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NIBIRU ORDEAL – Solar Eclipse

~ 2019 (Inverse Records) – Stil: Extraordinary Power Metal ~


Es gibt Alben, die man einfach mal anchecken will und von denen man dann nicht mehr lassen kann. So geschehen bei der finnisch-schwedischen Combo NIBIRU ORDEAL, die aus dem Wust des Genres aus vielen Gründen herausragen. Zum Einen ist da die außerordentlich eigenständige Stimme des 2017 dazugestoßenen Andi Kravljača (u.a. AEON ZEN, THAUROROD) mit ihren präzise eingesetzten, hohen Screams. Zum Anderen gibt’s durch die Rhythmusfraktion herrlich ballerndes Feuer auf die Solar Plexus zu irrwitzigen Gitarren-/Keyboard-Duellen, die jedoch durchsetzt mit songdienlichen, abwechslungsreichen, auflockernden Parts nie übertrieben wirken. Das zusammen mit jeder Menge gefühlvollen Melodien, die meilenweit weg von schlagerhaften Mitsinghymnen ein gewisses, exotisches Feeling der Unschuld wie auf den ersten Werken von ADRAMELCH, ANGRA oder HEAVEN’S GATE versprühen.

 

 

Schon bald nach dem speedigen Auftakt wird klar, dass es sich trotz ähnlicher Trademarks hierbei nicht um einen weiteren STRATOVARIUS-Klon handelt, sondern der geneigte Hörer stellt schnell fest, dass die Stücke allesamt das Gewisse „etwas“ haben, was beim Gros der Veröffentlichungen heutzutage so schmerzlich vermisst wird. Bombast findet sich nur da, wo er hingehört, statt allgegenwärtigem Sinfonik-Overkill. Es erquickt einen fabulöse Geschwindigkeit, die uhrwerkspräzise gespielt frohlocken lässt und den Staffelstab stets abwechselnd an langsamere, heavy 400-Meter-Läufer und ruhige Langstreckenathleten übergibt. Dazu grandiose Melodien, die eher dem Progmetal entliehen scheinen, als aus dem kurzlebigen Mitgröhlbierkasten gegriffen werden.

 

 

Trotz der satten achtzig-minütigen Spielzeit (!) finde ich keinen Lückenfüller, den man hätte weglassen können, im Gegenteil: Da wo andere Newcomer erstmal Feierabend machen, schieben NIBIRU ORDEAL Überstunden und liefern direkt die Tour De Force in Form von zwei Longtracks, die es in sich haben. Dies ist wohl der Tatsache geschuldet, dass die Ursprünge bis zur Gründung durch Pekka Laitinen (Keyboards) und Vili Härkönen (Drums) 2006 reichen und man verstärkt durch Jussi Pulliainen (Bass) und Mirko Byman (Gitarre) bereits 2015 Unmengen an Material hatte, von dem die bereits erschienene EP, die beiden Singles als auch das Video den Weg auf das Debüt gefunden haben. Das heißt für euch: Einmal zuschlagen und alle Wissenslücken über diese Band schließen – wo bekommt das heutzutage noch geboten? Ein Dreizehnminutenopus wie ´Vortex Of The Dead Galaxies´ oder das eine Minute längere, abschließende Titelstück muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Da brauchten Bands früher einige Alben, um sowas hinzubekommen. Hierfür ließ man extra seine internationalen Kontakte spielen und engagierte „Arnhwald R“ von den Franzosen DEATHCODE SOCIETY für die gesprochenen Parts und die Amerikaner Matthew Earl (alleine zu hören auf ´Vortex…´) und Sam Meador von XANTHOCROID für die Chöre auf ´Spacebeast´. Das ist schon quasi ProgSpeedPower. Musik für Helden und jene, die es werden wollen.

 

 

Im Besonderen fetzt mich die Schlagzeugarbeit generell weg – sehr druckvoll, sehr abwechslungsreich, ohne konstantes Dauergeballere, aber durchaus auch mal mit gekonnt eingesetzten Blastbeats und wenn schnell…dann richtig schnell und mit irrsinnigen Breaks einmal über die Toms gerollt. Herrlich. Ich gehe nach mehrmaligem Hören sogar soweit, diese unverkrampfte Musikalität auf die Ebene der famosen TRAVELER zu stellen, wenn auch in einer anderen Sportart. Stehen die Kanadier vielleicht für die ungestüme Rauheit der ´Walls Of Jericho´ in der Neuzeit, so bieten NIBIRU ORDEAL die opulente Qualität der ´Keeper Of The Seven Keys I&II´ gleich zusammen auf ihrem Debüt – allerdings ohne Kinderlieder, Albernheiten und Kürbiskasper (sorry, my fellow HELLOWs). Die Lyrics befassen sich mit Themen um das Ende aller Tage aus verschiedenen Sichtweisen – die Apokalypse, Armageddon, Überpopulation, Ressourcenplünderung, die mögliche Herkunft der Menschheit und die Suche nach neuen Lebensräumen. Wenn Kriege herrschen, die Verwüstung der Kontinente damit einhergeht und unsere Regierungen versagen, die Ordnung wiederherzustellen – könnte dann eine höhere künstliche Intelligenz uns als unfähig erachten und übernehmen?

Tja, liebe Leser, schaltet auch morgen die Skynet-News ein oder kontaktiert am Besten NIBIRU ORDEAL selbst, damit ihr dieses selbstfinanzierte Werk bald als CD oder gar Vinyl in Händen haltet, statt euch ’nur‘ digital hingeben zu können. Es lohnt sich. I have seen the future of Melodic Power Metal and it’s called NIBIRU ORDEAL.

Anspieltipps außer den bereits genannten Überkloppern: ´Icon 21´, ´Manual To Life´ & ´Civilization´

(9 solar-heiße Punkte)

https://www.facebook.com/NibiruOrdeal