~ 2020 (Long Branch Records / SPV) – Stil: Indielectropostpunkmetalmathcore ~
Ein Buch über den Untergang von ganzen Zivilisationen brachte Gitarrist/Sänger Nils Wittrock auf den „Kollaps“ („Kollaps: Warum Gesellschaften überleben oder untergehen“). Überraschenderweise führt das 2004 herausgebrachte Buch bereits den Klimawandel als eine der Ursachen an. Durch den sind ja bekanntlich schon die Dinosaurier ausgestorben. Das Buch erwähnt als historische Gesellschaft u. a. die Osterinseln.
Das fünfte Album von THE HIRSCH EFFEKT ist somit eine Sammlung von zehn schwedisch betitelten Liedern. ´KRIS´ eröffnet ´Kollaps´. Ein Beginn wie ´Itai´, wenn man zu viel CHANDELIER gehört hat, doch dann macht das Schlagzeug „tak tak tak“, die Saiten vibrieren und Nils Wittrock kotzt sich über den Zustand unserer Gesellschaft aus. Im angezogenen Tempo können hier Verbindungen zu LEPROUS gezogen werden. Dagegen tritt ´NOJA´ schneller und im gewohnten musikalischen Wirrwarr an. Englischer Rap-Gesang wird für die internationale Fangemeinde kurz eingepflegt, derweil über das bereits brennende Haus unseres Zusammenlebens gesungen wird.
In ´DEKLARATION´ wird zweimal Greta Thunberg zitiert („You have ignored us in the past and you will ignore us again.“) und auf den zwingend notwendigen Wandel gepocht („Whether you like it or not“) sowie in Anlehnung an Hans Christian Andersens „Des Kaisers neue Kleider“ („Der Kaiser ist nackt! Er ist nackt“). Im hektischen Aufschrei klingt bisweilen DEVIN TOWNSEND durch.
´DOMSTOL´ bemüht einen literarischen Kniff und beschreibt den Geburtstag von Greta in ferner Zukunft, wenn sie und ihre Gäste auf die Vergangenheit blicken. Dort, wo einst die Stadt war, ist heute das Meer. Doch die Menschen waren schlicht zu dumm, es zu verstehen, erzählt sie: „Sie waren zu borniert. Sie machten mich schlecht und glotzten mich… „[…] weil’s selbst hartgesottenen Klimasektenanhängern […] zu doof wird einer geistig Behinderten jeden Quatsch abzukaufen.“…an.“ In der Mitte ein durch die Band verarbeitetes Zitat von Lutz Bachmann auf einer Pegida-Veranstaltung. Aber alle Mühen waren wohl umsonst. „Es tut mir leid. Ich habe es ernsthaft versucht, nur zu spät.“
Hernach folgt in ´BILEN´ eine Hasstirade auf das Automobil: „Mein Herz schlägt zum Rhythmus von einem Vier-Viertel-Takt. Ich schloss bei meiner Geburt mit diesem Land einen Pakt … ich mach brumm, brumm. AUTO! AUTO! Automobil.“ Ein RAMMSTEIN-Rhythmus passt sich der Sprache an.
Von einem Gipfel herab blickt die Formation im Titelsong auf „Rodung, Raubbau, Kollaps, Verfall.“ Zum Abschluss wird in ´AGERA´ der Menschheit erneut in ihr Gewissen geredet und gefragt: „Sagt, wovor habt ihr Angst? Sind alle Schuld, ist’s keiner. Ein kleiner Schritt rückwärts oder ein letzter überhaupt.“ Nochmals ein musikalischer Höhepunkt in einem ansonsten ungewohnt äußerst Hook-armen Werk.
(7 Punkte)
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(VÖ: 8.05.2020)
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