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MELVINS – Five Legged Dog

~ 2021 (Ipecac) – Stil: Acoustic Rock/Stoner Rock/Experimental ~


Sicherlich hat jeder seine Lieblings-Ära in der mittlerweile beträchtlichen Band-Historie der MELVINS, und das brandneue, massive und in Quarantäne aufgenommene 36-Songs-Mammutwerk ´Five Legged Dog´ bietet zweifelsohne für jeden etwas und umfasst ausgewählte Stücke aus der riesigen Diskografie der Grunge-Overlords, einschließlich einiger ausgewählter Songs aus Dale Crovers Solo-Alben sowie unveröffentlichte Cover-Versionen. Allesamt akustische Neuinterpretation und ein beachtliches Entrée in die fast 40-jährige Karriere von King Buzzo & Co.!

Wie aber würden die MELVINS als rein akustische Variante denn schließlich klingen? ´Five Legged Dog´ beantwortet die Frage mit Nachdruck und schallt nahezu genauso kraftvoll und vehement wie die ursprüngliche Version. Osborne verzichtet also gänzlich auf den elektrischen Crunch, für den er nun mal bekannt ist und nimmt stattdessen tiefe, manchmal sogar gutturale akustische Tendenzen an, auf die er mit seinen jüngsten Solo-Alben bereits hindeutete. Crovers Snare-Behandlung ist so prominent wie eh und je, und Buzzo greift gerade dann mit Autorität ins Geschehen ein, wenn es nötig ist, zieht sich jedoch auch wieder zurück und zeigt Zurückhaltung, wenn der Song es erfordert. In seiner besten Form ist der Sound jedenfalls geradezu transgressiv.

 

 

Aber auch die Titelauswahl ist vielseitig und ausgewogen. Sowohl ´Boris´ als auch ´Anaconda´ vom 1991er-Meisterwerk ´Bullhead´ erstrahlen in der Helligkeit reiner Akustik einfach nur großartig und ´Up The Dumper´ von ´The Bootlicker´ klingt nun sechssaitig wie ein akustischer Jam aus der Hippie-Ära.

´Billy Fish´, ein Knaller aus der Ära mit Jarred Warren und Coady Willis von BIG BUSINESS, ist einer der feineren Tracks auf dem Display, wobei die mehrgleisigen Vocals so richtig schön klicken und die Band so wirkt, als hätte sie dabei besonders ausgelassenen Spaß.

Zu den weiteren zahlreichen Highlights gehören zweifellos die Hits ihres Klassikers ´Houdini´, vertreten mit ´Hooch´, ´Honey Bucket´ und ´Night Goat´, die auch in den abgespeckten Versionen mitzureißen wissen. Auch ´Oven´ von ihrem Zweitling ´Ozma´ verliert nahezu nichts von seiner Aggression und Verrücktheit, während ´Queen´ und ´Revolve´ hier genauso eindringlich klingen wie in ihren ursprünglichen Inkarnationen auf ´Stoner Witch´. Von den Covers wissen vor allem ALICE COOPERs ´Halo Of Flies´ und ´Sway´ von den ROLLING STONES zu gefallen.

´Five Legged Dog´ ist jedenfalls eine weitere wertvolle Ergänzung zur gewaltigen Diskografie der Aberdeener und ein wahrer Genuss, der trotz seiner Länge und der gewaltigen Anzahl an Songs jedoch nie langweilig wird. Gott segne dieses Trio dafür, dass es auch weiterhin so tief in seiner Geschichte noch Risiken eingeht!

(8,5 Punkte)