Livehaftig

SICKING HIGH ROCK VI – The Highlands Rock Hard

~ 24.06.2023, Weselberg, Sickinger Höhe ~


„hyggelig“. Das wichtigste Wort im Dänischen neben „øl“. Es wird mit „anheimelnd“, „behaglich“, „bequem“, „kuschelig“ oder gemütlich“ übersetzt. Insider der Metalszene übersetzen es in Deutschland mit „Sicking High Rock“. Man sollte öfter mal auf seine guten Freunde hören, wenn die einem Jahr ums Jahr in den Ohren liegen, wie geil es dort oben auf der Sickinger Höhe (das wissen wir Talbewohner schon lange) und insbesondere auf dem SHR ist.

 

 

Doch hatten wir lange vorher schon auf unsere dänischen Freunde gehört und pilgerten somit zur etwa gleichen Zeit seit Aeonen von Sonnwenden gen Copenhell, bis es uns dann letztes Jahr mit gefühlt 40.000 Freaks an 4 Tagen vor 4 Bühnen statt den anfänglichen 4.000 an 2 Tagen vor 2 Stages zu anstrengend, unübersichtlich und unhyggelig wurde. Nun war also endlich die Zeit gekommen, das zweite Festival mit weniger als 15 Minuten Anfahrt neben dem IRON FEST abzuchecken. Hätten wir das nur mal früher gemacht…

 

 

Zunächst freut sich der übernachtende Fan auf das massive Angebot an kostenlosen Camping, Park- und Womostellplätzen. Man könnte auch sagen: Ganz Weselberg ist ein stressfreier Parkplatz. Wir folgen der Empfehlung der Veranstalter und entscheiden uns für den Nadine Kessler Platz, weil auch die Adresse „In den Hanfgärten“ schon hyggelig klingt. Unzählige bekannte Gesichter… yepp, hier sind wir richtig und bereiten uns mit motivierenden Getränken auf die kaum zu bewältigenden 50m bis zum Festivalground vor, der mit einer recht ansehnlichen Bühne schon alle Erwartungen mehr als erfüllt. Startschuss, bzw. Sprühstoß!

 

 

Ähnlich wie bei einem recht unbekannten Festival im Norden der Republik eröffnet das Jugendorchester des Musikvereins Laetitia Weselberg e.V. den harten Kuscheltag mit ROCK MEETS BRASS. Erraten, Bloosmussigg, wie mer bei uns saaht. Die Mädels und Buben eröffnen vor ihrem regulären Programm mit einem ultimativen Medley, welches dich direkt in die richtige Bierlaune befördert: ´Iron Man / Rock You Like A Hurricane / The Trooper / Crazy Train / I’d Do Anything for Love´. BÄÄÄÄM. Was soll jetzt noch schiefgehen? Sehr cool.

 

 

Einen besseren Opener nach dem Special Warmup kann sich kein Veranstalter wünschen. Dabei sollte die Zeitspanne, in der die ENDTIME PROPHETS Festivals noch eröffnen relativ kurz ausfallen, da mit dieser kraftvollen, hochprofessionellen Performance der Aufstieg in den kommenden Billings – egal wo auch immer – vorprogrammiert ist. Die packende Mucke irgendwo zwischen AMORPHIS und Death-fernen PARADISE LOST mit modernen Elementen kenne ich in dieser Güte und Eigenständigkeit eigentlich nur von DEAD END FINLAND. Das große Plus besteht neben der Livedarbietung darin, dass vom beinharten Metaller bis zum Gothic oder Indie – egal ob Weiblein, Männlein oder Diverse – jeder, aber wirklich jeder von den explosiven Songs angesprochen wird – entweder volle Kanne oder zumindest teilweise. Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Gig!

 

 

And now to something completely different, wie der Monty Iron sagen würde. IRON ECHO hielten die Stimmung mit ihren PRIEST-orientiertem Material ordentlich am Laufen. Nicht Johnny Rotten und auch nicht Johnny the Fox, sondern Johnny Vox und seine Mannen heizten an diesem wunderschönen Sommertag auf klassische Heavy Metal Art ausgiebig ein. Das Stageacting hatte der agile Sänger definitiv von den Besten gelernt, einen gewissen Rob Halford sicherlich nicht ausgeschlossen und auch wenn wir uns dem eigenen Alter geschuldet mittlerweile an Kurzhaarfrisuren gewöhnt haben, so ist es doch immer wieder eine innerliche Herzensfreude, an der Gitarre einen optischen Bangverstärker zu sehen wie diesen „Zottel“. Die Freude steigt weiter.

 

 

Es könnten die Sprösslinge von Zakk Wylde sein. Alle Fünf. Chapter Trier. Tiny Fuel (v), Jack Stoned (g), Yacko José Gonzales (g), Maze Grey (b) und der Captain an der Schiessbude spielen schnörkellosen, mitreißenden Booze ’n‘ Roll, ohne den heutzutage eigentlich keine ordentliche Bikerparty mehr stattfinden dürfte. Spätestens jetzt sollte der heilige Spruch „vor 4 kein Bier“ von zögerlichen Customtrinkern keinerlei Bedeutung mehr haben, das erfahrene Konzertvolk hat sich bereits vorgefuelt und die Glühkerzen langsam brennen. So muss das. BLESSED HELLRIDE besitzen zudem Klamottengeschmack und eine eigene Kollektion, aus der ich schon länger mein Lieblings-Muscleshirt erworben habe. Und wenn das musikalisch so weitergeht, muss ich die ungeplante Berichterstattung ab jetzt unterbrechen, aber man ist ja auch durch jahrelanges Training für Langstreckenboozen gewappnet. Also auf, weiter geht’s.

