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LANKUM – False Lankum

~ 2023 (Rough Trade Records) – Stil: Post Folk ~


Würde es den Schnitter nach traditioneller Irish Folk Music dürsten, entstünden womöglich solche Geräuschkulissen wie bei LANKUM. Denn die Gruppe aus Dublin rückt seit über zwanzig Jahren ihre Musik in immer dunklere und düstere Regionen menschlicher und irdischer Abgründe.

Gegründet von den Brüdern Ian und Daragh Lynch unter dem Namen LYNCHED, wollten sie eines Tages jedoch nicht mehr mit der Lynchjustiz in Verbindung gebracht werden und firmieren seit 2016 unter dem Namen LANKUM, inspiriert von der Folkballade ´False Lankum´ des Sängers John Reilly.

2023 schließt sich mit der Veröffentlichung ihres vierten Werkes der Kreis, da sie es ´False Lankum´ betitelt haben. Zudem klangen LANKUM niemals zuvor so knochenduster. Zwischen Januar 2021 und Sommer 2022 komponierten sie und nahmen in kurzen Abständen in den „Hellfire Studios“ und den „Guerilla Studios“ von Killiney ihre neuen Lieder auf, dröhnender und hypnotischer als zuvor. Bereits mit dem Vorgänger ´The Livelong Day´ aus dem Jahr 2019 verließen sie die angestammten Traditionen der Irish Folk Music, doch mit ´False Lankum´ haben sie endgültig ihren Sound gefunden, den des Post Folk.

´Go Dig My Grave´ erzählt zu Beginn der ersten Scheibe über beinahe neun Minuten die Geschichte einer Tochter, die von ihrem Freund verlassen und von ihren Eltern aufgehangen aufgefunden wird. Eine Erzählung, die schon des Öfteren vertont wurde, aber hier von Jean Ritchies Album aus 1963 beseelt wurde und mit allerlei Instrumenten und Geräuschen neu entflammt wird, denn im zweiten Abschnitt wenden sie sich der traditionellen irischen Form der Trauer um den Verstorbenen zu und tönen eher maschinell düster als natürlich spirituell. Flirrend und fiebernd erklingen die Saiten im sich anschließenden, siebenminütigen ´Clear Away In The Morning´ zu einem äußerst lieblichen Harmoniegesang.

Zum irischen Tanz spielen LANKUM die alte Weise ´Master Crowley’s´ und fiedeln sich immer schneller in den feurigen Abgrund, um innerhalb des letzten Drittels im quietschenden Stahl- und Fegefeuer anzukommen. Romantischer ist hingegen das alte Stück zum Tanze aus dem 17. Jahrhundert ´Newcastle´ mit einem geschichtlich jüngeren Textbeitrag und mit zweitstimmigen Harmoniegesang ´Netta Perseus´ zur Akustikgitarre sowie einer kurzen perkussiven Aufwallung zum Ausklang.

´The New York Trader´ erzählt zu Beginn der zweiten Scheibe über beinahe acht Minuten die Geschichte eines Kriminellen an Bord eines Schiffes, der als Unglücksbote angesehen und von Bord geworfen wird. Abermals wird das traditionelle Folk-Stück in den dröhnenden Rausch, in die Stürme des Ozeans gedrängt und von einer ursprünglich amerikanischen Melodie namens ´Big Black Cat´ angetrieben.

Das akustische, achtminütige ´Lord Abore And Mary Flynn´ erhält ebenso wie das noch sanftere ´On A Monday Morning´ aus dem Hintergrund von zahlreichen Stimmen Unterstützung. Den tosenden Abschluss setzt jedoch das zwölfminütige ´Turn´, das sich in seinem pulsierenden Ton beständig fortentwickelt, ehe es im maschinellen Höllenschlund aufschlägt und nur noch voranwalzt: „Wenn das alles vorbei ist, wenn das alles tot ist, werden sie die Gedanken zerpflücken, die in deinem Kopf rasseln.“

(8,5 Punkte)

 

 

Radie Peat: Vocals, Harmonium, Concertina, Bayan, Harp, Hammond Organ
Cormac Mac Diarmada: Vocals, Fiddle, Viola, Hammered Dulcimer, Banjo, Bowed Banjo, Guitar, Piano
Daragh Lynch: Vocals, Guitar, Bowed Guitar, Piano, Hammered Dulcimer, Organ
Ian Lynch: Vocals, Uilleann Pipes, Concertina, Hurdy Gurdy, Piano, Hammered Dulcimer, Tape Loops, Tascam Portastudio 424 MKII, Noise

John Dermody: Drums
Cormac Begley: Bass concertina
Sadhbh Peat: Concertina
John ‘Spud’ Murphy: Subsonics, Vocals
Andy Fenstermaker: Vocals
Iona Zajac:  Vocals
Ruth Clinton: Theremin

 

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Pic: Sorcha Frances Ryder