
FOREIGNER – Head Games
1979/2025 (Analogue Productions/Atlantic 75 Series) – Stil: Rock/Hardrock
Drei Jahre nachdem FOREIGNER wie ein Sturm in die Rockszene eingebrochen waren, erscheint im September 1979 mit ´Head Games´ jenes Album, das den Zenith der klassischen Ära ebenso markiert wie deren Bruchlinie. Es ist ein Werk, das nicht aus der Ruhe heraus entsteht, sondern aus einem rastlosen, hektischen Moment der Bandgeschichte, in dem Erfolg, Erschöpfung und künstlerischer Wille aufeinanderprallen. Die Songs tragen diesen inneren Druck in sich, sie klingen angespannt und roh, und gerade darin liegt die Faszination eines Albums, das in seiner Widersprüchlichkeit eine eigene Größe entfaltet.
FOREIGNER standen zu diesem Zeitpunkt auf einer Höhe, die nur wenigen Bands in der Spätphase der Siebziger gelang. Das Debüt von 1977 war mehr als ein Achtungserfolg; es wurde ein transatlantischer Triumph und etablierte Lou Gramm und Mick Jones als kongeniales Songwriter-Duo. ´Double Vision´ setzte ein Jahr später diesen Erfolg in einer Selbstverständlichkeit fort, die beinahe unheimlich wirkte. Tourneen füllten Hallen und Arenen, die Band reiste durch Nordamerika, Europa, Japan und Australien, und der Name FOREIGNER wurde in jenen Jahren zum Synonym für melodischen, aber kraftvollen Arena-Rock.
Doch parallel zu diesem Höhenflug begann die interne Statik zu knirschen. Wochenlanges Reisen, getaktete Produktionstermine, wachsende Erwartungen des Labels und der Öffentlichkeit – all das verdichtete sich zu einem Druck, der nicht spurlos an der Band vorbeiging. Die Zusammenarbeit wurde intensiver, komplizierter, emotionaler. Als FOREIGNER im Sommer 1979 in die “Atlantic Studios” gehen, steht vieles auf dem Prüfstand, und dieser innere Zustand spiegelt sich im Klangbild wider.
Mick Jones trifft eine Entscheidung, die symbolisch für den Bruch steht. Er holt Roy Thomas Baker ins Team. Ein Produzent, der geradezu sinnbildlich für ausgestaltete Rock-Dramatik steht, für kontrollierte Exzentrik, für die Fähigkeit, Härte und Finesse miteinander zu verschmelzen. Baker bringt FOREIGNER jedoch keinen bombastischen Glanz, sondern das Gegenteil – eine rauere, gröbere Gangart, eine Direktheit, die an Proberaumwände erinnert, nicht an Studioglas. Das Album wirkt dadurch weniger kalkuliert, weniger architektonisch, dafür menschlicher, verletzlicher und näher an der Band selbst.

Inmitten dieses Übergangs betritt Rick Wills als neuer Bassist die Bühne. Sein Spiel öffnet eine neue rhythmische Dynamik, während die Gründungsmitglieder Ian McDonald und Al Greenwood zum letzten Mal auf einem FOREIGNER-Album zu hören sind. Das macht ´Head Games´ zu einem geschichtsträchtigen Ereignis. Es hält die letzte Konstellation fest, in der FOREIGNER als sechsköpfige Einheit operierten, bevor Mick Jones später den Kurs radikal straffen sollte.
Schon der Einstieg mit ´Dirty White Boy´ wirkt wie ein Paukenschlag. Der Song trägt den Geruch der Straße in sich, ungehobelt, druckvoll, mit einem Riff, das mehr schneidet als glänzt. Lou Gramm singt mit einer Mischung aus Trotz, Selbstbewusstsein und jugendlicher Unruhe, die perfekt in dieses Klangbild passt. Danach schlägt ´Love On The Telephone´ eine andere Richtung ein, und zwar eine Nervosität, die sich ineinander verschränkte Melodielinien sucht, getragen von den Synthesizern von Al Greenwood und dem melodischen Geschick von Mick Jones.
