platte betreffend passen (s.u.).

Die drei ersten Stücke habe ich ja bereits weiter oben erwähnt. Ja, insbesondere bei den ersten beiden Stücken grooven die Riffs gewaltig und stammen aus dem klassischen Repertoire des Desert Rock. Das Eingangsriff von ´Rad Stays Rad´ erinnert sogar stark an beste KYUSS-Zeiten, aber mir passiert einfach in Summe zu wenig in den Songs. Sie klingen für mich mehr danach, als wären sie in einer spontanen Jam-Session entstanden und weniger auf Basis durchdachter Songkonzepte komponiert. Bei den beiden nachfolgend Songs handelt es sich um kurze Nummern, die beide unterhalb der Dreiminutenmarke bleiben. Während ´Nothin‘´ zwar kurz, aber nicht knackig ist und sich in die Riege der ersten beiden Songs einreiht, überrascht das wieder sehr simpel gehaltene ´Evel Never Dies´ mit einer punkigen Note. Bei diesem Song übernimmt Nick Oliveri den Gesang, dessen Faible für solche Nummern ja bekannt ist und setzt (seinem Kindheitshelden?) Robert Craig „Evel“ Knievel Jr. ein Denkmal.

Für mich sind die beiden letzten Stücke auf dieser Scheibe die stärksten. Bei ´Stand Down´ überzeugt mich vor allem die lässig funkige Arbeit am Bass und auch Bjork kann mit seiner Gitarre ein paar Akzente setzen, die einen zurück in die Zeit versetzen, wo der Desert Rock erfunden wurde und auch die Bezeichnung Psychedelic Rock findet in diesen Stücken ihre Berechtigung. Richtig psychedelisch wird es dann aber im ersten Teil von ´Tribe / Fly Girl´ und mit voranschreitender Dauer entwickelt der sich über dreizehn Minuten erstreckende Song zu einem wirklich ordentlich bluesig groovenden Stück, bei dem mich auch die ausladenden Gitarrenparts absolut für sich gewinnen und ich mich Frage, warum gab es nicht mehr davon auf dieser Scheibe?

Mag sein, dass die Einnahme einer ausreichend hohen Dosis von bewusstseinserweiternden Mittelchen einen dazu befähigt, die Genialität dieses Albums zu erkennen, aber da ich aus dem Alter derartiger Selbstversuche mittlerweile raus bin, wird sich mir dieses wohl nicht mehr erschließen. Aber ich vermute mal, dass die Songs auf der DVD recht gut funktionieren. Ich kenne die DVD zwar nicht und habe mir nur einen Song daraus angeschaut, muss aber zugeben, dass der Musik mindestens eine Dimension fehlt, wenn man nicht das ganze audiovisuelle Erlebnis hat. Die im Zwielicht inmitten einiger vom Wind leicht aufgewirbelter künstlicher Nebelschwaden mit Steadycams aufgenommen Musiker, dazu das rötlich warme Scheinwerferlicht, das von der Felsformation hinter den Musikern reflektiert, und mit dem blauen Himmel über der Wüste perfekt kontrastiert sowie zusätzlich hierzu die immer wieder mal eingestreuten von über der Band kreisenden Drohnen eingefangenen Bilder, sprechen eine ganz eigene, fast schon künstlerisch wertvoll zu nennende Bildsprache. Die Musik wird dabei fast schon zur Untermalungsmusik degradiert. Entfernt man aber diese visuelle Dimension, dann…

Naja, schade drum. Das Potential, musikalisch mehr rauszuholen, ist bei diesen Musikern sicherlich vorhanden und laut Aussagen der Band, soll es sich bei ´Stoners Rule´ um keine Eintagsfliege handeln. Also warten wir den nächsten Output ab und urteilen dann erneut.

Für diese Scheibe gibt es aber von mir gerade mal

(7 Punkte)

wobei 0,5 davon aufgrund der letzten beiden Stücke vergeben werden.

 

 

Das Cover-Artwork von ´Stoners Rule´ gestaltete das bekannte, in Barcelona ansässige Graphic Design Studio „Branca Studio“, die bereits für eine Menge Rock und Metal Bands tätig gewesen sind.

STÖNER sind:
Brant Bjork – Gitarre und Gesang
Nick Oliveri – Bass und Gesang
Ryan Güt – Schlagzeug

 

 www.facebook.com/StonerBandOfficial


(VÖ: 25.06.2021)