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DRIFTING SUN – Forsaken Innocence

~ 2021 (Independent) – Stil: Prog Rock ~


Die Last der hohen Erwartungen. Nichts anderes als ein Meisterwerk darf bei Erscheinen einer neuen Studioarbeit von DRIFTING SUN erhofft werden. Beim mittlerweile siebten Studioalbum seit 1996 ist es nicht anders.

Als Antwort auf die immensen Vorschusslorbeeren legen DRIFTING SUN ein gut 70-minütiges Mammutwerk vor, das auch auf Doppel-Vinyl erscheint.

Allerdings hat sich das Besetzungskarussell abermals ein wenig gedreht. Keyboarder Pat Sanders und Gitarrist Mathieu Spaeter konnten immerhin mit Bassist John Jowitt (ARENA, FROST*, IQ, JADIS, RAIN) und Schlagzeuger Jimmy Pallagrosi (KARNATAKA, ZIO, KSIZ) eine schlagkräftige Rhythmustruppe formieren. Vor allem aber möchten sie nach dem Verlust von Sänger Peter Falconer diesmal mit John „Jargon“ Kosmidis von den griechischen Proggern VERBAL DELIRIUM einen hoffentlich langfristig integrierbaren Sangesbarden präsentieren.

 

 

Der elfminütige Opener ´King Of The Country´ macht bereits alles richtig und geht mit fortwährendem Klaviereinsatz und heroischem Gesang umgehend in medias res. Der eingängige Refrain wird zwar anfangs, aber überraschender Weise nicht mehr am Ende wiederholt („I’m the King of a country. Young, yet feeling wintry. No longer flattered by the bow.“). Die einprägsame Melodie pustet das Klavier jedoch nochmals gerne durch die Gehörgänge. In ruhigen Momenten gedenken DRIFTING SUN dabei den emotionsreichen Momenten des Siebzigerjahre Prog Rock, doch ein mehrstimmiger Gesang holt den Zuhörer umgehend aus allerlei Gedankengängen ab. Nicht nur die Gitarre sowie Geigenstriche von Eric Bouillette (THE ROOM, NINE SKIES) sorgen des Öfteren für wahres Entzücken, so dass jedwede Zuhörerschaft beim Tanzen ins Schlingern und Rotieren kommen kann.

Anschließend betört ´Insidious´ mit sakral mäandernden Keyboard-Klängen wie sie von MARILLION bekannt sind. In der Zwischenzeit wird gar eine verhuschte Atmosphäre im Wind projiziert, die sich im Schönklang der Komposition nochmals entlädt. Zum dramatischen, neunminütigen Tanz bittet ´Dementium´ mit viel Klavier sowie Neo-Prog-Keyboards und weckt Erinnerungen an LANDMARQ. Der Gesang schwingt dabei traumhaft mit („Step into the real world and out of your paranoid realm.“), ausufernde und hektische, beinahe aggressive Schritte miteinbegriffen („And the spider is spinning her web of deceit … Forsaken innocence.“). Selbst die von Akustikgitarre und Klavier getragene Komposition ´New Dawn´ zeigt wundersame Wege zum Solieren auf.

Es folgt das zweigeteilte, insgesamt 25-minütige Epos ´Forsaken Innocence´, dessen zweiter Abschnitt sich vollends im Ausleben der instrumentalen Fingerfähigkeiten betätigt. Fuß- und Beinfertigkeiten benötigt dagegen das Publikum. Denn bereits der erste Abschnitt legt eine immense Beschwingtheit an den Tag („Round and round you step into his mind.“), die der nachfolgende sogar erhöht und für schnelle Schrittfolgen sorgt. Daher ruft ´Time To Go´ als Klavier betonter Ausklang eine echte und notwendige Wiegen-Entspannung hervor.

Allein die Digital- und Vinyl-Ausgabe lässt mit dem Bonus ´Hand On Heart´ die Lautsprecher nochmals tatkräftig beben. Die Last fällt ab und alle sind erleichtert.

(8,5 Punkte)

 

Mehr von DRIFTING SUN

https://driftingsun.bandcamp.com/album/forsaken-innocence


(VÖ: 27.10.2021 (digital), 15.11.2021 (CD, Vinyl))