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CLUTCH – Sunrise On Slaughter Beach

~ 2022 (Weathermaker Music / Rough Trade) – Stil: Rock ~


Vermutlich bin ich nicht der Einzige, dem es enorm schwerfällt, die Musik von CLUTCH in eine bestimmte Kategorie einzuordnen (sofern man das als erforderlich betrachtet). Insofern hätte sich die Band keinen besseren Namen einfallen lassen können als CLUTCH. Der Bandname steht nämlich im Englischen zum einen für eine Fahrzeugkupplung, ist aber auch der Begriff für eine kleine elegante Damenhandtasche, die man sich unter den Arm klemmt. Damit umspannt der Bandname alle Facetten ihres aktuell potentiellen Publikums, nämlich von der testosteronerfüllten und benzingeschwängerten Männerwelt, bis hin zu mondänen Damenzirkeln. (Bevor an dieser Stelle jemand Kritik üben möchte: Ich weiß, dass es auch Frauen gibt, die auf PS-starke und schnelle Autos stehen…über die Handtasche bei Männern lasse ich mich jetzt nicht aus.) Um alle Zweifel auszuräumen: Der Bandname CLUTCH soll die enge Beziehung der Bandmitglieder zu Automobilen verdeutlichen.

Ja, bei der Musik von CLUTCH handelt es sich wie oben angegeben um Rock und zwar um Rock, der typischerweise den Groove in jeder einzelnen Note transportiert. Aber zusätzlich ist da auch noch sehr viel Blues, Soul, Funk und auch immer noch eine Menge fuzziger Stoner Rock drin. Das besondere und zumindest für mich absolut atemberaubende, ist aber die voluminös dröhnende und leicht brummelige, dabei aber immer supercoole Stimme von Neil Fallon, die auch gut in eine der legendären Motown-Bands aus den Sechzigern und Siebzigern gepasst hätte, die ja z.T. auch über stimmgewaltige Soulsänger verfügt haben. Edwin Starr und Co. lassen grüßen.
Allerdings darf an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass die Musik von CLUTCH nicht bereits immer so geklungen hat wie heute. Die Anfangszeit von CLUTCH ist vor allem durch starke Hardcore-Anteile geprägt und der Gesang von Neil war eher der Brüllwürfelfraktion zuzuordnen.

Gegründet wurde CLUTCH im Jahr 1990 von den beiden Schulfreunden Dan Maines und Jean Paul Gaster, die beide die Seneca Valley High School in Germantown (Maryland) besuchten. Zu Dan am Bass und Jean Paul am Schlagzeug gesellten sich dann alsbald ihre Schulkollegen Tim Sult an der Gitarre und ein Sänger, der aber bereits nach kurzer Zeit durch den bis dato als Backgroundsänger agierenden Neil Fallon ersetzt wurde, nachdem der Originalsänger bei einem Gig verhindert gewesen war. Seine Qualitäten als Leadsänger müssen die drei anderen Musiker wohl sofort überzeugt haben.

Obwohl diese Formation seit ihrem Debüt stabil geblieben ist, hat sich die Musik von CLUTCH von Beginn an stetig weiterentwickelt und ihr nun vorliegendes 13. Werk ´Sunrise On Slaughter Beach´ hat, wie bereits oben angesprochen, nur noch bedingt etwas mit diesem Debüt zu tun. Seitdem hat CLUTCH beständig von Album zu Album immer neue musikalische Elemente hinzugenommen, was mir, ich gebe es gerne zu, geschmacklich sehr entgegenkommt.

 

 

Auch ´Sunrise On Slaughter Beach´ bildet da keine Ausnahme und lässt erstmalig Instrumente wie ein von Gaster eingesetztes Vibraphon (z.B. zu Beginn von ´Three Golden Horns´) und sogar ein vom Gastmusiker James Robbins gespieltes Theremin erklingen. Dessen Einsatz im Song ´Skeletons On Mars´ passt hier thematisch (siehe Songtitel) wie die Faust aufs Auge und schafft zusammen mit einer stark verhallten Gitarre eine einzigartige psychedelische Sci-Fi-Atmosphäre.

