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AHAB – The Coral Tombs

~ 2022 (Napalm Records) – Stil: Doom Metal/Funeral Doom ~


Wenn man die aktuellen Schwergewichte in der modernen Landschaft des Doom Metal betrachtet, ist AHAB ein Name, der in nur wenigen Sekunden fallen muss. Das deutsche Quartett bietet schon von jeher die aquatische Version eines bösartigen Sounds, der so gewaltig ist wie die Ozeane selbst, und seit ihrem letzten Album ´The Boats Of The Glenn Carrig´ sind zwar mittlerweile ganze acht Jahre vergangen, aber man hat das Gefühl, dass die lange Wartezeit gut investiert wurde, um ihre neueste Expedition in die Meerestiefe zu formen, bei der die Band erneut einen beliebten nautischen Roman mit all ihrer Finesse, dem Talent und der Erhabenheit musikalisch adaptiert hat.

Basierte das Vorgängerwerk noch auf dem eher unbekannten Buch von William Hope Hodgson, so ließen sich AHAB dieses Mal von einem Weltroman inspirieren, nämlich ´20.000 Meilen unter dem Meer´ von Jules Verne, veröffentlicht 1874 und 1954 in einer erfolgreichen Filmversion mit Kirk Douglas und James Mason unter dem Walt Disney-Banner verewigt.

Während der Großteil von AHABs Musik traditionell aus langsamen, eiszeitlichen Riffs besteht, beginnt ´The Coral Tombs´ jedoch mit einer explosiven Passage aus donnernden Blasts, erschütternden Schreien und unangenehmen, kantigen Riffs, die eher extremem Black Metal zuzuordnen sind. Aber schon bald verfällt ´Prof Arronax’ Descent Into The Vast Oceans´ in die gewohnt einhüllende Melancholie, die man mit diesem faszinierenden und mysteriösen Outfit assoziiert.

 

 

Gastsänger Chris Dark von ULTHA liefert hier dann auch passenderweise den Eröffnungstext, bevor Daniel Drostes evokativer Gesang übernimmt, tief und erschreckend. Cornelius Althammers versierte Percussion bildet zudem das Rückgrat für den überwältigend kraftvollen Sound, und man meint zu spüren, wie die Nautilus immer weiter in die Tiefen des Ozeans hinabsteigt. Auch die hallende Leadarbeit von Christian Hector arbeitet fortwährend tief und schneidet mühelos, um die verborgenen Orte aufzuspüren.

Die pulverisierenden Eröffnungspassagen von ´Mobilis In Mobili´ erschaffen schließlich eine Atmosphäre wie bei einem drohenden Untergang, mit Wellen an hämmernden Drums, verstörendem Riffing und der dämonischen Gesangsdarbietung Drostes – ein spiralförmiges, fast schon höhlenartiges Stück, mit einem eindringlichen Mittelteil im Stil von OPETH.

Auch das nachfolgende ´The Sea As A Desert´ hämmert, zieht und zerrt, der Sound ist immersiv und überwältigend, geradezu erstickend in seiner gesamten Kraft und Intensität, und beim Titelsong berauscht die Band vor allem mit ihrer Bildersprache, dem Begräbnis-Untergang, bei dem sie den Hörer auf magische Weise in die höhlenartige, majestätische und herrische Welt unter dem Meer mitnimmt.

Im Finale brillieren schließlich ´Ægri Somnia´, mit einem rund 12-minütigen, mäandrierenden, sanften Gitarrenschimmer, der allmählich an Intensität zunimmt sowie ´The Maelstrom´, das noch weiter in die Tiefe geht, mit den beunruhigenden Schreien von Greg Chandler der britischen Doom Masters ESOTERIC.

Mit einer Laufzeit von mehr als einer Stunde trifft ´The Coral Tombs´ jede Note, die AHAB jemals beherrscht hat, erneut auf erstaunliche Weise. Die glitzernden, verschlingenden Tiefen und die langgezogenen Melodien, die mit kompromissloser Schwere, Trauer und Kraft einhergehen, verleihen dem Album eine einzigartige Magie, und es liefert zugleich Traurigkeit und meditative Reflexion, gebündelt in einem spiralförmigen Strudel an Emotionen.

(8,5 Punkte)

https://www.facebook.com/AhabDoom


Pic: Stefan Heilemann
(VÖ: 13.1.2023)