Die Unruhe des Albums setzt sich fort. ´Women´ lehnt sich gegen jede Glättung auf, treibt in einer natürlichen Energie nach vorn, während ´I’ll Get Even With You´ und ´Seventeen´ zeigen, wie sehr FOREIGNER im Begriff sind, ihren Sound neu zu definieren, ohne die melodische Handschrift zu verlieren, die sie berühmt gemacht hat. Die erste Seite des Albums wirkt wie ein offenes Feld – unberechenbar, aber immer durchdrungen vom Bandgeist, der FOREIGNER zu ihrer weltweiten Präsenz führte.

Mit der zweiten Seite fokussiert sich der Sound. Das Titelstück ´Head Games´ bricht wie ein magischer Höhepunkt hervor, gebaut auf klarem melodischen Fluss, getragen von Synthesizerlinien, die eine frühe Vision der kommenden Achtzigerjahre andeuten. Lou Gramm singt hier mit jener brennenden Intensität, die seine Stimme zur Signatur des Arena Rock machte. Die Spannung zwischen der Eleganz des Refrains und der inneren Unruhe des Textes erzeugt eine Kraft, die das Album in neue Höhen trägt.
´The Modern Day´ öffnet eine neue Farbe im Spektrum – Mick Jones übernimmt den Gesang und zeigt, dass FOREIGNER mehrstimmig denken konnten, nicht nur musikalisch, sondern auch konzeptionell. Der Song hat etwas Leichtes, Fast-Experimentelles, und wirkt dennoch vollkommen organisch im Kontext des Albums. Danach entfaltet ´Blinded By Science´ einen dramatischen Bogen, der an kleine Rock-Kapellen erinnert, getragen von Klavier, Synthesizerschichten und der weit ausschwingenden Stimme von Lou Gramm.
Mit ´Do What You Like´ lebt das Album noch einmal spürbar auf, hell, melodisch warm, getragen von den harmonischen Strukturen, die Rick Wills und Dennis Elliott mit einem Gefühl für Leichtigkeit formen. Der Abschluss mit ´Rev On The Red Line´ schließlich ist mehr als ein Finale. Es ist ein Bild von Geschwindigkeit und Risiko, voller nächtlicher Energie, und ein sinnbildlicher Schlussstrich unter eine Phase, in der FOREIGNER gleichermaßen triumphierten und wankten.
Mit der Neuauflage als Teil der “Atlantic 75 Series” wird dieses Album nun in einer Qualität präsentiert, die seine historische Bedeutung hörbar macht. Ryan K. Smith gelingt ein Remaster, das die ursprüngliche Spannung bewahrt, aber die Transparenz erhöht – jedes Riff, jede Stimme, jede Wendung erhält eine Tiefe, die die damalige Produktion nur erahnen ließ. Die 45-rpm-Pressung auf 180g Vinyl, gefertigt von “Quality Record Pressings”, lässt das Album mit einer Präsenz erklingen, die einen unmittelbar in die Studiosessions des Jahres 1979 versetzt.
´Head Games´ ist kein glatter Klassiker, sondern ein Werk voller Unruhe, voller Selbstfindung. Es zeigt FOREIGNER an einem Scheideweg, als Band im Umbruch, als Künstler auf der Suche nach einer neuen Sprache. Gerade diese Ungeschliffenheit macht das Album heute so wertvoll. Es ist nicht nur ein Kapitel der Erfolgsstory – es ist ein Moment, in dem der Kern der Band offenliegt, roh, empfindlich und voller Energie. Ein Album, das sich nicht anbiedert, sondern sich behauptet. Und genau darin liegt seine eigentliche Schönheit.
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Lou Gramm – Leadgesang
Mick Jones – Leadgitarre, Hintergrundgesang, Klavier; Leadgesang (bei „The Modern Day“)
Ian McDonald – Gitarre, Keyboard, Hintergrundgesang
Al Greenwood – Keyboards, Synthesizer
Rick Wills – Bass, Hintergrundgesang
Dennis Elliott – Schlagzeug