Selbst Backgroundsängerinnen (Deborah Bond und Frenchie Davis) kommen dieses Mal zum Einsatz und verwandeln das Ende von ´Mercy Brown´ mit einem nonverbalen Stimmeinsatz in eine Hommage an PINK FLOYDs ´The Great Gig In The Sky´, wo Clare Torry eine ähnliche epische und allumfassende Atmosphäre heraufbeschwört. Mit dem Begriff „episch“ wird dieses großartige und mit 5:15 Minuten auch längste Stück des Albums recht gut umschrieben. Es beginnt zwar zunächst verhalten, breitet aber im Refrain ganz weit seine Arme aus und drückt den Zuhörer fast schon pathetisch an die Brust. Nicht gerade Typisch für CLUTCH.  Ebenso untypisch ist aber auch ein Song wie ´Mountain Bone´, das mit einem einprägsam dahinfließenden Riff zu überzeugen weiß, welches sich förmlich in den Gehirnwindungen festsetzt.

Typischer sind da eher Songs wie der Opener ´Red Alert (Boss Metal Zone)´ oder ´We Strive For Excellence´, die mit dem von CLUTCH bekannten Drive und unnachahmlichen Groove aufwarten, oder auch ´Nosferatu Madre´, welches mit einer fein ziselierten Gitarrenarbeit und einem einprägsamen Refrain überzeugt.
Zum Abschluss bietet das Album, das in meinen Augen keinen einzigen Ausfall beinhaltet, ein aus meiner Sicht besonderes Schmankerl. Das Stück ´Jackhammer Our Names´ macht nämlich trotz des unterlegten Säuselns der Backgroundsängerinnen noch einmal eindringlich deutlich, über welch begnadete (Blues-)Stimme Neil Fallon verfügt. Ein gewaltiger und eindringlicher Abschluss einer Scheibe, die soviel Coolness und Gelassenheit ausströmt, wie der Reiter auf dem vom Schweizer Künstler Jared Muralt geschaffenen Plattencover.

Die von Tom Dalgety (u.a. GHOST) verantwortete Produktion und Abmischung ist in meinen Ohren sehr gelungen und bietet bei den ruhigeren Stücken eine warme einschmeichelnde Atmosphäre, in der aber dennoch das Schlagzeug so klingt wie es klingen muss, verleiht in den treibenden Stücken den dröhnenden Riffs aber dennoch den Stellenwert, der ihnen zusteht.

Nach einer vierjährigen Pause seit ihrem letzten Album und einer dazwischenliegenden Pandemie, hätte aus ´Sunrise On Slaughter Beach´ durchaus auch ein düsteres Album werden können. Dies umso mehr, als CLUTCH eine Band ist, die statistisch gesehen ein Drittel des Jahres auf Tour verbringt. Hinzu kam auch noch der Tod ihres ehemaligen (2005 bis 2008) Keyboarders Mick Schauer im Jahre 2019. Herausgekommen ist aber ein kurzes, knackiges und zumindest in meinen Ohren mit einer positiven Grundstimmung angelegtes Album, welches neun Songs auf lediglich knapp über 33 Minuten unterbringt und ihre musikalische Reise seit spätestens der Veröffentlichung von ´Earth Rocker´ im Jahre 2013 fortführt. Dieses Album ist für mich bereits jetzt ein echtes Highlight des Jahres 2022 und bekommt daher von mir auch

(9 Punkte)

 

 

Das Album ist am 16. September auf dem von der Band 2008 gegründeten Label „Weathermaker Music“ erschienen und wird in Deutschland von „Rough Trade“ vertrieben (hier können die Tonträger und sonstiges Merch direkt bei der Band erworben werden). Es ist als LP, CD, auf Kassette und auch Digital erhältlich. Das Vinyl gibt es in schwarz, als Picture Disk und in einer auf 2.500 Exemplare limitierten lavendelfarbenen (Original: Teal) Version.

Die Band gibt im November auf ihrer diesjährigen Tour auch einige Konzerte in Deutschland. Sichert euch also rechtzeitig die Tickets.

CLUTCH sind:
Neil Fallon – Gesang, Rhythmusgitarre und Keyboards
Tim Sult – Leadgitarre
Dan Maines – Bass
Jean-Paul Gaster – Schlagzeug

https://www.pro-rock.com/

https://www.facebook.com/Clutchband