 

 

Wahrer melodischer Heavy Metal mit Saft auf dem Kessel, einer kräftigen, eigenständigen Stimme und Lieder, die sich durch die Ohrkanäle im Hirn festsetzen. Der Traum eines jeden Konzertgängers. Auch hier hat man die Lösung parat: KINGCROWN. Das ist Liebe. Die Amore-Brüder Joe (Gesang) und David (Drums) laufen mit einer starken Band zur Höchstform auf.

Als ob es einige Stimmen nicht geahnt hätten („der Sänger sieht aus wie der grössere Bruder unseres Ronnie James Dio“) gibt uns der bekennende Bordeaux Weintrinker Joe zum Abschluß den ´Holy Diver´. Egal wie oft gehört, in der gekonnten Version heizt das die Stimmung für die nächsten Bands natürlich noch erheblich an. Merci!

 

 

Wie kommt der Dudelsack nach Argentinien? Wie kommen Argentinier nach Weselberg? Auch hier kann die Antwort nur von Festivalchef Luly kommen, der mit TRIDDANA einen Hasen aus dem Hut gezaubert hat, wie man ihn auf Feld, Wald und Wiese selten zu Gesicht bekommt. Nein, keine Mittelalterdudelei (sorry Folkmetaller, aber als einer der ersten, die sich dem Mittelalterrock zugewandt hat, bin ich momentan bis auf wenige Ausnahmen völlig übersättigt und –drüssig), sondern verdammt geiler Hardrock mit… eben einem Dudelsack, was ich nicht einmal von irischen oder schottischen Rockern in der Form vorher gehört hatte. Der Auftritt selbst bot alles, was das Metal Heart begehrt, umgesetzt in einer äußerst coolen Optik und wenn man den Gerüchten im Underground glauben schenkt, so ist die Emigration der Männer nach good old Germoney voll im Gange. Bockstarker Gig!

 

 

DIE Überraschung des Festivals war für mich die Buchung der mir vorher unbekannten SAFFIRE. Leck‘ mich am Arsch. Wieder ein Beweis wie beschissen ungerecht diese Musikwelt doch ist. Während ihre Landsleute H.E.A.T. oder ECLIPSE ständig auf irgendwelchen großen Billings ihren mittlerweile angestammten Platz finden, scheint sich keine Sau (ausser Luly) für die wohl genauso begnadete Hammertruppe aus Schweden zu interessieren.

Egal, die Profis um Hetfield-Lookalike Tobias Jansson liefern einen Auftritt, der beweist, daß sie in diese erste Liga des Hard & Heavy gehören und dank einiger dezent eingestreuter progressiver Elemente bei mir ab heute einen noch höheren Stellenwert innehaben als die genannten und alles in ihrem Fahrwasser. Würden unsere mächtigen LETTER X heute so klingen? Mir egal, denn ich erfreue mich ab nun zu Hause an einer CD und zwei weiteren Vinylscheiben. Tack så mycket!

 

 

Auf zur letzten Runde. Nach einem Tag voller Highlights bin ich echt gespannt, wie sich die letzte Band des Abends schlägt, um der kleinen aber feinen Metalgemeinde den Rest zu geben. Tja, wer hat’s erfunden? Nein, diesmal nicht die Schweizer. Schon eher die Australier und der geile alte Vincent Damon. WORRY BLAST sind die perfekte Band für die letzten paar Bier im Dunkel dieser lauen Sommernacht mit ihrer Mischung aus „Alice Cooper-singt-ACDC“ plus einem fetten Schuß junger Power vom guten Sleaze à la SKID ROW! Dabei sieht die Band aus wie eine Horde wütender Metalcorejungs, die den Bassisten von TRUCK STOP eingestellt haben. Alles richtig gemacht und fett abgerockt!

 

 

Ich kann eigentlich nur höchst zufrieden mit stolzgeschwellter Brust zurück in mein kleines Hütschenhausen fahren, welches direkt im Bermuda-Dreieck zwischen dem IRON FEST, SICKING HIGH ROCK und der HEADBANGERS NIGHT angesiedelt ist. An dieser Stelle einen unermesslichen Dank an alle freundlichen, freiwilligen Helfer der beteiligen Vereine, ohne die solch‘ ein reibungsloser Ablauf nicht zu stemmen wäre.

Durch all‘ diese Festivals in unmittelbarer Nähe gibt es seit Jahren einen enormen Mehrwert in meinem Full-Metal-Country und da wir aufgrund der Qualität von Veranstaltungen dennoch die vier Stunden auf’s STORM CRUSHER auf uns nehmen, kann ich jedem hyggeligen Metalhead nur alle vier Events wärmstens ans Herz legen, denn hier gilt zum einen noch wirklich die Devise „von Fans für Fans“ und zum anderen bei der Kartenbestellung „be quick or be dead“, damit ohne ständige Vergrößerung der familiäre Charakter auch weiterhin erhalten bleibt.


Festivalimpressionen:


www.sickinghighrock.com

facebook.com/SickingHighRock