MeilensteineVergessene Juwelen

GRAVESTONE – Back To Attack

~ 1985 (Scratch Records) – Stil: Teutonic Metal ~


Da habe ich letzte Woche einen tiefen Griff in den verstaubten Teutonic-Metal-Sack im Keller getan und diesen Klassiker der deutschen Metal-Geschichte hervorgezogen. Nein, natürlich ist 1985 mit dem Album die Metal-Geschichte nicht revolutioniert worden, da waren ja schon die ersten METALLICA- und SLAYER-Alben veröffentlicht und mit HELLOWEEN, KREATOR und AVENGER standen auch schon im guten alten Germany eine neue Generation Metaller in den Startlöchern (oder waren wie ACCEPT schon durchgestartet), die den teutonischen Metal mit auf die Überholspur brachten.

Aber es gibt Alben, die vielleicht objektiv nicht überragend sind, mit denen ich aber positive Erinnerungen verknüpfe und die ich nach wie vor absolut gerne höre. Dazu gehören auf jeden Fall ´Back To Attack´ und sein Vorgänger ´Victim Of Chains´. Da gibt’s auch keinen Schwabenbonus, den Illertissen liegt ja im bayrischen Schwabenteil – genau im Landkreis Neu-Ulm. Mit der Besetzung der ersten beiden progressiven und zum Teil deutschsprachigen Alben hatte diese Besetzung auch schon nichts mehr zu tun. Richtige Metaller wurden sie erst mit ´Victim Of Chains´. Und wenn man sich an die Fakten hält, kann ich für beide Alben konstatieren: eine ordentliche, druckvolle Produktion, saubere Rhythmusarbeit und zwei talentierte Gitarristen mit Matthias Dieth (war später bei SINNER und U.D.O. und hat heute als Rechtsanwalt und Hochschuldozent viel Erfolg) und Klaus Reinelt. Und natürlich mit der „lebenden Kreissäge“ Berti Mejdan am Mikrofon. Berti ist einfach unverkennbar und schafft es in die höchsten Höhen, was manchen vielleicht auf den Magen schlägt. Ich mag seinen Gesang sehr gerne.

Die Songs, Meilensteine der kleinen „New Wave of German Metal“ (den SCORPIONS und ACCEPT folgend). Furioser Schnellstart beim speedigen ´I Love The Night´, schwerer wird’s dann bei ´The Tiger´. ´Back To Attack´ und die Halbballade ´Breakout´ machen einfach Spaß und brennen sich mit eingängigen Melodien ins Gehirn. Bei ´Just A Menuet´ wird der Schweden-Yngwie gekonnt zitiert, mit ´Won’t Stop Rockin‘´ gibt es eine volle Metalbreitseite. ´Dirty Tales´ nervt etwas durch die permanente Wiederholung des Refrains, ´Suicide´ ist eher durchschnittlich. Mit ´You Are The Sun´ wird geschwindigkeitsmäßig an den Opener angeknüpft. Auf meiner Schweizer „Limited Compact Disc Reference Edition“ (wow!) gibt es mit den ´Victim Of Chains´-Gassenhauern ´Rock’n’Roll Is Easy´ und ´Son Of The Freeway´ zwei Bonus-Live-Titel.

 

 

GRAVESTONE war einfach das Lebensgefühl der frühen 80er Jahre: Mädchen – schnelle Autos (um schnell zu den Mädchen in die Dorfdisco zu kommen) – viel Saufen (um in der Dorfdisco zu den Mädchen zu kommen) – Kleinere Schlägereien (wenn das nicht klappte). Von der Häufigkeit wahrscheinlich ein klarer Schwerpunkt auf dem dritten Teil. Die Texte einfach Kult: „Ridin‘ down as fast as hell. The woman of the world at my side, yeah. It’s a real dragons flight. And we shout out: We feel alright. Pushin‘ out all the f*** from our brains.“ (´Back To Attack´) oder „Whisky drinkin‘ hard street fightin. Is everything we need. You have to be my slave tonight. Make everything alright.“ (´Won’t Stop Rocking´). Da ist alles klar, die wurden 100 % selbst gereimt ohne störenden Native-Speaker.

Leider war der Nachfolger ´Creating A Monster´ für mich eher schwächer, Matthias Dieth hatte sich leider auch schon aus dem Staub gemacht. Der Anschluss zu den oben genannten Bands ging verloren, GRAVESTONE wurde ähnlich wie den Pfälzer Kult-Metallern TRANCE das dritte Album (bei GRAVESTONE eigentlich das dritte Metal-Album) zum Verhängnis, den auch ´Victory´ konnte im Falle von TRANCE an die ersten beiden Alben nicht anschließen und führte zu Querelen mit der Plattenfirma. Die Bands wurden von der harten Konkurrenz links und rechts mit Speed und Thrash überholt. Unter dem neuen passenden Namen 48 CRASH fuhren GRAVESTONE den Metalkarren trotz dem MOTÖRHEAD-erprobten Produzent Will Reid Dick vollends gegen die Wand.

Deshalb werden GRAVESTONE nur bei eingefleischten 80er Metallern wie mir einen Stein im Brett bis zum Grab haben. Wer unverfälschten Teutonen-Metal mit originellem Gesang mag, liegt hier richtig. Anschautipp: Das SWR 3-Nachwuchsfestival 1983 (klicke hier).