PlattenkritikenPressfrisch

GRAVEYARD – Innocence And Decadence

~ 2015 (Nuclear Blast) – Stil: Vintage Rock ~


„Die Breite an der Spitze ist dichter geworden“ – diese zeitlose Weisheit des Philosophen Hans Hubert Vogts beschreibt mehr denn je auch die Lage an der Front der sogenannten Vintage-(Hard)-Rock-Bewegung. THE SWORD, HORISONT, DEAD LORD, WUCAN, VIDUNDER, KADAVAR, CORSAIR, THE TEMPERANCE MOVEMENT – alles Namen, die in ihrer jeweiligen Genre-Nische für Qualität stehen und gleichzeitig die Erwartungshaltung an die „Stars“ der Szene befeuern. Zum Glück haben sich GRAVEYARD bei der Arbeit an ihrem vierten Album nichts, aber auch gar nichts darum geschissen. Die Folge: ‚Innocence & Decadence‘ tönt frischer und freier als sein beileibe nicht schwacher Vorgänger ´Lights Out´ und kann es in Sachen Dynamik und Inspiration sogar mit dem bisherigen Katalog-Highlight ‚Hisingen Blues‘ aufnehmen.

Der Albumtitel darf dabei durchaus programmatisch verstanden werden. Unschuldig-verträumtes Liedgut hält sich auf ‚Innocence & Decadence‘ die Waage mit herzhaften Rockern, gemeinsam zeichnet die Kompositionen der Göteborger Peter-Green-Verehrer ihre erwachsene Liebe zum Detail aus. Hier noch ein wie beiläufig eingestreuter Taktwechsel, dort eine dezente Tempoverschärfung, darüber Joakim Nilssons variabler Gesang, der das Spektrum zwischen Robert Plant und Nick van Delft (ZODIAC) souverän abdeckt – so hat Rockmusik zu klingen, die sich nicht als Fastfood für die Ohren versteht.

Ausfälle oder auch nur Durchschnittliches sind in den 43 Albumminuten nicht zu finden. Dafür eine ganze Reihe von schimmernden Nuggets, wie ‚The Apple And The Tree‘ (‚Sultans Of Swing‘ mit Hendrix-Perücke), ‚Too Much Is Not Enough‘ (angerauter „Motown“-Soul mit Backgrund-Sängerinnen) oder das fiebrige, von Band-Rückkehrer Truls Mörck gesungene ‚From A Hole In The Wall‘, beim dem sich GRAVEYARD den gelungenen Spaß erlaubt haben, gegen Ende ein Blastbeat-Break einzubauen. Als Ballade sei neben dem synthiegestützten ‚Uncomfortably Numb‘-Bruder ‚Exit 97‘ auch die Schlussnummer ‚Stay For A Song‘ herausgegriffen, in der uns Mr. Nilsson zur Akustikgitarre sein Herz ausschüttet, ehe das Album in einer Art Klangschalen-Meditation nachhallen darf.

Gipfel zementiert.

(8,5 Punkte)