Livehaftig

SAINTED SINNERS

~ 17.11.2021, 7er Club Mannheim ~


Eigentlich hatte ich im Sommer noch leise die Hoffnung gehegt, dass es nicht so schlimm wird im Herbst. Nun ist er da und mit ihm die vierte Welle. Seit ein paar Tagen sind die Inzidenzen auf immer neuen Rekorden. In Baden-Württemberg gilt seit gestern die Alarmstufe. Das bedeutet für Veranstaltungen 2G und Maskenpflicht. Wie soll man da ausgelassen ein Konzert feiern?

Auch der Rest der Tour der SAINTED SINNERS steht unter keinem gute Stern. Einige Termine sind schon entfallen. In den Niederlanden und Belgien wurde ein neuer (Teil-)Lockdown ausgerufen. Auch hier kippen die Termine. Auf der einen Seite scheinen sich die Leute nicht zu trauen. Auf der anderen Seite geben erste Clubs dem Regel-Wirrwarr nach. Die Krone wird dem Drama aufgesetzt, als auf dem Weg nach Mannheim Rauch aus dem Motorraum des Transporters drang. Also musste erst mal ein Ersatzfahrzeug her. Darum erreichte die Band die Industriestraße 7 statt wie geplant um zwei mit drei Stunden Verspätung. Das war insofern etwas ungünstig, weil der Neue, Keyboarder Marco Lord Cossu, noch nie gemeinsam mit den anderen zusammen gespielt hat. 

Nach den üblichen Begrüßungen und dem ein oder anderen Small Talk hat ziemlich pünktlich Clubinhaber und Chefanimator Fish das Mikro in der Hand. Die wenigen Leute anfeuernd begrüßt er SAINTED SINNERS. Endlich. Vor gut einem Jahr wollten sie schon hier spielen. Da kam der Lockdown in die Quere. So feiern Frank Pané und seine Mitstreiter ein Album mehr heute Abend. Leider ist es noch nicht dabei. ´Taste It´ wird erst in der nächsten Woche das Presswerk verlassen. Es ist aber gut genug, auf der Setlist heute prominent aufzutauchen.

Los geht es aber mit dem selben alten Song, der schon ´Unlocked & Reloaded´ eröffnete. Und da kommt trotz (oder wegen?) der heutigen Umstände richtig Druck von der Bühne. Dass Frank ein fantastischer Gitarrist ist, weiß ich schon länger. Das ist jetzt die dritte Band nach BONFIRE und DARK BLUE INC., mit der er mich begeistert. Und mittlerweile sind die Heiligen Sünder fast mein liebstes seiner Projekte. Hier findet Frank genau den Mittelweg zwischen technischer Finesse und kommerzieller Eingängigkeit. Das liegt auch an seinen Sidekicks. Rico Bowen am Bass, der auch schon für Tina Turner gespielt hat, tobt mit den Fingern über den Bass und mit dem Instrument über die Bühne und sogar ins Publikum. An den Drums sitzt Berci Hirleman. Dessen stoischen Gesichtsausdruck sieht man sonst am ehesten bei Bassisten.

Wie schon gesagt, der hauptamtliche Keyboarder Ernesto Ghezzi kann nicht dabei sein. Aber sein Ersatzmann!!! Kaum zu glauben, dass er noch nicht einmal mit den anderen geprobt hat. Das ist nicht zu hören. Mr. Pané formuliert es so, dass Signore Cossu die Stücke besser kennt, als die, die sie geschrieben haben. Marco wuselt über die Tasten, da wird einem schon beim Zuschauen schwindlig. Seine Sounds sind geschmackvoll gewählt. Wenn man am nächsten Morgen liest, er wird von Hammond unterstützt und er spielt in namhaften DEEP PURPLE Tributbands, dann erstaunen die Orgelklänge aber kaum.

Den Sänger erlebe ich live zum ersten Mal. Jack Meille kenne ich bisher nur von Konserve, eben von SAINTED SINNER, aber seine Hauptband sind die TYGERS OF PAN TANG. Der Vokalist ist eine wahre Rampensau. Wenn die Bude voll wäre, er würde die Massen bis hinter an der Theke dirigieren.

Hauptakteur allerdings ist der Mann an den sechs Saiten. Frank liefert die fetten Riffs. Und seine Soli sind technische Schmankerl. Immer wieder sehe ich, wie er seine Gäste beobachtet, wie die Reaktionen sind. Sein Grinsen wird immer breiter. Dabei ist er selber schuld. Schließlich schreibt er doch diese begeisternden Songs. Die Mehrheit der heute gespielten stammen natürlich von den beiden letzten Scheiben. Aber auch das Debüt kommt zu Ehren. ´Evangeline´ ist tatsächlich eine Entdeckung. Ein Grund gar, das erste Album zu kaufen, selbst wenn man den da singenden David Reece nicht zu den bevorzugten Stimmen zählt.

´Hammer Of The Gods´ erinnert live noch mehr an ´Kashmir´ als in der Studioversion. Aber es verlangt nach Mitsingen. Das tun wir. Auch mit Maske wird euphorisch mitgesungen. Auch gelungen, und es dauerte mich anzufreunden, ist das R.E.M.-Cover ´Losing My Religion´. Sicher macht es Laune, weil es nicht einfach nur nachgespielt wird. Die Menge tanzt, die Menge zappelt, sofern man gefühlte 20 Leute als Menge bezeichnen will. Schade, aber es ist wohl den Umständen gedankt, dass so wenig los ist.

Flugs sind zwei Stunden um. Zwei Zugaben gibt es on Top. Mit ´We’re All Sainted Sinners´ gibt es sogar eine inoffizielle Bandhymne. Und später, schon am Merch, beim Warten auf die Musiker, singt man vor sich hin:

„Coffee, Whiskey & Rock’n’Roll“

So geht dieser Abend vorüber. Es ist vielleicht für manche das letzte Konzert für dieses Jahr. Man kann aber auch kaum sicher etwas planen. Es bleibt die Hoffnung, dass der kommende Winter bald vorüber geht. Vielleicht wird es wieder besser, wenn der Frühling kommt. Dann sind wir alle wieder da. Versprochen, Fish!


Fotos: Simon Wolski