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SACRAL NIGHT – Le Diadème D’Argent

~ 2022 (No Remorse Records) – Stil: Frenchepicmelodicblackdeathmetal ~


Ich kann mich noch an das Debütalbum von 2019 erinnern, welches mit düsterem okkulten Heavy Metal zu punkten wusste, der roh und verhallt produziert war. Die Songs wiesen eine gewisse Einprägsamkeit auf und der Gesang war abwechslungsreich, mal in typischem Underground Metal Stil mit mehr Leidenschaft als ausgeprägter Technik gesungen, mal theatralisch rufen, etwas aggressiver, wie ein vortragender Schauspieler, wobei das Gekotze des Deathmetal und Gekreische des Blackmetal weggelassen wurden.

Hier setzt das neue Album ´Le Diadème D’Argent´ auch sogleich an, aber in gewissen Bereichen komplett runderneuert. Zuerst stolpert man über das neue Label „No Remorse Records“, nachdem das Debüt bei „Metal on Metal“ erschien. Einmal die südliche Adria überquert für zukünftige Großtaten, okay. Turin oder Thessaloniki, Hauptsache Italien, würde ich da mal sagen. Außerdem sind die englischen Texte fort, die Franzosen SACRAL NIGHT singen fortan in ihrer Muttersprache und das klingt gleich viel geheimnisvoller, anmutiger, irgendwo dekadenter.

Der Sound ist klarer, transparenter, weniger verhallt und gibt den Songs einen Ausdruck von großer Bühne statt kleinem Kellerloch. Die Düsternis ist geblieben, das erzählende Element ebenso. Schön zu hören, wie im Opener ´Les Miroirs De La Lune´, sind die Übergänge, auf deren Einbettung in die ausladend arrangierten Aufbauten der Songs viel Wert gelegt wurde und die sich gut anfühlen, immer am richtigen Platz zur richtigen Zeit. Dieser Opener ist da schon gleich ein Beispiel für das große kompositorische Talent der Franzosen. Schmissige Refrains, episch eindringliche Strophen, auf einem kräftigen und treibenden Rhythmusfundament, wo hier und da zur Steigerung der Dramatik mal das Schlagzeug für ein paar Sekunden aussetzt und die klagend dunkle Leadgitarre für sich alleine führt.

Ein in überbordendem Bombast ersaufendes Zwischenstück im Opernstil erinnert mich ein wenig an die Zeuhl-Legende MAGMA, ist jedoch nur Intro für den nächsten Nackenbrecher, ´L’Archange Aux Yeux De Feu´ genannt. Rollender Rhythmus bis wirbelnder Rhythmus, dunkle Riffs mit viel Melodie, mehrstimmig aufgebauter Gesang, mittelhoch bis ganz hell und hoch, auf den ersten Eindruck die Sinne verwirrend, aber durch den Wiederkehreffekt bald klar und deutlich einen ebenso pompösen wie packenden Song formend. Irgendwo taucht textloser Operngesang einer Frau auf, bevor eine morbide Keyboardorgelfanfare die Komposition ausklingen lässt. Hier ist nicht nur eine simple Heavy Metal-Band am Werk. Hier findet ein diabolisches Schauspiel statt.

´Conquerant Des Lumières´ mischt typisch melodischen Franzosenmetal mit seinen wilden und mitreißenden Harmonien und hymnenhaften Gesangsmelodien zu einem garstigen, wenngleich ebenso mit Melodie durchtränkten Düstermetal, der auch nordischen Gefilden ob seines eisigen Ausdrucks entsprungen sein könnte. Schön ist wie der Gesang alleine den Song eröffnet. Im weiteren Ablauf zum Ende hin findet man instrumentale Spielereien, darunter sogar einen kurzen Blastbeat, auf dem rollende Gitarrenmelodien von skandinavischen Landschaften künden.

Mit dem eher schleppenden ´L’ode Infinie´ haben SACRAL NIGHT einen absoluten Kracher ausgepackt, der von seinen überbordenden, emotional komplett exaltierten Gesangsmelodien her mit den besten Momenten der alten französischen Stahlschmiedekunst auf einem Level steht und locker als Song auf den größten Alben solcher Legenden wie SORTILÈGE und BLASPHÈME das absolute Highlight ergäbe. 39 Jahre später halt, was mich umso mehr begeistert. Die klagend schöne Gitarrenmelodie mit Keyboarduntermalung am Anfang passt klanglich eher zum ursprünglichen britischen Gothic Metal Anfang der 90er, in sie mischt sich vor Einsatz des Gesangs ein Klang, der mich an ein Akkordeon im französischen Chanson erinnert. Kann nur Einbildung sein. Dann aber kommt wie gesagt eine Hymne französischen Heavy Metal auf den Tisch, die das bisher mehr als gutklassige Album zu einem persönlichen Highlight 2022 werden lässt.

