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KRIS DAVIS‘ DIATOM RIBBONS – Live At The Village Vanguard

~ 2023 (Pyroclastic Records) – Stil: Free Improvisation ~


Die kanadische Pianistin Kris Davis wurde nicht nur als Pianistin und Komponistin des Jahres sowie mit einem Grammy ausgezeichnet, sondern insbesondere für ihr 2019er Werk ´Diatom Ribbons´ mit Lobeshymnen überhäuft. Seit diesem Wunderwerk, das den Jazz und Rock mit Electronica, mit gesprochenem Wort und reichlich freier Improvisation überbordete, gilt sie als aufkommender Stern der Pianisten.

Ihre Begleitband ist seither die DIATOM RIBBONS BAND, bestehend aus der Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington, der DJ/Elektronikkünstlerin Val Jeanty, dem Bassisten Trevor Dunn und erstmals dem Gitarristen Julian Lage.

Das zweite Album in dieser Konstellation entstand in den heiligen Hallen des Kellerclubs „Village Vanguard“, in dem schon Sonny Rollins, Bill Evans und John Coltrane nicht nur aufgetreten, sondern ihre Live-Alben aufgezeichnet haben. Fatalerweise haben vor Kris Davis fast ausschließlich nur Männer und allein die Musikerinnen Geri Allen, Shirley Horn und Junko Onishi im „Village Vanguard“ aufgenommen.

Kris Davis überschreitet mit ihrer freien Improvisationsgabe aber auch die Grenzen zeitgenössischer Musik. Dass sie neben ihren eigenen über 20 Veröffentlichungen längst eine gefragte Mitspielerin auf den Weltbühnen des Jazz geworden ist, bezeugen ihre Zusammenarbeiten mit Größen wie Dave Holland, Bill Frisell oder John Zorn.

Mit ihren eigenen Mitstreitern konnte sie ihr Material während eines einwöchigen Aufenthalts im „Village Vanguard“ erkunden, ehe sie es schließlich am 27. und 28. Mai 2022 kostenpflichtig aufnahmen.

 

 

Dabei knüpfen sie an den Geist des Vorgängers an und erzeugen musikalische Klangkollagen. Denn die beinahe 105 Minuten von ´Live At The Village Vanguard´ sind ebenso vielschichtig ausgefallen wie die Einflüsse von Kris Davis, die von Charlie Parker und Eric Dolphy bis zu Karlheinz Stockhausen und Conlon Nancarrow reichen, aber auch Wayne Shorter und Ronald Shannon Jackson beinhalten, deren Songs sie für diese Einspielung aufgreift.

Mit dem Song ´Alice In The Congo´ des von Kris Davis zuletzt sehr verehrten Free Jazzers Ronald Shannon Jackson beginnt die Klangreise. Das Arrangement dieser Komposition erfüllt alle Erwartungen, obwohl das Original gar kein Klavier enthält. Selbst die Version von Geri Allens ´The Dancer´ und sogar die zwei von Wayne Shorters ´Dolores´ werden imponierend vorgetragen. Beide ´Dolores´-Versionen überraschen in ihrer Andersartigkeit. Jeweils von Trevor Dunns Bass und Terri Lyne Carringtons Schlagzeug angetrieben, entwickeln sie sich in verschiedene Farbschattierungen.

Experimenteller wird es in der Komposition ´VW´, in der ein SUN RA-Interview über Musik aus einer anderen Dimension eingeflochten ist. Im ansonsten melodischen ´Nine Hats´ werden Elemente von Eric Dolphys ´Hat And Beard´ sowie Conlon Nancarrows ´Study No. 9 For Player Piano´ genutzt und im dritten Abschnitt der ´Bird Suite´ spricht Karlheinz Stockhausen über intuitive Musik. Solche gesprochenen Worte, solche Sprachsamples werden ebenso verblüffend eingearbeitet wie die Elektronik. Insofern kann die Band eine Botschaft vermitteln als auch die Künstler würdigen.

Von Kenny Burrell und Bill Evans im Übergang von den Fünfziger- zu den Sechzigerjahren bis hin in die Gegenwart mit Fred Hersch, das „Village Vanguard“ muss von einem Geist erfüllt sein, der die Auftritte von Musikern zu echten Sternstunden aufgehen lässt. ´Live At The Village Vanguard´ von KRIS DAVIS‘ DIATOM RIBBONS stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar.

 

https://www.facebook.com/krisdavismusic

https://krisdavis.bandcamp.com/album/diatom-ribbons-live-at-the-village-vanguard