 

 

Beim letzten Stern hinter Sirius, so die Übersetzung des Titels von Song Nr. 6, mag man zuerst an Blackmetal denken. Rohe, grollend dunkle Gitarrenmelodien leiten den Song. Gerufene Vocals, die an eine Rezitation von magischen Texten und Formeln denken lassen, abwechselnd mit melodisch, aber dennoch extrem gesungenen Refrains legen sich darüber. Immer wieder bricht der rasante Fluss ein und das Stück verfängt sich kurz in makabren Zwischenspielen, in deren Duft von süßlichem Pomp immer ein Hauch von Verfall und Verwesung mitschwingt.

Auch der feine Titelsong trägt weiterhin dieses Album in Richtung Legendenstatus. Gefühlt 80er Jahre Metal, aber die Gitarren sind zu roh und diabolisch, die Stimmung explosiv infernalisch. Das rasante Schlagzeug in den flotten Strophen Thrash am Rande von Blackmetal melodisch schwedischer Prägung, aber der Gesang typisch Franzosenmetal. Und so ratlos man sein möchte, es funktioniert. Die Gefühle, welche in den sich durch stete Wiederkehr in der Seele des Metalheads festbrennenden Melodien zum Ausdruck kommen, jagen Dir schlichtweg alle Sicherungen durch.

Und so komme ich zu dem Ergebnis, dass SACRAL NIGHT gegenüber den von den Musikpressekollegen hochgelobten Dänen SLAEGT (wegen Hipster Kultlabel „Vàn“) die Nase weit vorne haben. Die Mischung ist gleich, aber das Verhältnis anders. SLAEGT, die ich ja auch geil finde, nehmen mit ihrem skandinavischen Melodicblackdeathmetal Anlauf und stürzen sich kopfüber in den Spät 70er Jahre Riffhardrock und Heavy Metal der frühen 80er. SACRAL NIGHT kleiden die alte Seele des French Metal in ein Gewand aus eben jenen skandinavischen Einflüssen und reichern das ganze mit wilderen, eruptiveren Elementen an. Wer sich hier als Steilgänger verweigert, hat sicher seine ihm gewährten Gründe, wird aber was verpassen.

Unter anderem die schwelgerische Heavy Metal Hymne ´La Seconde Elegie D’Un Ange´. Dieser Song wogt mit gigantischen Melodien auf einem Fundament aus tosender Rhythmik. Brodelnde Gitarrenmelodien überall, immer mit dem Quäntchen Irrsinn versetzt, welches Heavy Metal-Klassiker auszeichnet. Nach einer Weile ändert sich der Rhythmus etwas, schwenkt von treibend auf stampfend und zurück.

Der Sprung zwischen den beiden Alben in den letzten drei Jahren ist gigantisch. Und das Debüt war bereits eigensinnig und wirklich gut, aber diese schiere Maßlosigkeit an wunderschönen Melodien, mit wilder Leidenschaft gezauberter Gitarrensoli der besten alten Schule angereichert, ist schlichtweg überwältigend. Bei aller Qualität, die viele Labels veröffentlichen, das hier ist ein besonderes Juwel.

Ob ´Pretresse D’Atlantide´ am Ende des Albums den letzten Song noch toppen kann? Hätte ich nur nichts gesagt. Hier steppt der Epic Metal-Bär. Eher schleppend und stampfend präsentiert sich das Stück. Die Gesänge sind erneut Over-the-Top emotional und die Gitarren jammern sehnsuchtsvoll und gleichsam erhaben ihre Läufe. Es überrollt einen schlichtweg und man hat keine Chance, dieser Allmacht zu widerstehen. Immer wieder werden geschickt die Heavy Metal-Passagen rausgenommen und verzweifelt nackte, jedoch melodische Ambientparts zur Steigerung der Atmosphäre und Spannung eingebaut. Mit Gesang. Keyboards, mal flächig, mal als Klavier bereichern die klangliche  Fülle des Stückes und wie sie es einleiten, so entlassen sie es auch in die Ewigkeit.

Seit der ´White Goddess“ von ATLANTEAN KODEX hat mich keine Epic-Platte mehr derartig mitgenommen. Da gebe ich Euch mein Wort drauf. Vielleicht, weil hier noch die Energie und wilde Melodik von French Metal und skandinavischem Melodicblackdeathmetal mit in die Mischung einfließen.

Natürlich kochen SACRAL NIGHT nur mit Wasser und machen Musik, die es seit spätestens 30 Jahren gibt. Aber sie bleiben dabei frisch und vor allem kriegen sie den Metalfan direkt im Herzen zu packen.

Höchstnote nur knapp verfehlt, weil eben alles schon einmal von anderen vernommen, aber eben anders.

(9,5 Punkte)

https://www.facebook.com/SacralNight


(VÖ: 1.07.2022)